In den weißen Schutzanzügen der Imker fühlen die Besucher sich, als wären sie zum Mond unterwegs. Unter einem Hut mit Netz als Kopfschutz, einem weißen Overall aus dickem Stoff, in den klobigen Handschuhen (Block und Stift sind kaum zu halten), und in den hohen Stiefeln ist es um die Mittagszeit richtig heiß. Aber es geht nicht zum Mond, sondern auf ein Feld in der Nähe von Lluc­major. David Llompart (23) wird heute in fünf seiner Bienenstöcke den Honig des Herbstes ernten.

Traditionell gilt als idealer Zeitpunkt für die Honiggewinnung auf der Insel das Fest „Tots Sants" (Allerheiligen). Auch der Honig trägt diesen Namen. Doch wegen des anhaltend guten Wetters im November haben die Imker die zweite Ernte im Jahr verschoben. Diese fällt gewöhnlich nicht so üppig aus wie die erste Gewinnung im Juli. Das alles erzählt Llompart im Auto auf dem Weg zu seinen Bienenstöcken, die sich nur wenig entfernt auf einer unbewohnten Finca befinden.

Kletterer und Imker

Insgesamt 25 Bienenstöcke (span. enjambres) besitzt der Student der Agrarwissenschaften an der ­Balearen-Universität UIB. Llompart ist leidenschaftlicher Kletterer, und so kam es, dass man ihn vor ein paar Jahren rief, um einen Schwarm verirrter Bienen einzufangen. Er packte damals seine Ausrüstung ein, mit der er sonst auf den Felswänden der Serra de Tramuntana unterwegs ist, holte sich die umherschwirrenden Tiere und besaß von da an als 16-Jähriger sein erstes Bienenvolk. Mittlerweile hat er sich eine Imkerwerkstatt eingerichtet und bietet Gruppenbesuche bei seinen Bienenstöcken an. Mit dem Einfangen ausgebüxter Schwärme und dem Verkauf von Honig finanziert der wohl jüngste Imker der Insel sein Studium.

Die wachsamen Bienen

Vor dem Eingangstor zu der Finca entzündet Llompart mit getrockneten Kräutersträußchen ein stark rauchendes Feuer. Dazu benützt er einen mit einem Blasebalg ausgestatteten „Smoker" aus Metall. Mit dabei hat er außerdem Transportkisten, Spezialzangen und einen Bienenbesen. Langsam nähert sich die Gruppe den fünf Bienenstöcken, deren Einflugschneisen nach Süden ausgerichtet sind.

Der erste Bienenstock wird geöffnet und Rauch in die Zwischenräume der Holzrahmen gepustet, in denen es ganz schwarz vor Bienen ist, einige schwirren aufgeregt umher. Wenn sie Rauch spüren, vermuten die Tiere Brandgefahr und verhalten sich ruhig. „Wir müssen sparsam damit umgehen, sonst schmeckt der Honig später geräuchert", sagt der Mallorquiner. Rundherum wird es nun immer dunkler von umherschwärmenden Bienen, ihr Surren klingt bedrohlich, man darf aber nur eines tun: ganz stillstehen und die Bienen nicht erschrecken. Das ist mit den Händen, die die Kamera halten, nicht so ganz einfach. Vor allem dann nicht, wenn sich ein Insekt zwischen Schutznetz und Kamera verirrt. Doch Llompart beruhigt uns: Die Bienen verhielten sich heute sehr friedlich.

Jetzt zieht er mit einer Spezialzange einen der Holzrahmen heraus, in denen Platten mit vorgefertigten, sechseckigen Vertiefungen befestigt sind. „Die Waben nehmen den Bienen die Arbeit ab", sagt der Imker. Mit einem Bienenbesen schiebt er die Tiere weg, und die Waben werden sichtbar. Hier sollte sich eigentlich der Honig angesammelt haben, doch zum Bedauern Llomparts ist die erste Wachstafel leer.

Langsam gewöhnen wir uns an das Surren der Bienen. Nur hin und wieder ist der Auslöser der Kamera zu hören. Mit dem zweiten Rahmen ist der Imker schon zufriedener. Eine unregelmäßig verlaufende Wachsschicht bedeckt die Waben. „Wenn es so weitergeht, machen sie mich glücklich", sagt er. In jedem Bienenstock befinden sich zehn Rahmen, bis zu einem Kilogramm Honig könnte maximal auf einer Wabenseite zu finden sein, doch es sieht im Moment nicht nach reicher Ernte aus. Ob der Imker zufrieden sein wird, kann er erst sagen, wenn alle fünf Bienenstöcke bearbeitet sind, und das wird noch eine Weile dauern.

Es geht auch deshalb so langsam voran, weil gleichzeitig mit der Honig­gewinnung im ersten Stock das darunter liegende „Parterre" inspiziert werden muss. Hier befindet sich die Behausung des Bienenvolkes, hier lebt die Bienenkönigin, die von den Arbeitsbienen mit dem Gelée royale gefüttert wird. Auf den Rahmen sind Spuren von Propolis zu sehen - ein antibiotisch wirkendes Harz, mit dem die Tiere Fremdkörper desinfizieren. Llompart entfernt die in der Kosmetik und Pharmazie begehrte Masse mit einem Spachtel.

Er arbeitet weiter und erklärt, dass sich in jedem Bienenstock ein mit Thymol getränkter Rahmen befinde. Hierbei handelt es sich um ein ätherisches Öl, das die Bienen inhalieren. Das schützt sie vor der Vorroamilbe, ein Parasit, der ähnlich vorgeht wie eine Zecke und von asiatischen Bienenköniginnen nach Europa eingeschleppt worden ist.

Nach und nach füllt sich der Transportbehälter mit Rahmen, deren Waben mit Honig gefüllt sind. Sie werden in den Kofferraum verladen. Die Schutzanzüge dürfen jedoch noch nicht ausgezogen werden, denn ein paar Bienen lassen es sich nicht nehmen, die nach Wachs und Honig duftenden Waben bis zum Auto zu verfolgen.

Das flüssige Gold

Vor der Werkstatt werden die letzten Verfolger mit dem Bienenbesen verscheucht und die Kisten durch das Schließen der Türen vor weiteren geschützt. Jetzt erst darf der Kopfschutz abgenommen werden. Die Overalls sind weiter anzubehalten, sie sollen vor Honigspritzern beim Schleudern schützen. Doch zuerst trägt der Imker mit einem Messer die Wachsschicht von den Waben ab, der Honig glänzt jetzt im Gegenlicht wie Gold. Und dann kommt der Moment, an dem alles vergessen ist: die Hitze unter dem Schutzanzug, das unangenehme Surren, die Angst vor den trotz aller Sicherheitsvorkehrungen vielleicht doch verärgerten Bienen, die zu Recht ihr Werk verteidigen. Jetzt darf der Finger in die Wabe getaucht und gekostet werden: Die flüssige Masse in den Vertiefungen schmeckt köstlich süß und würzig.

„Der Herbsthonig bekommt seinen Geschmack auch von den Blüten des Johannisbrotbaumes", sagt der Imker. Die Bienen haben im Sommer und Herbst auf der Insel nicht das reiche Blütenangebot wie im Frühjahr. Aber auch die Blüten von Rosmarin und Efeu hinterlassen im Herbsthonig „Tots Sants" interessante Geschmacksnuancen.

Doch noch ist der Honig nicht fertiggestellt, erst müssen die Rahmen in ein zylindrisches Edelstahlgefäß gehängt und geschleudert werden. Jeweils zwei Rahmen bearbeitet man gleichzeitig. Llompart setzt die Schleuder so lange in Gang, bis sie alleine Schwung aufnimmt. Tausende kleiner, silbern wirkender Tröpfchen fliegen während der Umdrehungen an den Rand des Zylinders und gleiten zum Boden. Als sich nach weiteren Schleudergängen genügend goldene Flüssigkeit auf dem Boden gesammelt hat, dürfen endlich die Schutzanzüge ausgezogen werden. Der Honig läuft währenddessen durch ein feines Sieb. Bevor man ihn in Gläser abfüllen kann, muss er ruhen, bis sich die Luftblasen auflösen und als Schaum abgeschöpft werden können.

Wie bereits erwartet, ist die herbstliche Ausbeute der Waben nicht gerade üppig. Und dennoch ist der Imker zufrieden. „Hauptsache, die Bienen sind gesund", sagt er.

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