Dass es auf Mallorca ordentlich weihnachtet, ist unverkennbar: Palma erstrahlt in einem leuchtenden Lichterglanz wie nie zuvor, und auch die Dörfer sind sehr individuell und festlich geschmückt. Was aber macht den Unterschied zu Nord- und Mitteleuropa aus, außer, dass es hier nun mal keine weiße Weihnacht gibt?

Krippen mit Inselimpressionen

Weihnachtsbäume und Weihnachtskalender sind neuere Errungenschaften und noch nicht in jedem mallorquinischen Haushalt angekommen. Ganz im Gegenteil zu den Krippen. Überall auf der Insel sind handgefertigte, groß­flächige bélens zu bewundern - mit vielen Figuren, Tieren, Häusern, Ställen, Landschaften und nachgestellten Szenen. Sie erzählen die eine Geschichte, doch keine Krippe gleicht der anderen und jede erzählt ihre Version - mit zum Teil über 100 Figuren. Typisch für Mallorca: Die Miniatur-Windmühlen inmitten hügeliger Insellandschaften. Eine der aufwendigsten Krippen steht im Rathaus von Palma - mit einer Miniaturnachbildung des Rathauses, der Stadtmauer und anderen bekannten Gebäuden der Inselhauptstadt. Sehenswert ist auch die Riesen-Krippe aus Moos und Kork auf 50 Quadratmetern im 7. Stock des Kaufhauses El Corte Inglés an den Avenidas. Neu in diesem Jahr ist zudem die Krippe im Markt von Santa Catalina. Und die älteste in ganz Spanien erhaltene neapolitanische Krippe aus dem Jahr 1480 steht auch in Palma: in der Kirche des alten Krankenhauses an der Plaça Hospital.

Doch noch mindestens ein weiteres halbes Dutzend sehenswerte Krippen, die als historisch wertvolle Sammlungen von dem Verein der Krippenbauer gepflegt werden, erwarten Sie zu einem Krippen-Rundgang in Palma. Vielerorts ist es dabei Sitte, die Krippen bis zum Patronatsfest in Palma (20. Januar) stehen zu lassen. Und jedes Jahr eine neue Figur dazu zu kaufen- so erklärt sich auch das reiche Angebot an Krippenfiguren aller Art auf den Weihnachtsmärkten, ganz besonders auf der Plaça Major. Eine Figur fand aus Katalonien den Einzug in mallorquinische Krippen: der caganer - eine Figur mit herunter gelassenen Hosen, die sich irgendwo versteckt erleichtert. Humor muss nun mal sein.

Glühwein und Turrón

Das fällt auf: Weihnachtsmärkte erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und dieses Jahr gibt es mehr denn je auf der Insel. Die Märkte sind eine überaus gelungene Fusion aus deutschen und spanischen Traditionen und bieten von beiden das Beste - Glühwein, Lebkuchen und Maronen einerseits, dazu mallorquinische Weihnachtsleckereien andererseits. Manch ein Markt ist mehr deutsch geprägt (mit reichlich Glühwein) etwa in Santa Ponça, ein anderer eher mallorquinisch (ohne oder eher selten mit Glühwein) etwa auf der Rambla in Palma.

Und was naschen die Mallorquiner nun zu Weihnachten besonders gerne? „Apfel, Nuss und Mandelkern" gehören auch auf der Insel zu Weihnachten. Vor allem aber Letzteres: Den turrón - eine feste, sehr süße Mandelmasse mit Eiweiß und Zucker - gibt es nun überall und in vielen Variationen. Typische Weihnachtsplätzchen sind die Butterkekse galetes de mantega (auch nadalenques genannt), die polvorons: trockene Kekse, die im Mund so herrlich stauben (polvo=Staub), die crespells genannten Weihnachtssterne (eigentlich typische Osterkekse), die Marzipankartoffeln gleichenden amargos und die neules, „süße Schneeflocken" in Oblatenform oder das jetzt mit Anis verfeinerte Kartoffelbrot (coca de patata).

Kulturerbe und Gaumenfreuden

In jüngster Zeit gewinnt der ­Heiligabend, die Nochebuena, auch unter Mallorquinern an Bedeutung - und zwar mit allem, was damit einhergeht: Weihnachtsmann, Weihnachtsbaum, Geschenke und ein aufwendiges Festmahl. Früher versammelte sich die Familie in der nit de nadal zur schlichten Weihnachtssuppe - Brühe mit fleischgefüllten Muschel­nudeln -, und für die Kinder gab es etwas Süßes, wie turrón, Mandeln oder Feigenbrot. Danach ging es - und geht es immer noch - gemeinsam zur Christmette, und anschließend gibt es heißen Kakao. Dazu erklingen die villancicos genannten Weihnachtslieder.

In Palma findet zudem ein besonders sehenswertes Spektakel statt: Bei der Mitternachtsmesse in der Kathedrale - auch „Hahnenmesse" (misa del gallo) genannt -, wird um 23 Uhr ein Unesco-Kultur­erbe vorgetragen: der düstere ­Gesang der Sibylle (canto de la ­Sibila). Für Urlauber und Residenten finden auch in diesem Jahr wieder Ökumenische Gottesdienste in deutscher Sprache um 15.30 Uhr und um 17 Uhr in der Kathedrale statt.

Das wirklich große Fest­essen - immer im Kreise der Familie - erfolgt am 25. Dezember mit Lammkeule, Truthahn, Pute oder Spanferkel, Letzteres (lechona) wird auch gerne am Neujahrstag aufgetischt. Die Braten werden mit Trockenfrüchten, Brot und Sobrassada - der berühmten mallorquinischen Paprikastreichwurst - gefüllt. Die Fisch­variante aus alten Zeiten ist die weihnachtliche Goldbrasse, die orada de nadal. Eine Tradition auf dem Land am ersten Weihnachtsfeiertag sind auch heute noch die escaldums genannten Eintöpfe, etwa mit Pute, Blutwurst (camaiot) und Mandelsauce. Alles Speisen von der Art, die am besten mit einem Likörchen wie einem palo oder hierbas verdaut werden. Und die sich hinziehen: Dass man am Tisch nicht altert, dieses Sprichwort passt besonders gut auf die üppigen und kalorienreichen Weihnachtsfeiertage.

Auch der 28. Dezember ist ein besonderer Tag, an dem sich alle „in den April" schicken: am „Tag der Unschuldigen", dem Día de los Inocentes, sollte man nicht alles allzu ernst nehmen.

Die Könige kommen

Und kam denn nun das Christkind? Nein, Fehlanzeige! Viele Kinder müssen bis ins neue Jahr hinein fiebern und auf den 6. Januar warten, den Tag der Heiligen Drei Könige: Sie bringen die Geschenke. Das ist besonders dort erlebenswert, wo es einen Hafen gibt, denn die Könige legen prächtig geschmückt und mit Gefolge am Vorabend, dem 5. Januar, mit dem Schiff an Land an. In Palma, Port de Sóller, Cala Ratjada und vielen anderen Hafenorten reiten Caspar, Melchior und Balthasar auf stolzen Rössern und mit glitzernd geschmückten Karossen durch die Straßen und werfen den Kindern Bonbons zu.

Der Drei-Königs-­Morgen ist dann besonders schön in den Dörfern: Dort gehen die drei Weisen aus dem Morgenland von Haustür zu Haustür und geben die Geschenke ab. Wer jemanden überraschen möchte, kann sein Geschenk im Rathaus abgeben. Dort wird es von den königlichen Herrschaften abgeholt. Ein alter Brauch ist, dass die Kinder vor dem Schlafengehen am 5. Januar ein Gläschen Likör oder Cognac für die Besucher sowie eine Schüssel mit Wasser für die Pferde vor ihre Tür stellen. Am Morgen finden die Kinder dann noch schlaftrunken ihre Geschenke vor. Auf den Balearen nimmt man die Anbetung Jesu durch die Könige so genau, dass die drei Weisen aus dem Morgenland oft erst am 6. Januar zu den anderen Figuren an die Krippe mit dem Jesusbaby gestellt werden. Und bis zum 6. Januar, dem Tag der Bescherung, haben auch die Weihnachtsmärkte in Palma geöffnet. Jetzt isst man die tortell de rei genannten süßen Kuchenringe, die mit kandierten Früchten und einer Krone verziert werden.

Molt d´anys

Doch dazwischen wird, wie überall auf der Welt, noch einmal kräftig gefeiert: Silvester heißt hier Nochevieja. Und wieder wird aufwendig getafelt - diesmal gerne auswärts. Das Silvestermenü erfreut sich auf der Insel großer Nachfrage, und wer in der Nacht zum neuen Jahr gut essen möchte, der muss sich allerspätestens jetzt um einen Tisch in seinem bevorzugten Restaurant kümmern. Noch etwas essen alle Spanier zum Jahreswechsel: Während die Rathausuhren die letzten 12 Sekunden bis zum neuen Jahr verkünden, wird zu jedem Schlag eine Weintraube verzehrt. Das bringt Glück und ist besonders toll und sehr gesellig vor dem Rathaus in Palma . Anschließend gehen alle hinunter zum Hafen, wo mit dem letzten Glockenschlag das Feuerwerk gezündet wurde. Na dann: Prosit Neujahr und molts d´anys („viele Jahre") wie die Insulaner sagen!