Einen besseren Ort kann man um die Mittagszeit, wenn die Temperaturen locker die 40-Grad-Marke knacken, kaum finden. Mit nacktem Oberkörper sitzt Joan Payeras auf der schattigen Terrasse seines Sommerhauses, wo ein leichtes Lüftchen weht, und ist in die Lektüre einer Zeitung vertieft. „Jetzt kann man es hier gut aushalten", sagt der Mallorquiner. „Aber am Wochenende ist das hier die Hölle."

Die Rede ist von der kleinen Siedlung Es Capellans, die zwar am Ortsrand von Can Picafort liegt, aber zur Gemeinde Muro gehört - und sozusagen die Sommerkolonie des Ortes bildet. Vor rund 50 Jahren entstanden in den Dünen die ersten Hütten, damals noch aus Schilfrohr. Heute stehen dort 133 Häuschen, die meisten inzwischen erneuert und aus Stein. Vorbehalten sind sie allerdings nach wie vor den Einwohnern von Muro - selbst wenn eine caseta verkauft wird, muss der neue Besitzer ebenfalls dort gemeldet sein.

Unter sich sind die murers trotzdem schon lange nicht mehr. Vor allem an den Wochenenden zieht es viele andere Inselbewohner und immer mehr Touristen nach Es Capellans - das sich in einen aus allen Nähten platzenden Parkplatz verwandelt. Ihr Ziel ist natürlich nicht die Sommersiedlung, sondern der angrenzende Sandstrand am südlichen Ende der Playa de Muro. Dazu kommen inzwischen vier Strandbars, die sich längst zu richtigen Restaurants gemausert haben und mit ihren Paellas und Fischgerichten zusätzliche Kundschaft anlocken.

Seit drei Jahren machten die Betreiber groß angelegt Werbung, erzählt Joan Moragues, der Vorsitzende der Eigentümergemeinschaft von Es Capellans. „Und zwar nicht nur mit ihrem Essen, sondern auch damit, dass es hier einen kostenlosen Parkplatz gibt." Jetzt zur Haupt­saison sei das Areal deshalb spätestens gegen Mittag so voll, dass mit dem Auto kein Durchkommen mehr ist. Zum Leidwesen der Anwohner. „Wenn meine Töchter am Sonntag herfahren, müssen sie um 9 Uhr hier sein, danach ist alles verstopft."

Mittlerweile schickt die Gemein-de an den Wochenenden zwei Parkanweiser, die versuchen, das Chaos in den Griff zu bekommen. Doch ihnen bliebe nichts anderes, als irgendwann einfach die Zufahrt zu sperren - für Anwohner und Besucher. „Offenbar muss erst ein Unglück passieren, etwa wenn bei einem Brand oder Badeunfall die Rettungskräfte nicht mehr durchkommen, bevor die Gemeinde etwas unternimmt", poltert Moragues. Dabei hat die inzwischen sogar einen Beschluss verabschiedet, wonach nur noch der große Parkplatz allen Besuchern offensteht. Das restliche Areal hingegen wird zur Acire-Zone erklärt, also zum verkehrsberuhigten Bereich, der nur noch von Anwohnern befahren werden darf. Entsprechende Schilder wurden allerdings noch nicht aufgestellt.

Jörn Rudzewski ist der einzige Deutsche in der Siedlung - weil er mit einer Frau aus Muro verheiratet ist, darf auch er hier den Sommer verbringen. Dass der Andrang immer größer wird, verwundert ihn nicht. „Das hier ist wie im Paradies, noch vollkommen natürlich. Außerdem kann man hier fantastisch essen." Und das spreche sich nun mal immer weiter herum. Als störend empfindet er die vielen Besucher nicht. „Und irgendwie müssen die Leute ja auch Geld verdienen, hier leben doch alle vom Tourismus."

So sieht es auch Fernando ­Gullón, der sich ums Marketing für die Strandbar Ponderosa kümmert - wobei das chiringuito, das so alt ist wie die Sommersiedlung selbst, seit dem Umbau vor drei Jahren zu einem schicken Strand-Restaurant avanciert ist. „Wir machen unser Geschäft mit den Urlaubern und Strandbesuchern, nicht mit den Leuten, die hier ein Häuschen haben."

Dass sich an der Parksituation etwas ändern müsse, will aber auch er nicht abstreiten. Zumal die sich noch verschärft habe, seit der Großparkplatz am beliebten Es Trenc-Strand im Süden der Insel geschlossen wurde. Seitdem steuerten viele Badegäste andere Strände an. „Man muss deshalb das Chaos hier dringend regeln, am besten mit einem kostenpflichtigen Parkplatz", schlägt Gullón vor. „Und mit dem Geld, das die Gemeinde einnimmt, könnte der Strand gereinigt werden."

Joan Socias, dessen Frau eines der Häuschen geerbt hat, kann sich gut daran erinnern, wie es in Es Capellans noch ruhig zuging. „Damals konnten die Kinder auf dem ganzen Gelände herumtoben und spielen." Denn die Autos der Strandbesucher parkten bis vor rund 15 Jahren noch auf der Finca Es Comú etwas nördlich. Dann wurde das Areal zum Schutzgebiet erklärt und abgesperrt.

Mit Kritik an der Gemeinde hält sich Sorias dennoch zurück. „Wer weiß, vielleicht kommen sie eines Tages und reißen alles ab", befürchtet er. Die 133 Häuser seien nämlich nie offiziell genehmigt worden, seine Familie besitze nicht einmal eine Kaufurkunde. „Die Siedlung ist weder legal, noch illegal."