Idyllisches Landleben? Auf den ersten Blick schon. Die 13-jährige Margalida sitzt im Ringelshirt auf einem großen Stein und befreit die frisch geernteten Frühlingszwiebeln vom Strunk. Ihre Eltern arbeiten in der Abendsonne im Gemüse­beet, Jeronima Bosch (50) schneidet Kopf­salat, Jaime Garrau (60) sät Tomaten auf einer freien Fläche für die späte Ernte im Oktober. In einer alten Badewanne ruht ein Bund pinker und weißer Gladiolen im Wasser. Um die Ecke parkt ein knallroter Traktor vor Mandelbaum-Kulisse.

Jeronima und Jaime sind Kleinbauern, pflanzen Obst und Gemüse auf einer 10.000 Quadratmeter großen Finca an und verkaufen die Ernte dreimal wöchentlich auf dem Markt in Llucmajor. Das Stück Land zwischen Porreres und Llucmajor ist für sie Arbeitsplatz und Auskommen, bedeutet mühevolle Pflicht und fesselndes Glück. Geplant war dieses Leben nicht. Jaime arbeitete früher als Installateur, Jeronima lernte Friseurin. Als Jaimes Vater vor 20 Jahren starb, half das Paar der Mutter im Garten, wenig später übernahm es den Marktstand und die Finca s´Hort Perola.

Seither gleicht ihr Leben einem Rad, „das sich nie aufhört zu drehen", sagt Jeronima. Und Jaime ergänzt: „Die Natur ist ein ewiger Kreislauf." In vierter Generation ackert das Paar aus Porreres auf dem flachen Grundstück am Waldrand, im Sommer von morgens um sieben bis es dunkel wird. Sie pflügen die Erde, setzen Pflanzen, schneiden Bäume, pflücken und bepacken Kisten mit Obst und Gemüse - von Artischocke bis Wassermelone, je nach Saison. Im Sommer legt Jeronima Pfeffer­schoten in Essig ein, konserviert Tomatensauce, kocht aus Aprikosen und Pflaumen Marmelade, die sie auf dem Markt verkauft.

Auf ihrem Hof 300 Meter vom Garten entfernt sind sie hauptsächlich zum Duschen, Essen, Schlafen. Und um die Tiere zu versorgen. Es gibt schwarze Schweine, Gänse, Hühner und ein Pony. Sie alle produzieren wertvollen Mist, der als Dünger auf die Beete kommt. Auf Kunstdünger können Jaime und Jeronima verzichten. Überhaupt machen sie noch vieles so wie ihre Vorfahren. Angebaut werden nur auf der Insel heimische Früchte. Gesät wird entsprechend der ­Jahreszeit, es gibt kein Gewächshaus und daher auch keine Tomaten im Mai, sondern erst Mitte, Ende Juli und von der Sonne gereift. Ein Brunnen versorgt den Garten mit Wasser, die Fruchtfolge der Beete ergibt sich automatisch, wo im Sommer Zuckerschoten wachsen, werden im Januar Kartoffeln gelegt. Faule Früchte und Gemüse mit Macken werden verfüttert, Unkraut wird gejätet, statt mit Herbiziden bespritzt. „Auch die kleinen Tierchen müssen von etwas leben", sagt Jeronima. Daher dürfen Würmer und Schnecken auch mal ein Salatblatt anfressen. Mit Krankheiten im Garten hat das Paar zum Glück wenig Probleme, „Wind und Feuchtigkeit sind die größten Stören­friede", sagt Jaime.

Für den Mallorquiner bedeutet das Leben im Takt mit der Natur Einklang mit sich selbst. Jeronima betont eher die praktischen Seiten ihres Schicksals, zum Beispiel, dass die Kinder in ihrer Nähe aufwachsen können. Sie freut sich bereits auf den Winter, wenn es abends um sechs Uhr dunkel wird. Dann kann sie sich mal nachmittags mit ihren Freundinnen treffen und ab und zu ist auch ein Wochenende Urlaub drin. Die Familie war schon in Barcelona, Paris und Hamburg, die Tiere werden in der Zeit von Verwandten versorgt. Dieses Jahr bleiben sie daheim, weil die 18-jährige Tochter ein Auto bekommen hat. Natürlich ein gebrauchtes, denn das Geld, dass die Familie mit dem Garten verdient, reicht gerade zum Überleben.

Früher war das anders, weiß Jeronima. In guten Jahren reichten drei Aprikosen­ernten aus, um ein Haus zu kaufen. Die Früchte wurden getrocknet und bis nach Australien und Amerika verschifft. Die Aprikosenkerne kauften Bäckereien, um sie dem Mandelgebäck turrón beizumischen, mit dem Geld der Kerne bezahlten die Eltern die Arbeiterinnen. Auch auf der Gemüseernte blieben sie nie sitzen. Vor 50 Jahren deckten sich die Inselbewohner mit Obst, Gemüse und Eiern auf dem Markt ein, denn die kleinen Lebensmittelläden verkauften das meist nicht. „Oft war die Hälfte der Waren schon weg, bevor meine Eltern den Stand überhaupt aufgebaut hatten", sagt Jaime. Damals existierten noch mehrere Fabriken in Llucmajor, deren Arbeiter versorgten sich ebenfalls auf dem Wochenmarkt.

„Heute kaufen die Jüngeren alles im Supermarkt", sagt Jeronima. Der hat von morgens bis spät abends geöffnet, einen Parkplatz vor der Tür - praktisch. Doch woher zum Beispiel die Tomaten für das abendliche pa amb oli kämen, das interessiere viele Menschen überhaupt nicht mehr, so Jeronima. „Wir pflanzen verschiedene Tomatensorten an, weil man die casta grossa fürs trampo braucht, die tomate de pruna für den Salat. Und die Sorte muchamiel hat eine besonders dünne Haut und schmeckt etwas süßer."

Dennoch gibt es noch Marktbesucher, die zuerst an den Tomaten oder Aprikosen riechen, bevor sie kaufen. Und Jeronima freut sich, wenn jemand nach dem Unterschied ihrer sechs verschiedenen Pflaumensorten fragt. „Ich lasse die Leute probieren", sagt die Marktfrau, „denn der Geschmack verrät noch immer, woher die Früchte kommen."