Die Enttäuschung ist erst einmal groß. Kein ohrenbetäubendes Auspuff-Knallen, kein Zischen aus dem Kühler, kein Quietschen der Räder, kein Schnaufen, kein Scheppern, kein Rumsen, kein Donnern oder Knarren. Der akustische Auftritt von Charly Bosch und seinem fast 90 Jahren alten Oldtimer im Yachthafen von Port Adriano im Südwesten von Mallorca ist vollkommen unspektakulär. Nur ein leichtes Getriebe-Heulen ist zu vernehmen, bevor der Deutsche mit seinem ulkigen Gefährt vor uns zum Stehen kommt.

Der Anblick des zweisitzigen Speedsters dürfte allerdings die Herzen so mancher Automobil-Fans gleich drei Gänge höher schlagen lassen. Und die Begeisterung wie ein Drehzahlmesser im roten Bereich tanzen lassen, angesichts der Tatsache, dass es sich bei diesem Fahrzeug um eines der letzten Exemplare mallorquinischer Automobilbaukunst handelt.

Fahren wir kurz zurück in die Vergangenheit: Der Loryc „Torpedo" von Charly Bosch wurde 1926 in einer kleinen ehemaligen Kutschenwerkstatt an Palmas Paseo Marítimo handgefertigt, ungefähr dort, wo heute das Hotel Palas Atenea steht. Sechs Jahre zuvor hatten die beiden Unternehmer Antoni Ribas und Rafael de Lacy den Vertrieb des französischen Automobilherstellers „De Dion-Bouton" erworben und mit ihm die Lizenz zum Eigenbau von Fahrzeugen. Bis zum Bankrott des Unternehmens 1926 wurden in Palma unter der Firmen­marke „Loryc" etwa 100 Autos hergestellt, von denen heute gerade noch ein Dutzend existiert.

Doch das will Charly Bosch nun ändern. Vor rund einem Jahr kaufte der auf Mallorca lebende Industrie-Erfinder die Marke Loryc auf. Anfang Januar 2015 will er auf der Insel mit der Produktion von handgefertigten Replicas beginnen. Doch im Gegensatz zu den schnaufenden Benzin­motoren von Rivas und de Lacy plant Bosch, seine Lorycs mit hochmodernen Elektrotriebwerken zu bestücken. „Im Grunde handelt es sich auch nicht um Nachbauten, sondern um rundum neue Autos mit eigener europäischer Fahrzeugzulassung", sagt Bosch.

Die Karosserie des Prototyps, der derzeit in der Nähe von Frankfurt entsteht, stammt aus der Feder eines befreundeten Industrie­designers. Die Speichenfelgen mit Zentralverschluss werden speziell für Bosch in Italien gefertigt. „Trotz seiner Nostalgie-Optik ist der neue Loryc ein modernes Auto mit belüfteten Scheibenbremsen, ABS, Led-Scheinwerfern und Servolenkung aus den Baukasten-Systemen namhafter Hersteller", prophezeit Bosch.

Herzstück der neuen Lorycs wird der Elektromotor mit einer Leistung von 20 PS, der den Leichtbau-Speedster auf eine Höchstgeschwindigkeit von rund 80 km/h antreiben soll. „Die Batterie-­Kapazität liegt bei einer Reichweite von maximal 120 Kilometern. Das ist für die Insel mehr als genügend", glaubt Bosch.

Ihm zur Seite steht der seit vielen Jahren auf der Insel lebende ehemalige deutsche Rennfahrer und Motorsport-Enthusiast Wolfgang Lindner, der bei Loryc in Zukunft für das Marketing verantwortlich zeichnet. „Unsere Autos sind als reine Spaßmobile gedacht. Reinsetzen, losfahren und die Insel hautnah genießen. Ohne Lärm und Gestank", schwärmt Lindner, der auch bei der Produktion der allesamt handgeschraubten Autos mit anpacken will.

Dafür haben Bosch und er eine große Werkstatthalle im Industriegebiet Son Bugadelles bei Santa Ponsa gemietet. „Der Loryc bekommt in Deutschland zwar ein europäisches Neuwagen-Zertifikat, COC genannt, soll später aber auf Mallorca gebaut und von hier aus ausgeliefert werden", erklärt Wolfgang Lindner.

Um das Geschäft anzukurbeln wollen er und Bosch erst einmal acht Speedster bauen. „Die werden dann ausgewählten Luxushotels auf der Insel zur weiteren Vermietung an Gäste zur Verfügung gestellt. Umsonst", sagt Bosch.

Er verspricht sich von diesem Marketing-Konzept die nötige Aufmerksamkeit, um den neuen Loryc bei gutsituierten Urlaubern und Mallorca-Liebhabern hinreichend bekannt zu machen. Denn billig wird er nicht. Lindner rechnet mit einem Verkaufspreis von etwa 45.000 Euro für die Basis­version. „Die Fahrzeuge können natürlich noch weiter personalisiert und aufgerüstet werden. Da es sich um keine Fließband-Produktion handelt, ist alles möglich", meint Lindner.

Ein Vermögen wollen die beiden Deutschen mit ihrem ungewöhnlichen Back-on-the-Road-Projekt eh nicht anhäufen. „Als ich meinen Loryc vor ein paar Jahren von einem mallorquinischen Sammler kaufte, wollte ich eigentlich nur einen Oldtimer. Mehr nicht. Nach der Umrüstung auf den Elektroantrieb hat mich dann irgendwie der Teufel geritten. Dass ich schon bald Besitzer einer eigenen Autofabrik bin, hätte ich mir nicht im Traum vorstellen können. Ich bin aufgeregt wie ein kleiner Junge", sagt Charly Bosch.

Ob sich die Mallorquiner auch so über die mögliche Rückkehr „ihres" einstigen Insel-Automobils freuen werden, bleibt abzuwarten. Schlechte Karten dürfte der ­E-Loryc zumindest angesichts der gegenwärtigen Spritpreise nicht haben.