Zum ersten Rendezvous sollte man sich besser nicht im Ses Coves in Gènova verabreden. Auch ein Geschäftsessen könnte in dem kleinen Restaurant an Palmas Stadtrand anders verlaufen als gewünscht. Obwohl - der besiegelnde Handschlag nach dem Essen hätte garantiert bleibenden Wert.

Die Rede ist von der calçotada, einem aus Katalonien stammenden kulinarischen Gelage, bei dem Zwiebellauchstangen vom Grill serviert werden. Da die Zwiebeln von Hand gehäutet und samt Tomatensoße mit Schwung in den Mund befördert und ausgesaugt werden, trägt man für alle Eventualitäten ein Lätzchen zur Mahlzeit. Solch eines liegt übrigens statt Serviette an jedem Tisch im Ses Coves bereit. Gegen die schwarzen Hände ist jedoch kein Latz gewachsen, und so hinterlässt jede rußige Zwiebel ihre Handschrift, bevor sie mit einem Schmatzer in den Mund wandert.

Dass man die Spezialität vom Festland überhaupt auf Mallorca genießen kann, hat viel mit Joan Arboix und seiner Frau Carmen Roura zu tun. Joan Arboix´ Familie stammt aus Valls in Katalonien und baut seit mehreren Generationen Gemüse an. Unter anderem auch Lauchzwiebeln. Wer sie anbaut, ist das ganze Jahr über beschäftigt, weiß Joan Arboix, der seit 18 Jahren auf Mallorca lebt. Zunächst sät man die Zwiebelsamen zwischen Oktober und März aus, bis zum Sommer sind sie zu Knollen herangewachsen und können geerntet werden. Von August bis Oktober pflanzt man die Knollen erneut aus, denn erst die Ableger dieser sogenannten Mutterzwiebel sind die calçots. Die jungen Triebe, die herausschießen, werden sofort mit Erde bedeckt, damit sie zu großen, weißen Stangen heranwachsen - übrigens dieselbe Technik, die bei weißem Spargel angewendet wird. Dieses ?Bedecken" hat ihnen den Namen calçot eingebracht, der von calçat, beschuht, kommt.

Ab Oktober und bis Ende April werden die Zwiebeln auf den Fel­dern der Familie Arboix geerntet und nach Mallorca geschickt. Um sie frisch zu halten, legt Joan Arboix sie in seinem Garten am Restaurant aus. ?Die calçots brauchen Bodenkontakt, damit sie die Feuchtigkeit aus der Erde aufnehmen können, das hält sie frisch." Im Kühlschrank würden sie verfaulen. Und so frisch kommen sie auch auf den Grill. ?Jede sieht anders aus, sie haben keine einheitliche Form wie Makkaroni", sagt Joan Arboix, der mittags gegen 13 Uhr den Holzgrill im Restaurant anfeuert. Deshalb arbeitet der Zwiebel-Experte auch am liebsten ohne Handschuhe, nur so kann er jede Stange einzeln befühlen und weiß, ob sie gar ist.

Die fertigen calçots wandern zu je einem Dutzend auf einen Dachziegel, in dem sie traditionell serviert werden (Portion mit Soße 19,50 Euro). Carmen Roura macht den Gästen vor, wie man die Lauchstange am besten packt und sie von ihrer rußgeschwärzten Haut befreit. Danach wird sie in eine spezielle Tomatensoße mit gerösteten Mandeln und Haselnüssen getunkt, über den Kopf geführt und genussvoll im Mund versenkt. ?Calçots schmecken süß und zwicken nicht im Hals wie normale Zwiebeln", sagt Joan Arboix. Sie bestehen zu 90 Prozent aus Ballaststoffen und zu zehn Prozent aus Wasser, ?sind also gesund und fördern die Verdauung".

Doch vor allem machen sie gute Laune, denn beim Essen darf man ordentlich zulangen und anschließend die Finger ablecken. Übrigens trifft man im Ses Coves auch Männer mit Schlips und Kragen. Wer weiß, vielleicht gehen Geschäfte besonders leicht von der Hand, wenn das Gegenüber Latz trägt.

Restaurant Ses Coves, Gènova, täglich 13 - 15 Uhr und 20 - 23 Uhr, Sonntagabend und montags geschlossen. Reservierung unter Tel.: 971-40 23 87.

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