Woche wie ein Lauffeuer über die Insel: Das Tristán macht zu. Nach 25 Jahren Luxusgastronomie wird das renommierteste Lokal der Insel nicht mehr aus seinem Winterschlaf geweckt. Stattdessen wird in diesen Räumlichkeiten ab dem 24. Februar das „Bistro del Tristán" als „Tristán Bistro" weitergeführt. Das bisherige Bistro wird ab circa Ende März zum „Tristán Mar", wo es dann vorzugsweise frische Fisch- und Meeresfrüchtespezialitäten gibt.Weiterhin für die Küche verantwortlich: Gerhard Schwaiger (52), der schon 1986 die Eröffnung des Tristán als Souschef an der Seite von Heinz Winkler mitgemacht hatte und nach Winklers Ausstieg die Chefposition übernahm. Unter seiner Ägide hatte das Tristán 18 Jahre lang zwei, zuletzt einen Michelin-Stern.

Sie wirken sehr entspannt, als ob Ihnen eine große Last von der Schulter genommen worden wäre. Wie fühlen Sie sich?

Gut, mehr als gut. Viele denken jetzt, sie würden einen heulenden Schwaiger antreffen, der tieftraurig das Ende seines Lebenswerks beklagt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Das Tristán war lediglich der erste Teil meines Lebenswerks – ein sehr guter und anspruchsvoller Teil, der ja auch nicht nur von den Gästen, sondern auch von vielen Restaurantführern anerkannt und mit hohen Punktzahlen und Sternen bedacht wurde.

Warum haben sie diesen Lebensabschnitt dann beendet?

Alles hat seine Zeit und seine Gäste. Viele sind mit uns zusammen älter geworden, blieben uns stets treu und haben sich auf den besonderen Abend gefreut, wo man in schicker Garderobe fein dinieren ging. Doch die neuen Gäste, die 30- bis 40-Jährigen, haben dafür größtenteils keinen Sinn. Diese Leute haben auch Geld und wollen ebenfalls Qualität – so wie die ´alten´ Tristán-Kunden – aber sie wollen mehr. Und dieses Mehr lässt sich grob mit Spaß und Stimmung beschreiben. Hohe Essqualität gepaart mit Lässigkeit.

Wann kamen Sie auf die Idee?

Seit drei Jahren trage ich mich mit dem Gedanken, aber die Besitzerfamilie Graf wollte eigentlich an dem Sternelokal festhalten. Jetzt haben wir wieder zusammengesessen und über die Zukunft nachgedacht. Exakt am 17. Januar um 10.46 Uhr einigten wir uns – da trugen wir das Tristán zu Grabe und ´erfanden´ das neue Tristán Mar.

Spielte die allseits beschworene Krise eine Rolle?

Wir werden wahrscheinlich mit einem Lokal im gehobenen Preisniveau mehr Einnahmen haben als mit dem Luxuslokal – alleine schon durch mehr Gäste, besseren Wareneinsatz, Einsparungen beim Service, wohlgemerkt nicht bezogen auf die Personalstärke, sondern auf das Drumherum. Aber die Finanzen spielten bei der Entscheidung die geringste Rolle. Es ging hauptsächlich um neue Wege.

Wie entscheidend war die Tatsache, dass sie vor drei Jahren von zwei auf einen Stern runtergestuft wurden?

Das, beziehungsweise die Positionierung des Michelin-Guides prinzipiell, hat mit eine Rolle gespielt. Fakt ist, dass die Redaktion des spanischen Michelins eine andere Art von Küche favorisiert. Molekular-Küche und ihre Varianten sind bei denen speziell für den zweiten Stern groß in Mode. Und das ist ja, wie Sie wissen, definitiv nicht mein Stil. Die eher traditionell ausgerichtete Küche des Tristán mit großer Wertschätzung für das Produkt an sich, ohne ´Textur- und Strukturvarianten´, kann somit aktuell gar nicht höher punkten.

Somit ist die Entscheidung gegen den Stern, den Sie ja mit Schließung des Tristán automatisch verlieren, eine Entscheidung für ihren Küchenstil?

Ja, ich will mich nicht mehr verbiegen und bei jedem Gericht überlegen, könnte das jetzt zwei Sterne wert sein oder entsprechen wir damit den Kriterien? Diesem Druck hält ja keiner auf Dauer stand. Und ehrlich gesagt, ich muss denen nach 25 Jahren auch nichts mehr beweisen. Ich will jetzt das kochen, was ich will – und auch, was die Gäste wollen. Denn die meisten gehen zwar, weil es Mode ist, mal molekular speisen, aber letztlich wollen sie ein perfekt gegartes Kalbskotelett oder einen Tomatensalat, der noch nach frischen Tomaten schmeckt. So ein Gericht bekommt keine zwei Sterne von einem Führer, aber mindestens drei vom Gast.

Sie nehmen in Kauf, dass Sie einige der ´alten´ Gäste verprellen, die den Tristán-Stil liebten.

Mag sein, aber ein abgewandeltes Tristán wäre auch nicht die Lösung gewesen, dann lieber ein harter Schnitt. Sehen Sie, es gab Gäste, die haben sich beschwert, weil die Kellner mal keine Krawatte trugen – als ein kleiner Versuch unsererseits, den Service lässiger aussehen zu lassen. Für diese Klientel hätte alles so bleiben müssen, wie es war. Aber es war eine kleine und stets kleiner werdende Gruppe. Und letztlich: Wer wirklich die alte Luxus-Küche mit Luxus-Service möchte, dem kann ich all dies in der Formula Schwaiger bieten – nur das ´Sehen-und-Gesehen-werden´ auf der Glasterrasse fehlt dann.

Und das war wichtig.

War es – und wird es wieder sein. Denn ich denke, dass wir in unseren Restaurants nicht nur eine neue, sondern auch die alte ­Klientel begrüßen werden, inklusive der bekannten Namen. Und auch Prominente haben nichts dagegen, mal weniger ausgeben zu müssen.

Wie wird der Unterschied finanziell aussehen?

Hat ein Gast im Tristán durchaus 200 Euro pro Abend ausgegeben, so haben wir im Bistro einen Durchnittspreis von 50 bis 60 Euro – das ist auch nicht billig, aber das können sich viele leisten. Die gute Belegung im Bistro bewies das. Auch viele meiner Kollegen kamen oft im Bistro essen – das Tristán hingegen konnten sie sich höchstens einmal erlauben. Das Tristán Mar wird naturgemäß etwas teurer, denn die Produkte sind es auch. Die Gäste werden das aber akzeptieren. Das zeigen ja andere Beispiele auf der Insel.

Erhoffen Sie sich auch mehr Gäste anderer Nationalitäten?

Ja. Bislang hatten wir eine internationale Klientel mit Schwerpunkt Deutschland. Spanier kamen kaum. Jetzt wollen wir uns mehr auf den spanischen Markt konzentrieren, um auch etwas unabhängiger von den deutschen Urlaubern und Residenten zu werden. Spanier lieben ja Fisch und Meeresfrüchte. Bei uns werden sie ganz traditionell auf der plancha zubereitet, die haben wir in der Bistro-Küche schon installieren lassen. Luxus wird bei uns jetzt nicht mehr definiert durch edle Tischdecken oder teures Geschirr. Der wahre Luxus ist das Produkt. Beste Ware, möglichst ökologisch und perfekt zubereitet.

Was machen Sie nun mit dem Versace-Geschirr des alten Tristán?

Sie werden überrascht sein. Das lagern wir alles ein, denn das Kapitel Sterneküche im Tristán ist noch nicht abgeschlossen.

Wie meinen Sie das?

Auch die spanische Michelin-Redaktion wird sich – wie bei der deutschen Ausgabe schon geschehen – irgendwann wieder auf das Produkt und die klassische Küche besinnen. Wenn das der Fall sein wird, werden wir irgendwo vielleicht ein kleines hübsches Plätzchen finden und mit dem Tristán dort wieder anfangen …

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 23. Februar (Nummer 616) lesen Sie außerdem:

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