Es ist mehr als 13 Kilometer lang, ist größtenteils geflutet und verläuft in etwa zwei Kilometern Entfernung parallel zum Meeresufer im Osten von Mallorca. Das Höhlensystem „Sa Gleda - Camp des Pou" ist ein riesiges und verwinkeltes Labyrinth aus Sälen und Gängen, die sich zum größten Teil unterhalb und an einigen Stellen auch oberhalb des Wasserspiegels befinden. Es ist bis zu 24 Meter tief und kann durch zwei Eingänge im Abstand von etwas weniger als zwei Kilometern erreicht werden. Gäbe es diese Zugänge nicht, so wäre „Sa Gleda" – wie zahllose andere Höhlen auf Mallorca – niemals entdeckt worden.

„Wer nicht aufpasst, kann sich sehr schnell darin verlieren", sagt Xisco Gràcia (49), einer der Männer, der diese Höhlensystem seit 1997 im Auftrag der Balearen-Universität und mit finanzieller Unterstützung der Sparkasse „ Sa Nostra" erforscht. Das Geld wurde für den Kauf hochwertigen technischen Materials verwendet – dazu gehören Foto- und Filmapparate und starke Lichtquellen.

Insgesamt 2.000 Stunden an 400 Tagen waren Gràcia und die Höhlenforscher des Grup Nord de Mallorca in dem stockdunklen Gewirr aus Gängen, Winkeln und Räumen sämtlicher Größenordnungen unterwegs. Zwei bis sechs Stunden pro Tag wurde gearbeitet.

„Ohne eine Schnur, an der man sich entlanghangeln kann, sollte man niemals hinein", sagt Gràcia. „Und an jeder Kreuzung von Schnüren muss ein Plastikpfeil befestigt sein, der zum Ausgang führt." Solche Orientierungsfäden sind ein Muss unter den Speläologen, den Höhlenforschern. Sie werden – es geht schließlich um Leben und Tod – mit größter Akribie über Kilometer befestigt.

Früher liefen Erkundungen von Unterwasser-Höhlen weitaus rustikaler ab. „1974, als Francesc Ripoll die ersten 50 Meter des Systems erstmals ein wenig unter die Lupe nahm, wurde er einfach an einem Seil ins Wasser gelassen", sagt Gràcia. Das mache man schon seit langem nicht mehr so. Außerdem habe Ripoll lediglich eine einzige Sauerstoffflasche dabei gehabt, was heute undenkbar sei. Und sein Anzug sei aus simplem Gummi gewesen. Und nicht aus dem Kunststoff Neopren, der einen optimalen Schutz gegen das kalte Wasser bietet.

Dennoch ist das Höhlentauchen auch heutzutage alles andere als risikolos. „Es können immer wieder alle möglichen Probleme auftreten", sagt Xisco Gràcia. „Man kann die Orientungsschnur verlieren, oder das Licht kann in der totalen Dunkelheit ausfallen." Wenn man, wie er, genügend Erfahrung hat und psychologisch relativ stabil gestrickt ist, komme bei einem einzelnen Vorfall nicht sofort Panik auf. Gebe es jedoch mehrere Zwischenfälle gleichzeitig, schließe er auch für sich selbst nicht aus, es mit der Angst zu bekommen.

Wer weiß schon, dass „Sa Gleda" die längste Unterwasserhöhleder Europas ist! Weltweit steht sie an zwölfter Stelle, hinter diversen Höhlen auf der fast durchgängig durchlöcherten mexikanischen Halbinsel Yucatán, die zum Teil sage und schreibe über 200 Kilometer lang sind.

Erst kürzlich schafften es die Forscher von „Sa Gleda", die letzten drei Kilometer des Systems näher zu untersuchen. „Wir haben dort Unterwassersäle, Gänge und oberhalb des Wasserspiegels befindliche Hohlräume entdeckt", sagt Xisco Gràcia. In einigen besonders salzhaltigen Bereichen leben gar Schalentiere, die schon im Tetis-Meer, dem urzeitlichen Vorgänger-Gewässer des Mittelmeers, vorkamen. Jetzt fehlen nur noch einige Ecken und Enden, und dann ist „Sa Gleda" zur Gänze erforscht.

So riesig „Sa Gleda" ist, die größte Höhle auf Mallorca ist sie nicht. Die heißt „Cova des Pas de Vallgornera" und liegt bei Cala Pí. Dieses System ist 72 Kilometer lang, davon befinden sich zehn Kilometer unter Wasser. Wie auch „Sa Gleda" ist auch die Vallgornera-Höhle für die Öffentlichkeit tabu. Wer rein will, braucht eine Sondergenehmigung der Balearen-Regierung.

Der Drang von normalen Menschen, sich darum zu bemühen, in die „Sa Gleda"-Höhle zu gelangen, wird sich wegen ihrer Unterwasserlage wohl ohnehin in Grenzen halten. Das ist nur etwas für erfahrene Taucher und abgebrühte Menschen wie Xisco Gràcia.

Der hat jedoch eine für ihn unerklärliche Angst vor etwas, vor dem sich ein Normalo eher nicht fürchtet: „Ich würde mich nicht im Traum eine Wasserrutsche heruntertrauen", sagt der Höhlentaucher, den es völlig kalt lässt, wenn er über und unter sich nur jeweils verschwindend wenige 20 Zentimeter Platz hat.

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