Für Smalltalk hat Michael Pietroni keine Zeit, er begrüßt die Redakteurin mit einer Frage: „Wie gut kennen Sie Mallorca?" Normalerweise ziemlich gut, doch Pietroni ist ein Experte für Landkarten, die Frage kann daher nicht so unverfänglich gemeint sein, wie sie sich anhört.

Wir sind mit dem Briten in der Ausstellung Antike Landkarten der Balearen im Rathaus von Pollença verabredet, eine Sammlung, die von 1482 - eine wieder entdeckte Arbeit von Claudius Ptolemäus, Kartograph aus Alexandria im 2. Jh. n. Chr. - bis zum 18. Jahrhundert reicht und von Michael Pietroni stammt.

Wir betrachten eine Karte Mallorcas des italienischen Kartographen Benedetto Bordone, erschienen 1528 im „Isolario", einem populären Buch über die Inseln der Erde. Zu Zeiten Bordones wurden Holzschnitte benutzt, um Landkarten zu drucken. Es war daher schwierig, Details abzubilden, da der Holzschnitt im Unterschied zum späteren Kupferstich eher grob ausfiel. Auf Bordones Abbildung liegt die Tramuntana am unteren Kartenrand - die Ausrichtung von Landkarten nach der nördlichen Himmelsrichtung wurde erst um 1550 üblich. Auch danach orientierte man sich noch an Windrichtungen oder bezog sich auf heilige Orte wie Jerusalem im Osten.

Die Autorin soll dem Experten nun die Bucht von Pollença zeigen. Mit schief gelegtem Kopf - damit die Tramuntana korrekt im Westen liegt - versucht sie, die Insel Cabrera, auf Bordones Karte im Süden eingezeichnet, richtig einzuordnen. Um die Verwirrung abzukürzen: Der Italiener übertrug eine Zeichnung von Mallorca verkehrt herum auf den Holzschnitt, Norden liegt daher links, die Buchten von Pollença und Alcúdia sind vertauscht, ebenso die Inseln Dragonera und Cabrera.

Das Durcheinander setzte sich in den darauffolgenden Jahren fort, wie die Ausstellung zeigt. Spätere Kartographen kopierten Bordones Karte, korrigierten zwar die Himmelsrichtungen, hielten aber an den falschen Umrissen der Insel fest. Erst die holländischen Graveure Langenes und Hondius fertigten im Jahr 1599 die erste präzise Karte von Mallorca an.

Michael Pietroni scheint das engagierte Nachdenken der Schreiberin zu gefallen, er hat gleich eine zweite Aufgabe: „Schreiben Sie auf eine leere Seite alles auf, was Ihnen zu dieser Karte einfällt." Ist das ernst gemeint? Doch Pietroni fährt bereits fort: „Sie werden sehen, dass eine Seite niemals ausreichen wird. Weil eine Landkarte konzentrierte Informationen zu Geographie, Geschichte, Orten und manchmal auch zu Bewohnern oder Kriegsschiffen gibt", so der Brite und erklärt damit auch gleich seine Begeisterung für sein spezielles Hobby.

Die erste Karte erwarb er 1965, sie zeigte England. 1980 begann er, alte Landkarten der Balearen zu sammeln. „Man muss sich auf ein bestimmtes Thema oder Gebiet konzentrieren, alles andere ist unbezahlbar", so der Experte, der seit vielen Jahren in Pollença lebt und von Antiquitätenhändlern, im Internet und auf Aktionen kauft. Statt seine Balearen-Sammlung wieder unters Sammler-Volk zu bringen, entschied der gebürtige Londoner, sie der neuen Heimatstadt zu überlassen.

In einer Dauerausstellung sind die 35 Karten nun zu besichtigen, gegliedert in fünf Themenbereiche: die Entwicklung des Kartendrucks in den ersten hundert Jahren, erste Abbildungen spanischer Städte (z. B. Barcelona), Menorca als strategisch wichtiger Ort im Mittelmeer, mathematische Probleme und wie die frühe Kartographie sie löste (Darstellung von Entfernungen oder Seetiefen) sowie die Kunst in der Kartographie. Neben jeder Karte hängt eine Tafel mit den wichtigsten Informationen auf Englisch und Spanisch.

Bevor uns der Experte damit allein lässt, um zu einem Termin zu eilen, bitten wir ihn schnell um ein Foto. Er stellt sich vor eine Karte des Holländers De Wit aus Amsterdam von 1675. Warum? „Der Kartograph arbeitete mit kunstvollen Radierungen in verschiedenen Farbtönen", erklärt Pietroni und zeigt auf zwei minutiös gezeichnete Vignetten, die die europäische und islamische Welt in Miniaturform abbilden.

Abenteuer Karte

Ausstellung „Antike Landkarten der Balearen" im Rathaus von Pollença,

geöffnet Mo-Fr 8.30-14 Uhr. Exklusive Führung mit dem Sammler am 16.7.,

11 Uhr. Max. 20 Teilnehmer, nur nach Anmeldung in der MZ-Redaktion unter

Tel.: 971-17 05 01.