Es wäre eine gute Quizfrage für Weinkenner: Benennen Sie 20 autochthone Rebsorten der Balearen. Einer, der bei der Frage nicht zunächst an die Decke gucken müsste, ist Antonio Martorell vom regionalen Landwirtschaftsministerium. Martorell steht einem Institut mit dem Kürzel Irfap vor, dessen ausgeschriebener Name bis ans Ende dieses Textes reichen würde. Das Irfap analysiert und dokumentiert unter anderem autochthone, also von den Balearen stammende Rebsorten und begleitet den langwierigen, jahrelangen Prozess bis zur kommerziellen Nutzung.

Die Verwendung heimischer Trauben entspringt nicht falsch verstandenem Nationalstolz. Es sei vielmehr eine Notwendigkeit, mehr balearische Rebsorten für die Winzer nutzbar zu machen, sagt Julio Torres vom Weingut Galmés i Ribot in Santa Margalida. Einheimische Rebsorten böten den Vorteil, dass sie besser an die Gegebenheiten der Inseln angepasst seien als Trauben aus Regionen mit anderen Böden und klimatischen Bedingungen. Zudem brauchten Mallorca-Weine etwas, das sie vom Rest unterscheidet, sagt Irfap-Chef Martorell.

Insgesamt 40 balearische Rebsorten sind derzeit bekannt. Sie alle wachsen auf einem Testgelände des Irfab im Landwirtschaftsministerium. Nur fünf dieser Rebsorten sind von den Behörden anerkannt und registriert. Nur diese dürfen für die Weinproduktion verwendet werden. Zu den bekanntesten zählen die roten Trauben Mantonegro und Callet. Die Rotweine mit der Ursprungsbezeichnung Binissalem haben beispielsweise einen Mantonegro-Anteil von mindestens 55 Prozent. Nicht anerkannte Rebsorten können auch verwandt werden, allerdings darf ihr Anteil am produzierten Wein 5 Prozent nicht übersteigen.

Etliche Weingüter unterhalten Anbauflächen, auf denen mit autochthonen Rebsorten experimentiert wird. Gesucht werden aber nicht nur neue Mischungen von Aromen. Die balearischen Trauben sollen auch helfen, den Alkoholgehalt des Weines zu verringern. Im sonnigen Klima Mallorcas steigt bis zum Ausreifen mancher Trauben der Zuckergehalt und damit der Alkoholanteil erheblich. Weine mit 14 oder mehr Volumenprozent sind keine Seltenheit in diesen Breitengraden, auf dem Markt jedoch sind sie schwerer zu verkaufen als leichtere Tropfen. Einheimische Trauben wie die rote Gargollasa haben die Eigenschaft, bis Oktober ausreifen zu können und Weine mit geringerem Alkoholgehalt zu ermöglichen. Nur befindet sich die Gargollassa-Traube seit mehr als zehn Jahren im Anerkennungsverfahren der Behörden. Erlaubt ist ihre Verwendung noch nicht.

Einige Jahre würde ein solches Verfahren schon dauern, sagt Irfab-Chef Martorell. Aber das sei keine spanische Eigenart, sondern bringe die notwendige wissenschaftliche Analyse mit sich, und die sei praktisch auf der ganzen Welt gleich. Allerdings, so räumt er ein, habe es bei der Gargollasa-Traube „ein paar zusätzliche Komplikationen gegeben“.

In gut einem Monat, bei einigen weißen Trauben auch schon vorher, beginnt auf Mallorca die Weinlese. Auch im Landwirtschaftsministerium werden die Trauben gepflückt und auf Flaschen gezogen. Antonio Martorell ist so etwas wie ein verbeamteter Mini-Winzer. Die Behörden beobachten und beschreiben nicht nur die Pflanzen, sie analysieren auch den daraus gewonnenen Wein. Welche Trauben Potenzial haben und welche eher nicht, darüber tauschen sich Martorell und seine zwölf Mitarbeiter mit den Bodegas der Insel aus. Das Ministerium gibt auch hin und wieder Wein zur Verkostung an den balearischen Sommeliersverband ab. Dennoch sind die Mittel zur öffentlichen Förderung der Weinbranche auf Mallorca beschränkt im Vergleich zu anderen Regionen Spaniens wie Katalonien oder auch Valencia. Dort habe man 20 Forschungsinstitute mit modernster Technik, sagt Antonio Martorell. Alles hänge eben davon ab, wie viel ein Branche zum Bruttoinlandsprodukt beitrage. Auf Mallorca gebe es eben nur 1.200 Hektar Anbaufläche für Wein, die derzeit eine Jahresproduktion von drei Millionen Flaschen erlauben. Damit erziele man auf der Insel nur einen Marktanteil von rund 7 Prozent.