Mallorca im März, bewölkter Himmel, gefühlte Außentemperaturen um den Gefrierpunkt und rund 700 Journalisten aus 32 Ländern, die mehr als vier Wochen lang das neue Cabriolet der E-Klasse von Mercedes-Benz testen wollen. Eigentlich müsste Presse-Chef Frank Bracke Tränen in den Augen haben. Monatelang hat er die internationale Medien-Show des offenen Viersitzers aus Stuttgart vorbereitet – und jetzt das: polare Kälte statt mediterraner Sonne.

Doch Bracke ist gut drauf. „Es hätte gar nicht besser kommen können", sagt er, während wir bei eisigem Wind den Parkplatz von Palmas Golfplatz Son Gual überqueren, auf dem an diesem Donnerstag­nachmittag etwa zwei Dutzend ­Cabriolets aufgereiht nebeneinander stehen. Alle mit geöffnetem Verdeck. Den fassungslosen Blick auf die versenkte Stoffhaube des Testwagens quittiert Bracke mit einem Lächeln.

Und während ich mich innerlich bereits ärgere, keine Thermojacke angezogen zu haben, klopft Bracke mir ermutigend auf die Schulter. „Cabrio fahren bei Sonnenschein, pah, das kann doch jeder. Aber bei so einem Wetter oben ohne unterwegs sein, das können nur Sie. Lassen Sie sich überraschen", sagt er noch und stapft mit roter Nase ins warme Clubhaus von Son Gual zurück, dem Hauptquartier der noch bis zum 19. März laufenden internationalen Modell-Präsentation.

Leicht fröstelnd lasse ich mich auf den ledernen Integralsitz gleiten und drehe den Zündschlüssel um. Das Sechszylinder-Dieseltriebwerk ist im Standgas kaum zu hören. Nachdem ich den Hebel der Automatik auf „D" gestellt habe und das Gaspedal sanft nach unten drücke, rollt der Wagen los.

Der Plan: Sobald ich außer Sichtweite der schwäbischen Topless-Fanatiker bin, werde ich das Verdeck schließen, die Sitzheizung anschmeißen und irgendwo in Algaida eine heiße Schokolade trinken fahren. Doch bereits nach den ersten 200 Metern spüre ich, das hier etwas nicht stimmt: Ein warmer Luftstrom schmiegt sich wie ein Kaschmir-Schal um meinen Hals, und mein Kopf fühlt sich an, als hätte mir jemand gerade eine unsichtbare Wollmütze aufgesetzt.

„Aircap" nennt Mercedes sein innovatives Windschott-System, das jetzt erstmals in der offenen

E-Klasse zum Einsatz kommt. Es soll das viersitzige Cabriolet in einen Vier-Jahreszeiten-Wagen verwandeln. Der Clou: Aus dem Rahmen der Frontscheibe fährt bei Knopfdruck ein Spoiler aus, der den Fahrtwind über das Fahrzeug hinweglenkt. Ein zusätzlich hochfahrendes Windschott zwischen den Kopfstützen im Fond sorgt dafür, dass es nicht zu den ­cabrio-typischen Wirbelstürmen auf der Rücksitzbank kommt.

Dank eines in den Nackenstützen integrierten, erstmals verstellbaren Heißluftgebläses, „Airscarf" genannt, fühle ich mich in dem offenen E-Klässler wie ein Eskimo unter dem Heizpilz. Und noch einen Vorteil hat dieses Luftmützen-System: Ich kann selbst bei Tempo 100 laut und deutlich Radio hören, ohne die Soundanlage an die Leistungsgrenze zu treiben. Die üblichen Windgeräusche bei offener Fahrt sind unter der Warmluftglocke erheblich reduziert.

Die heiße Schokolade in Algaida habe ich längst vergessen, als ich auf der Schnellstraße Richtung Manacor düse. Spätestens bei 120 km/h ist allerdings die Schmerzgrenze erreicht, dann schützt auch das „Aircap" nicht mehr davor, dass immer wieder kalte Wogen ins Fahrzeuginnere wirbeln. Winterliche Autobahn-Ausfahrten sollte man im E-Klasse Cabriolet lieber mit geschlossenem Stoffverdeck unternehmen. Dann wird aus dem offenen Zweitürer übrigens ein – abgesehen von den klobig wirkenden Außenspiegeln – durchaus ansehnliches und mollig warmes Coupé.

Zurück in Son Gual treffe ich Golfplatz-Direktor Andreas Pamer, der gerade von einer Probefahrt in einem offenen Mercedes SE von 1971 wiederkommt. Der Oldtimer ist ebenso wie die anderen fünf vor dem Clubhaus parkenden Vorgänger des E-Klasse Cabrios eine Leihgabe des Mercedes Classic Car Museums in Stuttgart. Ob es ihm gefallen habe, so ganz ohne Aircap mit offenem Verdeck? „Warum denn nicht?", antwortet Pamer. „Bin doch auch kein Warmduscher."

Technische Daten:

Das viersitzige Cabriolet der E-Klasse ist ab Ende März in Deutschland im Handel. Zur Auswahl stehen sieben verschiedene Motorvarianten, drei Diesel (170 bis 231 PS) und vier Benziner (184 bis 388 PS). Die Preise rangieren je nach Ausstattung zwischen 47.000 und 71.500 Euro. Unser Testwagen war ein 350 CDI mit Siebengang-Automatik, V6-Diesel und 231 PS. Treibstoffverbrauch: circa 7 Liter pro 100 Kilometer. Fahrleistungen: von 0 auf 100 km/h in 7 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h.

In der Printausgabe vom 18. März (Nummer 515) lesen Sie außerdem:

- Kleine Exoten vor der Haustür: Tarnspezialist Seepferdchen

- Kindermenü: Spielerisch lernen in der Escoleta Happy Faces Kinder

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