Wie kann etwas so Schlichtes wie ein Stück Stoff mit einem Schlitz in der Mitte die Modewelt von Amerika bis Schweden verzaubern? Gemeint ist der Poncho, auch Cape genannt. Der Umhang mit einer Öffnung für den Kopf stammt ursprünglich aus Südamerika, in der offenen Spielart wirft man ihn wie eine wetterschützende Decke über die Schultern. Wer noch keinen besitzt, macht sich entweder nichts aus Trends oder spart gerade für sein Lieblingsstück. Zu sehen ist der ärmellose Mantel aus Baumwolle, Leinen, Kaschmir, uni und mit phantasievollen Mustern jetzt überall, auch auf Mallorca.

Piluca Osaba verkaufte schon Ponchos, bevor diese mit und ohne Fransen laufstegtauglich wurden. Weil Ponchos in between und damit das perfekte Mallorca-Utensil sind. Einen richtigen Winter würde es auf der Insel sowieso nicht geben, so die spanische Unternehmerin. An kühleren Tagen trägt sie den Umhang über Bluse, Pullover, Blazer. Auch reisetauglich ist so ein Poncho, im Flugzeug kann man ihn wie ein Plaid über die Beine legen und knitterfrei im Handgepäck verstauen. In ihrer Boutique (Carrer Jaime III, 3) findet man Exemplare in klassischer A-Linie aus Leinen und Kaschmir oder mit geometrischen Mustern und an der Vorderseite geöffnet (366 Euro). Für einen Poncho muss man nicht unbedingt schlank und groß sein, zierliche Frauen wählen ein engeres und kürzeres Modell wie das aus himmelblauem Kaschmir (Eigenkreation).

In der Filiale des spanischen Modelabels Bimba y Lola (Carrer Unió, 7) holt die Verkäuferin erst auf Nachfrage einen Poncho aus dem Lager. Das Einzelstück im Hippie-Look der 70er Jahre hat ein Rautenmuster in Schwarz-weiß und lange Fransen, die bis übers Knie reichen (250 Euro). An den Seiten steht die Stola offen, mit Druckknöpfen öffnet und schließt man den Halsausschnitt. Handarbeitsbegabte stricken sich dieses lässige Accessoire selbst, aus zwei 20 Zentimeter breiten Bahnen, die man an einer Seite zusammennäht.

Designerin Lluch Recalde lebte ein Jahr in Mexiko, wo Ponchos jorongos heißen und zur männlichen Tracht gehören. Sie hat eine Vorliebe für Muster und bringt von allen Reisen, auch durch Indien und Indonesien, Stoffe mit auf die Insel zurück. In ihrem neuesten Entwurf, den sie Poncho-Kimono nennt, fließen asiatische und südamerikanische Einflüsse zusammen. Die Idee für den taillenkurzen Zwitter war eine Art warme Decke, die man schnell um die Schultern legen kann. Aus einem rechteckigen Stück gefertigt, wirken die Unikate äußerst raffiniert. „Die Schnittmuster sind radikal einfach", verrät die Designerin. Die kreisförmige Öffnung für den Kopf rückte an die Seiten, mit beiden Armen schlüpft man hindurch und schließt das Gewand auf Brusthöhe mit einem Häkchen. Der doppelt genähte Stoff zeigt außen Ikat-Muster, das Innenfutter in uni hebt sich effektvoll davon ab (über Suite 13, Carrer Estade, 2).

Dass die Form des modischen Umhangs kaum Grenzen kennt, glauben auch Amanda und Annika Nyberg von Aka Knits (Carrer Sant Magí, 81 a). Zwei Friseurinnen aus Schweden orderten bei ihnen knapp über die Schulter reichende Ponchos für die Arbeit im Salon. Nach dem Motto Kaschmir à la carte kreiert das Mutter-Tochter-Duo auf Wunsch Capes in allen Farbkombinationen an der Strickmaschine, mit und ohne Fransen, aber immer aus der feinen, weichen Naturfaser (ab 270 Euro).

Eine Mode-Investition, die sich lohnt, laut Trendforschern sind Ponchos auch in der übernächsten Saison noch „in". Wer daran zweifelt, schaut bei Rita´s House vorbei (Carrer de les Monges, 8). In dem Vintage- und Second-Hand-Geschäft hängen derzeit fünf erschwingliche Exemplare. Von einem Poncho in wollweiß aus den 70er Jahren, über ein Cape im Schottenkaro Stil Sherlock Holmes bis zu einem knallroten Kaschmir-Stück aus den 80ern (ab 36 Euro). Im Kleiderschrank von Laden­besitzerin Cati Ramon sucht man das modische must-have allerdings vergebens: „Wenn etwas Trend ist, ist es für mich nicht mehr interessant."