Als sich das einfache, versteckt gelegene Holztor zum Garten Can Prim bei s´Arracó öffnet, lässt sich noch nicht erahnen, welch großartige Gartenanlage den Besucher erwartet. Zunächst führt ein ­schmaler Weg parallel an der Hausfassade entlang. Hier wachsen bevorzugt aromatische Pflanzen in Töpfen, die gemeinsam mit Rankpflanzen auf verschiedenen Höhen die Mauer hoch klettern.

Can Prim ist das Anwesen von Victoria Widdows, die aus Yorkshire stammt, und ihrem Mann Robin aus Südengland. In den 60er Jahren fuhr Robin Widdows Formel 1, heute - so berichtet seine Frau - ist er ein sehr geschickter Traktorfahrer. Doch zurück zum schmalen Pfad am Eingang. Hier pflegt die Hausherrin eine Sammlung aromatischer Pflanzen - unter ihnen auch Strauch- und Kletterrosen vom englischen Züchter David Austin wie die „Crocos", eine Sorte mit zartem Duft. Mittendrin gedeihen verschiedene Duftpelargonien. Ihre Blüten sind winzig, die Blätter stark duftend.

„Der Garten sollte von Anfang an eine romantische Note bekommen", sagt Victoria Widdows und zeigt nach oben, wo Efeu mit grünweiß gemusterten Blättern zwei unsichtbare, abgestorbene Mandelbäume überwuchert und ein riesiges Herz formt. Gegenüber trifft man auf eine Clematis, deren Blüten wie Passionsblumen aussehen. Ihr Standort ist halbschattig, nur morgens erreicht die Sonne die Wurzeln des Kletterers, der es eher kühl mag.

An einer Säule der überdachten Terrasse wuchert ein wilder Jasmin nach oben und bildet Tausende kleiner Sternenblüten. Es ist selten, dass Kletterpflanzen so üppig gedeihen, wenn ihre Wurzeln mit der Größe von Terrakottatöpfen vorlieb nehmen müssen

Plan? Was für ein Plan?

„Zwei Jahre nach dem Hausbau begannen wir 1988 mit der Anlage des Gartens", sagt Victoria Widdows, „nie gingen wir nach einem festen Plan vor, pflanzten immer eins nach dem anderen". Zwischen den Sträuchern sieht man bereits eine parkähnliche Anlage, die sich in Richtung Süden erstreckt und verrät, dass es hier mit der Sammlung aromatischer Kräuter vor dem Küchenfenster nicht getan ist.

Doch noch können wir nicht in Richtung Park gehen, die Besitzer wollen ihr Anwesen chronologisch vorstellen, so wie es in den drei Jahrzehnten gewachsen ist.

Früher befanden sich hier vernachlässigte Mandelfelder. Nach dem Abschluss der Bauarbeiten kaufte das Ehepaar erst einmal ein Grundstück auf der Ostseite des Gartens hinzu. Hier entstand ein blickdichter Raum für den Pool. Auf zwei Seiten wachsen Hecken, zum Garten hin eine dichte Reihe Zypressen. „Hier fühlt man sich auch von Blicken geschützt", sagt Robin Widdows.

Rechts geht es nun endlich durch einen schmalen Durchgang zum Herzstück des Anwesens. Hier wird man durch den großzügigen Umgang mit Grün an englische Gärten erinnert, und erstmals wird auch die Größe des Anwesens sichtbar. Die 12.000 Quadratmeter breiten sich, wie eingebettet, in einem Tal Richtung Süden aus. Auf drei Seiten ist es von sanften bewaldeten Hügeln eingesäumt, im Rücken bieten die Ausläufer der Serra de Tramuntana Schutz.

In der Mitte eines großen Rasenstücks - hier sind die Enkel in den Ferien mit ihren Fahrzeugen unterwegs - zieht ein auf niedrigen Natursteinmauern errichtetes Rondel den Blick auf sich. Gestützt von einem - nicht sichtbaren - abgestorbenen Mandelstamm rankt hier der im Sommer blühende Trompetenwein (Pandorea ricasoliana) in die Höhe. Der Rasen ist von Hecken, Zypressen und altem Baumbestand gesäumt, zum Haus hin wachsen in verschiedenen Formen gestutzte Sträucher.

Bis zum Jahr 2000 endete der Can Prim-Garten hier. Dann kaufte das Ehepaar noch ein weiteres ­Grundstück dazu. Zum Jahrtausendwechsel pflanzte man als Eingang zum neuen Garten mit Buchsbaumhecken die Initialen „V" für Victoria und „W" für Widz, wie der Hausherr in seiner Rennfahrerzeit genannt wurde. Rechts und links daneben wachsen rechteckig Heckenstücke.

„Wir entdeckten hier kleine wilde Ölbäume und animierten sie zum Wachsen", sagt die Gärtnerin. Sie wirken heute wie eine Theater­kulisse und sind der Auftakt zur Allee, die man auf kurz geschorenenem Rasen betritt. Jetzt im Mai zeigen die 20 australischen Flammenbäume (Brachychiton) grüne Blätter. In mit niedrigen Rundhölzern eingefassten Beeten wächst zwischen den Bäumen jeweils ein Lavendelstrauch.

Doch der wahre Hingucker neben der Allee ist rechts eine Fläche, auf der Hunderte von rosafarbenen Mohnpflanzen blühen. Und links ein spektakuläres Beet mit Sträuchern und Stauden. Sie alle scheinen

in- und übereinander zu wachsen, und doch ist zu erkennen, dass hinter dieser Wildnis gärtnerischer Einsatz und Können steckt. Riesige Lavendelbüsche verströmen ihren Duft, die heimische Wolfsmilch wächst hier, und das Echium streckt seine blauen Kerzen in die Höhe - zwischendrin setzen Mohnblüten Farbakzente. Neben den in Weiß und Rot blühenden Spornblumen blühen zahlreich Englische Rosen.

Wie bei den Gildemeisters

Einige der Pflanzen in Can Prim kann man auch in Ariant wachsen sehen, dem Garten des Ehepaars Gildemeister. „Heidi besuchte uns häufig, sie beschenkte uns großzügig mit Samen, Setzlingen und Informationen", sagt die Hausherrin, die auch von Anfang an aktives Mitglied in der Mediterranean Garden Society war.

Ein paar Schritte weiter wächst ein riesiger wilder Olivenbaum, darunter blühende Salbeisträucher im Kreis. Dieses Gartenstück wurde kürzlich hinzugekauft und angelegt. Hinter einem Halbkreis von herbstlich wirkenden Gräsern wachsen verschiedene Sorten blühender Zist­rosen unter schattigen ­Inselbäumen.

Auf dem Weg zurück zum Haus lüftet das Ehepaar das Geheimnis ihrer Pflanzerfolge: Hinter einer Hecke verstecken sich vier Kompostlager. Das Schnittgut wird gehäckselt und im Frühjahr zu Mulchschichten ausgelegt. Traktor, Schubkarren und Werkzeuge sind sorgfältig unter einem Dach geparkt und verstaut. Alles in allem eine professionelles Equipment für ein Paar, das fast drei Jahrzehnte lang engagiert und mit viel Geschmack gärtnert.

Sollte jemals der schönste Garten der Insel gekürt werden - der Garten des Ehepaars Widdows in s´Arracó käme sicher in die engere Wahl.