Von seinem wichtigsten Werkzeug kennt Jordi Ribas nicht einmal den Namen. Er fand es auf einem Flohmarkt in Barcelona. Möglicherweise, vermutet Ribas, war es ein Hobel, den Fassmacher benutzten, denn mit dem Ding kann er dem Holz Kurvenformen entlocken, „die mit Maschinen unmöglich sind."

Was Ribas damit zuwege bringt, ist bei einer kuriosen Ausstellung am Samstag (20.6.) im Sitz der Stiftung ACA in Búger zu sehen, und zwar ab 19 Uhr und bis das Sonnenlicht schwindet. Weil er nur auf Bestellung arbeitet, musste er Kunden bitten, für diesen einen Abend ihr Ribas-Bett, ihren Ribas-Stuhl, ihren Ribas-Schreibtisch herauszurücken. Und obwohl nur sechs größere Möbel sowie mehrere kleine Stücke zu sehen sind, vermitteln sie eine Ahnung von einem ganz persönlichen Zugang zu Alltagsgegenständen. Dahinter steckt eine Geschichte, nämlich die eines jungen argentinischen Tischlers, der eines Tages nicht mehr Unternehmer sein will, sondern Kunsthandwerker. Und der aufgrund eines zufälligen Treffens in Patagonien zu seinen mallorquinischen Wurzeln zurückkehrt.

Als wir ihn in seinem Atelier in der Colònia de Sant Pere besuchen, hat der heute 43-Jährige einen Stuhl in Arbeit, dessen Maserungen sich wie ein visuelles Gedicht über die gesamte Oberfläche ziehen. Wie als Antwort auf die Frage nach dem Warum holt er einen kleinen Schemel hervor, an dem jedes Teilstück aus einer anderen Holzsorte gemacht ist, Holzsorten aus Mallorca natürlich: Wilder Ölbaum, Eiche, Mandel, Olivenbaum, Orangenbaum und Aprikosenbaum. „Wir haben im Alltag den kulturellen Reichtum verloren", sagt Ribas.

Vor vielen Jahren besaß er mit seinem Bruder eine Tischlerei im argentinischen Córdoba. Sechs Angestellte, Ribas betreute Kunden, verwaltete Aufträge, kümmerte sich um Buchhaltung, kam mit Holz kaum noch in Berührung. Das begann ihn zu wurmen. Als eine der zahlreichen Krisen die Tischlerei zum Zurückfahren der Produktion zwang, nahm er sich eine unbezahlte Auszeit und verbrachte eineinhalb Jahre in Patagonien, schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, reiste. Dabei lernte er einen Mallorquiner kennen, der ihn einlud, die Insel zu besuchen. Das tat Ribas Jahre später und verliebte sich in eine Insulanerin, die – wie sich herausstellte – eine entfernte ­Verwandte ist: Sie haben dieselben Urgroß­eltern.

Ribas übersiedelte auf die Insel, heiratete. Bei der Familie seiner Frau entdeckte er einen uralten verwahrlosten Tisch und bot sich an, ihn zu restaurieren. Mandelholz, „das hält 500 Jahre", und mit der Arbeit an diesem einfachen, doch soliden und hochwertigen Möbelstück begann es in Ribas´ Kopf zu rumoren. Er bediente sich aus dem Esprit des Handwerks von Gestern und verband es mit etwas Neuem. Gaudí inspirierte ihn, aber es sollte keine Nachahmung sein. Als Geschenk für eine Verwandte schuf er das erste kreative Möbelstück, einen Schreibtisch, dessen Idee ganz auf den Charakter und die Lebensssituation der künftigen Benützerin ausgerichtet war. Ribas studierte Sozio­logie, Philosophie, interessiert sich für „Psycho-­Urbanismus", glaubt an den Einfluss der Dinge auf unser Wohlbefinden, an die Seele der Gegenstände. Und ist dabei ein Tischler geblieben, der Holz berühren muss, um glücklich zu sein.

„La poética de la madera", Stiftung ACA (Son Bielí), Búger, am 20.6. ab 19.00 Uhr bis Sonnen­untergang, mit Konzert.

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