Zweitausendfünfhundert ist eine Zahl, mit der sich Eindruck schinden lässt. Zum Beispiel in einer lauen Open-Air-Nacht im Sommer, wenn sich die Blicke irgendwann nach oben verirren und jemand in die Runde fragt, wie viel Sternlein wohl am Himmel zu sehen sind. Also, hier die Antwort: zweitausendfünfhundert. So viele soll man nach Auskunft der Sternwarte in Costitx in einer durchschnittlichen mallorquinischen Sommernacht mit bloßem Auge erkennen können. Vorausgesetzt, man sitzt nicht gerade bei Flutlicht in Palmas Ono-Stadion, ist weitsichtig oder hat schon vier Gläser tinto intus.

In der Nacht vom 11. auf den 12. August war es wieder so weit für eines der größten kosmischen Schauspiele des Jahres: die ?Tränen des Laurentius" - oder für Ihre spanischen Freunde: las lágrimas de San Lorenzo. Bis zu 110 ?Sterne" pro Stunde scheinen dann vom Firmament zu stürzen - und ziehen für einige Augenblicke eine weiße Lichtspur hinter sich her. Wissenschaftlich ganz nüchtern betrachtet, handelt es sich bei den Sternschnuppen um Meteore, die in einer Höhe von 100 bis 80 Kilometern in der Erdatmosphäre verglühen. Doch weder fallen, noch stürzen sie dabei. Wenn Sie Ihre nächtlichen ZuhörerInnen in einer San-Lorenzo-Nacht also mal richtig doll beeindrucken wollen, erzählen Sie ihnen am besten folgende Geschichte:

?Das Raumschiff Erde durchfliegt auf seiner 365-tägigen Reise um die Sonne insgesamt vier große Meteoriten-Ströme: die Quadrantiden im Januar, die Perseiden im Juli und August, die Leoniden im November und die Geminiden im Dezember. Ihre seltsam klingenden Namen stammen übrigens von den lateinischen Bezeichnungen der Sternbilder, aus denen die Sternschnuppen zu fallen scheinen. Die Perseiden ?stürzen" von der Erde her gesehen also beispielsweise aus dem Sternbild Perseus oder die Geminiden aus dem Sternbild Geminis (Zwillinge).

Doch was sind Meteoriten-Ströme genau? Dahinter verbergen sich Überreste von Kometen, also gigantische, bis zu mehreren Kilometern große Fels- und Eisbrocken, die durch die scheinbar unendlichen Weiten des interplanetaren Raumes rasen. Sie hinterlassen einen Schweif von erbsen- bis tennisballgroßen Staubpartikeln, kosmischen Dreck sozusagen. Eingefangen von den Gravitationskräften hat er sich in diesem Fall in einer Umlaufbahn um die Sonne gesammelt. Diese Streifen werden nun von der Erde gekreuzt, wobei die Atmosphäre als gigantischer Schutzschild herhalten muss, in dem die Meteore verglühen. Und jeder Treffer erscheint - je nach Größe des eintretenden Geschosses - als längere oder kürzere Sternschnuppe am Himmel.

Ein weinender Märtyrer

?Aber was hat das Ganze mit Tränen zu tun?", hören Sie vielleicht eine ungestüme Zuhörerin fragen. Keine Panik. Lehnen Sie sich entspannt zurück, machen Sie eine kurze rhetorische Pause, um dann gleich wieder mit Ihrem Wissen aufzutrumpfen:

?Der heilige Laurentius war vor genau 1750 Jahren eine Art Schatzmeister der katholischen Kirche in Rom. Nachdem Valerian, der römische Kaiser und Christenverfolger, Papst Sixtus hatte enthaupten lassen, wurde Laurentius aufgefordert, die Kirchenschätze herauszurücken. Doch der soll - so will es jedenfalls die Legende - das Gold an Hilfsbedürftige verteilt und anschließend alle Armen und Kranken der Stadt im Kaiserpalast versammelt haben. ?Das ist der wahre Reichtum der Kirche", waren wohl seine letzten Worte. Anschließend wurde Laurentius bei lebendigem Leibe auf einem glühenden Eisenrost zu Tode gefoltert und starb als Märtyrer am 10. August 256, jenem Tag im Jahr also, an dem sich das Raumschiff Erde gerade inmitten des sommerlichen Meteorstroms Perseiden befindet. Und jetzt mal Hand aufs Herz: Sehen die ?herabfallenden" Sternschnuppen etwa nicht wie Laurentius´ Tränen aus?"

Nach dem Ausflug in die Geschichte können Sie sich der ungeteilten Bewunderung Ihrer nächtlichen ZuhörerInnen gewiss sein. Warum also nicht gleich noch ein paar interessante Fakten, raffiniert als Rhetorik-Fragen verpackt, nachlegen: ?Wusstet ihr eigentlich, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Meteors schlappe 200.000 km/h beträgt?" Oder: ?Ist es nicht unglaublich, dass Sternschnuppen manchmal auch als fernes Donnergrollen zu hören sind?" Oder: ?Könnt ihr euch vorstellen, dass täglich etwa zehn Milliarden Meteore, oftmals nur in der Größe eines Staubkorns, mit einer Gesamtmasse von bis zu 10.000 Tonnen

in der Erdatmosphäre verglühen?"

?Aber wie war das noch gleich mit den Wünschen, wenn man eine Sternschnuppe sieht?", wird jetzt vielleicht noch einer Ihrer Zuhörer verzweifelt um Aufmerksamkeit ringen. ?Muss man ihn für sich behalten, wenn er in Erfüllung geht?" Lassen Sie sich auf solchen Aberglauben gar nicht erst ein. ?Das beweise mal!", ist die korrekte, wenngleich auch unromantische Antwort.

Übrigens: Wenn Ihnen jemand die Sache mit den 2.500 Sternen am Himmel nicht glaubt, ok, soll er sie doch selbst nachzählen!

Mallorcas Planetarium in Costitx: www.mallorcaplanetarium.com