Der Erfinder der Blindenschrift, Louis Braille, wäre in diesem Jahr 200 Jahre alt geworden. Doch den runden Geburtstag des Franzosen hatte Jorge Pohlmann nicht im Hinterkopf, als er sich entschloss, eine Kollektion von Schmuckstücken herzustellen, auf denen Botschaften in Blindenschrift zu lesen sind. Das Braille-Jahr und der Abschluss der Arbeit fallen eher zufällig zusammen. „Ein glücklicher Zufall", sagt der 37-Jährige, der eine kleine Werkstatt in Palmas Kunsthandwerkergasse Passeig per L´artesania betreibt. Allenfalls der Name der Kollektion, „Renacimiento" (auf Deutsch Wiedergeburt), wurde in Anlehnung an den runden Geburstag des Franzosen gewählt.

Für den Deutsch-­Chilenen waren Schmuckstücke von jeher mehr als Objekte nur fürs Auge. „Schmuck muss man fühlen, greifen und spüren." Die vergangenen zwei Jahre hat Pohlmann fast ausschließlich seinem Projekt gewidmet. Etwas Vergleichbares in Brailleschrift habe es bisher noch nicht gegeben, sagt er. Bevor er die ersten Materialien in den Schraubstock spannte, machte er sich mit der Blindenschrift vertraut. Heute kann er die Buchstaben selbst fühlen und lesen – wenngleich nur mit Mühe, wie er sagt.

Die Kollektion besteht aus Ringen, Ohrringen und Armbändern. Sie sind aus 24-karätigem Gold, aus Saphiren, Titan und anderen hochwertigen Materialien. Keines der sich bewegenden Elemente wurde verschweißt. Die Stücke tragen simple Botschaften wie Te amo, aber auch solche mit Tiefgang wie El universo es mental (Das Universum spielt sich im Kopf ab). Letztere ist auf einem Ring zu lesen, der sich am Finger in sich drehen lässt, als ob ihm ein Gewinde innewohnte.

„Bilder, Gefühle spielen sich im Kopf ab", sagt Pohlmann. In der Fantasie gebe es keine Grenzen – weder für Sehbehinderte noch für Menschen mit gesunden Augen. Auch für Letztere hat der Goldschmied die Ausstellung gemacht. „Braille könnte in der Welt des Schmucks zu einer Mode werden", glaubt er.

Und in der Welt der Mode kennt er sich aus. Seine letzte Kollektion, die aus Accessoires für den mallorquinischen Modeschöpfer José Miró bestand, wurde 2007 auf der renommierten Modenschau Pasarela Cibeles in Madrid präsentiert. Pohlmann arbeitet auch mit anderen Modeschöpfern und Juwelieren auf der Insel zusammen. In seinem Kopf formen sich Materialien nicht nur zu Schmuckstücken. Auch ausgefallene Möbelstücke hat der Künstler bereits entworfen.

Pohlmann wurde 1971 in Santiago de Chile geboren und lebt seit 14 Jahren auf Mallorca. Sein Großvater war in den 30er Jahren von Deutschland nach Chile ausgewandert. Jorge Pohlmann kam mit seinen Eltern Mitte der 80er nach Kiel. Dort verbrachte er seine Jugend und erlernte auch sein Handwerk. „Mit einer ordentlichen Lehre als Goldschmied", sagt er. Darauf legt er Wert. Denn neben dem kreativen Geist sind die handwerklichen Fähigkeiten für ihn das Wichtigste, um seine Ideen umzusetzen.

Die Blindenorganisation ONCE möchte seine Kollektion spanienweit präsentieren – zunächst aber in der Niederlassung in Palma. Vom 7. bis zum 9. Juli werden die Stücke dort zu sehen sein.

Die Ausstellungseröffnung findet am kommenden Dienstag (7. Juli) um 19 Uhr in den Räumen von

ONCE an der C/. Manacor, 8, in Palma statt.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem

- Mallorquinische Rezepte gegen die Hitze

- Keine falsche Bewegung: Wie Tiere mit der Hitze umgehen

- Verrückte Hunde und Engländer: Über den klugen Umgang mit Hitze

- Mallorca-Deutsche unterm Hakenkreuz, Teil 8

- Mallorquinisches Morgenland

- Summertime – und Golf ist so easy

- Frische Brise: Auf dem Schiff lässt sich Hitze gut ertragen

- Sternekoch Josef Sauerschell über schwitzende Feinschmecker

- Doppelt hält länger: So macht man gutes Cocktaileis