Es war Weihnachtsabend aber es war immer noch sehr warm. Jessica saß auf der letzten Stufe, die zur Veranda führte. Zu ihren Füßen lag Jolly, die treue Labradorhündin. Jessica war jetzt zehn Jahre alt. Vor drei Jahren zog sie mit ihren Eltern und Jolly nach Mallorca. Ihre Eltern fingen an, in der Gastromie zu arbeiten, das hieß, dass sie im Sommer immer viel Arbeit hatten aber im Winter, so oft es möglich war, mit Jessica und Jolly an den Strand fuhren.

Nur dieses Mal war alles anders, diesen Winter mussten ihre Eltern auch an Heiligabend arbeiten. Jessica war sehr traurig, seit drei Jahren nur Sonne und manchmal Regen. Sie sehnte sich zu der Zeit zurück, als ihre Eltern an Heiligabend immer Zeit für sie hatten. Da gab es einen großen Weihnachtsbaum mit goldenen Kugeln, der herrlich glitzerte und immer wenn Jolli versuchte, eine Kugel zu fangen, lachten sie sich halbtot, während draussen leise der Schnee rieselte. Dann machten sie mit Jolli einen herrlichen Spaziergang. Sie tobten durch den Schnee dass es nur so staubte, und als sie dann heimkamen hatte jeder eine rote Nase und dann gab es einen heissen Tee und Geschenke.

Jessica hob ihre Hände vor die Augen, trotzdem versuchten sich einige Tränen durchzuschlängeln. Auch Jolli blickte traurig, auch sie träumte wahrscheinlich von dem letzten Kaninchen, das sie im Schnee gejagt hatte.

Etwas war Jessica auf die Stirn gefallen, "immer diese lästigen Fliegen, nicht einmal im Winter hat man seine Ruhe vor ihnen", rief sie. Sie wolte sich die Fliege von der Stirn wischen, aber die Fliege fühlte sich nass und kalt an, und dann kamen viele, aber es waren keine Fliegen, sondern Schneeflocken und langsam färbte sich die Umgebung weiß. Jessica konnte es nicht fassen und Jolle verzog sich vorsichtshalber hinter ihren Rücken. Plötzlich sah sie etwas großes glitzern, das hinter den Pinien, die das Grundstück umsäumten, auftauchte. Zwei Rentiere zogen das Gefährt, sie waren mit Glöckchen bestückt, sodass es bei jedem Galoppsprung nur so bimmelte. Sie zogen einen Schlitten hinter sich her, in dem ein alter Mann saß, er hatte eine rote Zipfelmütze auf und trug einen langen weißen Bart. Jessica überlegte, wenn das der Weihnachtsmann ist, der mir mitten auf Mallorca erscheint, dann bin ich verrückt geworden.

Aber er kam näher, und genau vor ihren Füßen hielt der Schlitten an. Sie konnte es nicht glauben, aber es war wirklich der Nikolaus. Er stieg aus und setzte sich neben sie in den Schnee. "Ich habe gehört, du hast dir sosehr Schnee gewünscht und ich habe sehr feine Ohren. Wenn kleine Mädchen sich etwas wünschen, dann bin ich dazu da, diese Wünsche zu erfüllen". Jessica war erst einmal sprachlos. Aber Jolly kam schon wieder hinter ihrem Rücken hervor und beschnüffelte den Nikolaus neugierig. Er schien ihr zu gefallen. Auch der Nikolaus war von Jollo angetan und kraulte ihren Rücken, was sie sich gerne gefallen ließ.

"Ich lade euch beide jetzt einfach zu einer Spazierfahrt in meinem Schlitten ein", entschied er. Er nahm Jessica bei der Hand und Jolly folgte sofort. Sie saßen beide auf der Rückbank, während der Weihnachtsmann sein Gefährt lenkte. Es ging hoch in den Himmel hinauf und es wurde immer kälter. Auch die Decken, die der Weihnachtsmann für sie bereitgelegt hatte, konnten sie nicht mehr wärmen. "Ich friere so entsetzlich", rief Jessica und auch Jolli pflichtete ihr bei, während der Wind durch ihr Fell sauste.

Der Weihnachtsmann befahl auch sofort sei en Rentieren, dass sie umdrehen sollten, und bald darauf waren sie wieder bei der Treppe, die ins Haus führte. Der Nikolaus half Jessica aus dem Schlitten. Sie schlotterte mehr, als sie gehen konnte. Jolli trottete hinter ihr her. Auf ihren Ohren hatte sich Reif gebildet und ihre Nase war mehr als gefroren. "Warte noch eine Minute" rief def Weihnachtsmann während er zum Schlitten zurück lief, " du bekommst von mir noch ein Geschenk". Er holte ein kleines Kästchen aus dem Schlitten und brachte es Jessica. Es war nicht groß aber reichlich mit Verzierungen versehen. Der Deckel ließ sich ganz leicht öffnen, aber das Kästchen war leer. "Was soll ich denn damit" fragte Jessica enttàuscht? "Das ist ganz einfach" erwiderte er, "immer, wenn du einen besonderen Wunsch hast, nimmst du einen Zettel, schreibst ihn auf und legst den Zettel in dein Wunschkästchen und wenn der Wunsch in Erfüllung gegangen ist nimmst du den Zettel wieder heraus". Der Weihnachtsmann strich Jessica noch einmal übers Haar, kraulte kurz Jolli, dann ging er zu seinem Schlitten, er stieg ein, feuerte seine Rentiere an und bald waren sie in der Finsternis verschwunden.

Jessica nahm nach einer Weile die Hände wieder von den Augen. Die Sterne strahlten hell und Jolly lag brav zu ihren Füßen. Der Schnee war geschmolzen nur der Tau auf ihrem Fell zeugte davon, dass sie nicht geträumt hatte. Außerdem lag das kleine Wunschkästchen in ihrem Schoß.

Jessicas Eltern kamen an diesem Abend recht spät nach Hause, sie hatten viel zu tun. Sie brachten aber einen Weihnachtsbaum mit Kugeln und Festbeleuchtung mit. "Es tut uns ja so leid, dass es so spät geworden ist", meinte Mama. Sie schmückten zusammen den Baum und fuhren mit Jolly noch kutz zum Strand. Als sie wieder zuhause waren überreichte Papa Jessica einen Gutschein. Es sollte das diesjährige Weinachtsgeschenk sein. Jessica las langsam: "Gutschein für eine Woche Ferien in der Schweiz im Winter und mit Schnee". "Papa", rief sie entsetzt, "das kann ich unmöglich annehmen, da friere ich mich ja zu Tode und außerdem kann Jolly nicht mit und außerdem ist es für euch viel zu teuer und mir ist es viel lieber, daß ihr mit mir und Jolly, immer wenn ihr Zeit habt, zum Strand fahrt". Jolly nickte zustimmend und drückte sich ganz eng an Jessica. Der Ausflug mit dem Nikolaus hatte ihr genügt.

Jessicas Eltern waren zwar etwas sprachlos, gaben den Gutschein aber dann zurück. Für sie wäre es wirklich viel Geld gewesen.

Jessica warf ihren ersten Zettel in das Kästchen. Sie wünschte sich, dass ihre Eltern im Sommer mehr Zeit für sie hätten und ihr Wunsch ging in Erfüllung, sie bekamen eine neue Anstellung und hatten dadurch sehr viel mehr Zeit. Jessica nahm den Zettel wieder heraus.

Im Laufe der Jahre, auch als Jessica erwachsen wurde, landeten noch viele Wunschzettel in dem Kästchen. Nicht alle Wünsche gingen in Erfüllung, aber doch viele, und so dachte sie immer an den Weihnachtsmann, der ihr das Kästchen geschenkt hatte.

Eva Scherer

Sta. Margalida