Wenn Eckbert Waldleben den Geocache namens TB-Hotel Andratx vor seiner Haustür öffnet, dann leuchten seine Augen. Respektvoll blättert der Insel-Deutsche im obligatorischen Logbuch, und sein Blick bleibt an Objekten wie einer goldfarbenen Science-Fiction-Plastikfigur hängen, die außerhalb der Welt der Geocacher wohl niemanden beeindrucken würde.

Eckbert Waldleben ist ein moderner Schatzsucher aus Leidenschaft, und das schon seit elf Jahren. In der Szene der Geocacher nennt sich der Deutsche, der im Raum Andratx Touren organisiert, „Quadmaster" - denn Nicknames sind ein Muss. So wie Donaldisten seltene Ausgaben der „Lustigen Taschenbücher" verschlingen oder Schmetterlingssammler vor besonders schönen Exemplaren fast zerfließen, so bewundert der Leipziger alles, was in so einem Cache drin sein kann. „Das sind vor allem Plastikfigürchen aus Überraschungseiern, irgendwelche anderen kleinen Objekte und auch Travel-Bugs und Geocoins."

Travel-Bugs und Geocoins? Das ist Cacher-Fachsprache. Bei Ersteren handelt es sich um rechteckige oder elliptische metallicfarbene, mit Codes versehene Plättchen, an denen Anhänger baumeln. Über die Website www.geocaching.com, der für eine Registrierung weltweit obligatorischen Plattform, kommt man auf eine persönliche Seite des Travel-Bugs und kann erfahren, wem er gehört und wo er sonst schon deponiert war. Geocoins dagegen sind mit Codes versehene Münzen, die ebenfalls alle registriert sind und so online verfolgt werden können.

Cola-Rohlinge als Behälter

„Caches können Tupperbehälter, Filmdosen oder Rohlinge von Cola-Flaschen sein, die zwischen Wurzeln, hinter Mauern, an Ästen hängend, unter Steinen oder magnetisch an irgend welchen Stellen versteckt werden", weiß der 50-Jährige. Auch Nano-Caches - in winzigen länglichen Behältern untergebrachte Dinge - sind inzwischen populär geworden. „Es ist aber untersagt, zu graben, um keine Schäden zu verursachen." Tabu sind des Weiteren kinder- und jugendgefährdende Objekte wie Alkohol oder Zigarren.

Um die Behälter aufzuspüren, braucht man ein mit Kompass versehenes GPS-Gerät - es ist das wesentliche Utensil in diesem Spiel. Ist ein Teilnehmer erst einmal registriert, kann er sich die Koordinaten der Geocaches auf das Gerät herunterladen und loslegen. Dafür ist es nötig, auf der Geocaching-Plattform eine Datenbankabfrage auszuführen, also einen sogenannten Pocket Query. Die Stelle, an der sich ein Geocache befindet, wird dann mit einer Genauigkeit von fünf bis zehn Metern eingegrenzt.

Wird man fündig, verewigt man sich mit ein oder zwei Sätzen im Logbuch, um den Nachkommenden seinen Stolz oder seinen Frust über die Fundstelle mitzuteilen, und unterzeichnet mit seinem Nicknamen. Denn nicht alle Objekte sind leicht zu finden, es gibt verschiedene Schwierigkeitsgrade. „Von Aktionen für Rollstuhlfahrer bis hin zu aufwendigen Bergsteige­nummern ist alles dabei", erklärt Eckbert Waldleben.

Antarktis, Irak, ISS

„Geocaches finden sich außer in Nordkorea überall auf der Welt", so der Deutsche. Beim Treff mit dem MZ-Reporter hat er einige Superlative bereit. „Es finden sich etwa fünf Millionen Geocaches - sogar im Irak, wo US-Soldaten besonders aktiv waren, aber auch in der Antarktis und auf der Raumstation ISS." Auf Mallorca sind es bislang etwa tausend - oberhalb von Andratx beispielsweise nahe der Mühle Sa Planeta. Auch auf dem Friedhof des Dorfs wird man fündig, natürlich in gebührendem Abstand zu den Gräbern. Die Fundorte reichen von Bunkern und der Kathedrale von Palma über die Plaça de Espanya und die Bellver-Burg bis hin zum Naturstrand Es Trenc.

„An solchen Plätzen muss so ein Geocache muggelsicher versteckt werden", sagt Waldleben. Das bedeutet, dass Uneingeweihte - Muggel sind in den allseits bekannten Harry Potter-Romanen Wesen ohne magische Fähigkeiten - keines der Objekte versehentlich entdecken können.

In Gebäuden greift man gern zu simulierten Steckdosen, die samt Inhalt an Wände geklebt werden. Schwer zugängliche Plätze erreichen Muggel ohnehin kaum: „Richtig schwierig zu erreichen ist ein Geocache in der Sa-Fosca-Schlucht, in der Höhle von Sa Campana - aufsuchbar nur mit offiziellem Höhlenguide - sowie solche, die unter Wasser angebracht wurden", sagt Waldleben. „Der tiefste Geocache vor Mallorca befindet sich abgründige 36 Meter unter dem Meer an einem Motorrad vor Port d´Andratx." Strengstens verboten sind aus Sicherheitsgründen Bahnanlagen und Flughäfen.

Durchaus beabsichtigt ist von der Cacher-Community dagegen, dass bisweilen viel Kraft und Mühe investiert werden müssen, um einschlägige Orte zu erreichen. „Unser Ziel ist, die Menschen nicht nur zu bekannten Sehenswürdigkeiten zu locken, sondern auch in die Natur und an Stellen zu bringen, die man sonst eher nicht zu Gesicht bekommt, so wie etwa die Planeta-Mühle."

Ein Pionier namens Franke

Die Geschichte des Geocaching begann im Jahr 2000, als das US-Militär das GPS-Signal für alle Welt freigab. Ein gewisser Dave Ulmer vergrub am 3. Mai jenes Jahres erstmals einen Cache in der Stadt Portland. Im gleichen Jahr folgte in Deutschland Ferenc Franke, der südlich von Berlin am 2. Oktober aktiv wurde. „In Spanien wurde Geocaching erst einige Zeit später populär", so Wald­leben, „aber jetzt holt man hier kräftig auf."

Und es gibt immer mehr Spielarten - nicht mehr nur konventionielle Einzelcaches, sondern beispielsweise auch Multicaches. Dabei handelt es sich um regelrechte Schnitzeljagden. „Öffne ich einen Cache, erfahre ich, wohin es danach geht", so der deutsche Cache-Experte.

Hinzu kommen Mystery- oder Rätsel-Caches unterschiedlichster Schwierigkeitsgrade, wobei 5 der höchste ist. „Ich habe mal zusammen mit zehn Leuten der Hochschule Fulda ein halbes Jahr gebraucht, um Rätsel-Caches zu lösen." Sogar Mathematiker habe er beauftragen müssen. Nach der Lösung des Rätsels habe er sich denn auch einfach nur wunderbar gefühlt.

Und dann sind da auch noch Nacht-Caches, virtuelle Caches ohne real existierende Behälter, Webcam-Caches und sogenannte Power-Trails. Die Caches finden sich bei dieser Variante in relativ geringen Abständen, aber nicht unter einer Distanz von 165 Metern - eine von der Community verbindlich vorgeschriebene Distanz.

Man könnte meinen, dass Geocaching etwas ist, für das sich nur verschrobene Nerds begeistern können, die als Schulkinder auf Pausenhöfen in Kordhosen über Vektorenrichtung diskutierten. Doch dem ist laut Waldleben nicht so: „Ich kenne Geocacher, die als Chefärzte, Rechtsanwälte, Feuerwehrmänner oder Staatsanwälte arbeiten."

Mordsspaß am Dönerstag

Diese Leute wissen zu würdigen, was sonst noch alles möglich ist - per WhatsApp verabredete Caching-Stammtische beispielsweise in Santa Ponça oder Meet-and-Greet-Events ohne Suchaktionen, Mega-Events mit mehr als 500 oder gar Giga-Events mit mehr als 2.000 Teilnehmern.

Und dann sind da noch Spezial­events zu Halloween, Neujahr oder am Gründonnerstag. „Am Dönerstag besuchen wir bewehrt mit Koordinaten unangekündigt einen Dönerladen." Ein Geocaching-Ausflug kann aber auch zu einer Aufräumaktion im Wald werden, wie neulich in einem Forst bei Sant Elm. Als Mordsspaß erlebte Eckbert Waldleben auch einen James-Bond-Cache in Thailand an Original-Drehorten. Selbst bei seiner Arbeit als Quad-Verleiher (www.quad-mallorca.com) ist Waldleben seinem Hobby nah: Er dachte sich eine Spezial-Tour mit bis zu fünf Geocaches aus.