Der zerknautschte Pappkarton, zur Erhöhung unter einen Flachbildschirm geschoben, erinnert an die Anfänge der Brillenfirma vor vier Jahren. Als die Idee, ­Brillen herzustellen, noch ein Hirngespinst war und eine Dreijährige ihre Aussprache übte. „Erre, errrrre Alexandra", ermunterte David Lencina damals seine kleine Tochter zur Artikulation des stark gerollten spanischen Doppelkonsonanten. Alexandra rollte ihn bald so gut, dass sie selbst auf Mallorquinisch befand „erre bé" (rrrr sehr gut). Realmente bueno (wirklich gut), dachte sich der Vater stolz - und der Markenname samt Abkürzung RB war geboren.

Der Mallorquiner erzählt die Anekdote in entspannt zurückgelehnter Haltung auf dem Bürostuhl vor besagtem Flachbildschirm. Das Büro im Polígono Son Castello ist derzeit verlassen, im August sind alle Mitarbeiter im Urlaub. Wie ist das möglich, denkt man, wo Errebé gerade durch die Medien geht, vom amerikanischen Fashion-Magazin bis zum spanischen Fernsehen, König Felipe VI. und andere spanische Prominente aus der Sport-, Musik- und Filmwelt tragen in diesem Sommer die fröhlichen, bunten Mallorca-Gestelle und lassen sich gerne damit ablichten. Die Brillen-Nachfrage müsste gerade durch die Decke gehen. Tatsächlich läutet das Telefon ohne Unterlass, und David Lencina muss sein Handy auf lautlos stellen, damit wir nicht ständig gestört werden.

Die Geschichte kann weitergehen. Er erinnert sich noch ganz genau, es war der 10.12.2010. Von jetzt auf gleich wurde ihm an diesem Tag der Job gekündigt. Er arbeitete damals für einen multinationalen Brillenkonzern, hatte eine Familie zu versorgen. Statt nach einer neuen Firma zu suchen oder in seinen alten Job als Radiojournalist zurückzukehren, kaufte er ein Layout-Programm und begann Brillenfassungen am Computer zu zeichnen. Schon als Vertreter hatte er neue Vorschläge für Brillendesigns und verbesserte Materialien gemacht - „die aber in dem Brillenkonzern überhaupt nicht erwünscht waren", wie er sagt.

Freunde hielten ihn für verrückt, als er den Namen RB Errebé 2011 registrieren ließ und aus der Idee, Brillen selbst herzustellen, ein Geschäftsplan wurde. Tag und Nacht saß er am heimischen Schreibtisch in Llucmajor und stellte die Finanzierung für eine kleine Kollektion auf die Beine, die in Italien produziert werden sollte. „Als das erste Paket ankam, wagte ich es vor Aufregung kaum zu öffnen", erzählt David Lencina. Doch er war zufrieden und auch seine Frau Sophie fand, dass die Brillen spitze aussähen. So wurde aus der Autogarage bald ein Lager, der Garten mutierte zur Packstation, „und die Nachbarn fragten kopfschüttelnd, was ich da mache", erinnert sich der 41-Jährige.

Doch es gab ein Problem: Kein Optiker auf Mallorca - und David besaß viele Kontakte - wollte zunächst eine RB in seine Auslage nehmen. „Jetzt nicht", „später vielleicht", so die gängigen Absagen. Das Kaufhaus El Corte Inglés wünschte dem jungen Unternehmer viel Glück, er könne seine Brillen ja den Schreibwarengeschäften anbieten. Also reiste David Lencina aufs spanische Festland, besuchte ­Optiker zwischen Málaga und Salamanca und kam mit leeren Koffern und neuen Aufträgen zurück.

Zwölf Monate später zog Errebé bereits aus der Garage ins Gewerbegebiet Son Castellot um und stellte 20 Mitarbeiter ein. Jetzt wurden auch Optiker auf Mallorca auf den lokalen Hersteller aufmerksam, Sonnen- und Sehbrillen von Errebé (75-95 Euro) findet man inzwischen in über 25 Optiker-Geschäften der Insel. „Die Modelle, derzeit rund 70 verschiedene, sind hochwertig, schick und erschwinglich", erklärt sich der Erfinder den Erfolg. Und klar, seitdem der spanische König eine RB auf der Nase trüge, habe das Geschäft noch mal richtig angezogen.

Doch bereits vor dem royalen Werbeträger erhielt Errebé Zuspruch von Prominenten wie Kike Ferrer (mallorquinischer Rennfahrer), Jaume Anglada (mallorquinischer Singer-Songwriter, Schauspieler, Moderator) oder Eduard Fernández (spanischer Schauspieler und zweimaliger Goya-Preisträger). Wenn schon nicht die Optiker, dann war es dieser Kreis aus Sportlern und Künstlern, der David auf heimischen Boden unterstützte. 2014 wurde ihm im Real Club Náutico Palma der spanische König vorgestellt. Der Brillenmacher nutzte den Augenblick und überreichte seiner Majestät eine Sonnenbrille mit polarisierten gelben Gläsern als Geschenk ...

Seither wurde Felipe VI. mit dem auffälligen Stück auf zig Fotos abgelichtet, Königin Letizia trägt übrigens dasselbe Modell in grün. Als die königliche Brille schließlich zum offiziellen Copa del Rey-Modell 2014 avancierte und der König die diesjährige Segelregatta Mallorcas wieder mit einer Errebé auf der Nase eröffnete, meldete sich auch El Corte Inglés bei David Lencina. Die Warenhauskette will den Rest­bestand des Felipe-Modells aufkaufen, muss aber bis 2016 warten. Dann wird es ein neues Copa del Rey-Modell geben - wieder in limitierter Auflage.

„Bis dahin machen wir weiter wie gewohnt", so der Geschäftsmann, der zwar formell im Urlaub ist, aber trotzdem alle paar Tage im Büro vorbeischaut. Um zum Beispiel Vorlagen für die neue Herbst-Winter-Kollektion nach China zu schicken. „Wieso China?", fragen wir und empfinden den Gedanken, dass Errebé-Brillen in China gefertigt werden - die Gestelle, denn die Gläser kommen aus Italien - als Schönheitsmakel der Erfolgsgeschichte. Weil es einfacher (Hilfe seitens der Behörden), günstiger (niedrigere Arbeitslöhne) und fortschrittlicher (Einsatz neuester Technologien) sei, erklärt David Lencina. Gerne würde er seine Brillen auf Mallorca fertigen, statt sie auf der Insel nur zusammenzusetzen. „Von der spanischen Regierung gibt´s keinen Beistand für Unternehmer wie mich", sagt der Mallorquiner kurz. Hingegen habe ihn ein Regierungsmitarbeiter aus Portugal vor einigen Monaten angerufen und eingeladen, mit seiner Firma nach Portugal umzuziehen.

Doch Lencina möchte erst mal bleiben, wo er ist und seine Brillen weiter voranbringen. Wer weiß, vielleicht überwindet er ja irgendwann in naher Zukunft die Hindernisse, die eine Produktion in Spanien derzeit undenkbar machen. Mit dem doppelten R wäre das zu schaffen, schließlich sind Konsonanten Laute, die Widerstände überwinden.