Nur ein paar Altstadtgassen hinter Palmas Prachtboulevard Jaume III steht ein Studentenheim der etwas anderen Art: die Residencia Universitaria Sebastián Gili. Geleitet wird es von Nonnen, aufgenommen werden nur junge Frauen, und nach 23 Uhr kommt niemand mehr rein oder raus. Außer samstags, da wird die Haustür „erst" um Mitternacht verschlossen. Keine Spur von wilden Partys, Bettgeschichten oder Alkoholexzessen. Stattdessen viel Raum zum Lernen, Musizieren und Entspannen. Das Studentenleben stellen sich die meisten heutzutage anders vor.

Wo die meisten Studienanfänger mangels Unterhaltungsprogramm wohl nach kurzer Zeit das Weite suchen würden, fühlen sich derzeit sieben junge Frauen zwischen 19 und 27 wie zu Hause. Sie kommen aus Mallorca, Menorca, Ibiza oder vom spanischen Festland, wie Fuensanta Martínez. Sie ist die Jüngste, studiert Musik und wohnt seit einem Jahr im Studentenheim. „Hier kann ich in Ruhe Violoncello spielen", sagt die 19-Jährige aus Murcia. Damit ihre Zimmernachbarn nicht gestört werden – die Studentinnen wohnen alle zusammen auf einer Etage – darf sie ein paar Stockwerke tiefer üben. Aber nur ausnahmsweise, denn eigentlich sind die Gemächer der Augustinerinnen für die Mädchen tabu.

Das ansonsten strenge Regiment – die jungen Frauen müssen regelmäßig ihr Zimmer aufräumen und sollten sich besser nicht danebenbenehmen – stört Fuensanta Martínez nicht. Auch die festen Essenszeiten nicht: gespeist wird mittags um 14 Uhr und am Abend um 20.30 Uhr. Der geregelte Alltag passe gut zu ihrem Rhythmus.

Und die Ausgehsperre? „Unter der Woche will ich abends sowieso nicht mehr weggehen. Und wenn ich zu einem Konzert muss oder zum Essen eingeladen bin, lassen mich die Schwestern auch gehen", sagt Fuensanta. Wie steht´s mit Männerbesuch? „Das ist natürlich nicht erlaubt, aber ich habe sowieso keinen festen Freund. Aber wer will, findet auch dafür eine Lösung. Die Nonnen fragen ja nicht ständig, wo wir waren."

Überhaupt hätten sie und die anderen viele Freiheiten, mit Nonnen zusammenzuleben, klappe prima. „Keiner quatscht uns zu oder zwingt uns zum Beten", sagt die 24-jährige Ginesta Reñé. Im zehnten Monat lebt sie jetzt in der Kloster-Herberge. Probleme gebe es eher unter den jungen Frauen – Stichwort „Zickenkrieg". Aber zurzeit würden sich alle gut verstehen. „Mal sehen, wie die sieben Neuen so sind, die bis Oktober noch einziehen werden."

Egal wer kommt, Klosterchefin Margarita Truyols glaubt fest daran, dass es allen gefallen wird. Mit sieben weiteren Schwestern – alle zwischen 60 und 80 – bewirtschaftet Truyols das Kloster in der Carrer San Cayetano, in dessen Räumen die Studentenresidenz untergebracht ist. Vor 150 Jahren gründete der mallorquinische Priester Sebastián Gili Vives die Stiftung der barmherzigen Augustinerinnen, um uneheliche Kinder und Waisen in Obhut zu nehmen.

Heute dreht sich alles um die jungen Frauen, von denen sich die meisten erst vor kurzem vom Elternhaus gelöst haben. Das weiß auch Ober-Schwester Margarita Truyols und begegnet ihren Schützlingen mit einer großen Portion mütterlicher Wärme. Sie liest ihnen jeden Wunsch von den Lippen ab, nimmt sie in den Arm, wenn es ihnen schlecht geht und klopft ihnen anerkennend auf die Schulter, wenn es Grund zum Feiern gibt. „Ich kümmere mich um sie, als wären es meine eigenen Kinder." Ihr sei wichtig, dass die jungen Gäste alles bekommen, was sie brauchen, um glücklich zu sein. Dazu gehöre gutes Essen – hauptsächlich mit Zutaten aus der Region – genauso wie ein guter Rat zur richtigen Zeit. Den allerdings nur, wenn sie danach gefragt wird. Schließlich wolle man das mit der christlichen Nächstenliebe auch nicht übertreiben.

Infos:

Wer sich das Kloster der Augustinerinnen anschauen oder in der zugehörigen Residencia Universitaria Sebastián Gili übernachten möchte, kann sich an Schwester Margarita Truyols wenden, Tel.: 971-72 42 27 oder 971-72 43 46. Junge Frauen, die für einen längeren Zeitraum bleiben möchten, zahlen 530 Euro pro Monat. Wer übergangsweise einzieht, zahlt pro Nacht 35 Euro.

In der Printausgabe vom 23. September (Nummer 542) lesen Sie außerdem im Ressort Leben:

- Kindermenu: Hobby Volkstanz

- Wer da? Der Reiz der Türklopfer

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