So etwas hatte Mallorca noch nicht zu lesen bekommen. Der Landwirt Jacint Josep Fontanet i Llebrés, auch Montserrat Fontanet genannt und porqueret (Schweinehirte) gerufen, fasste im Jahr 1747 in seinem Buch „Art de conró" (Kunst der Kultivierung) in Worte, was noch nicht niedergeschrieben worden war: Techniken, mit denen die Ländereien so ertragreich wie möglich bewirtschaftet werden konnten. Und dies auch noch auf Katalanisch, eine damals angesichts der fortschreitenden Kastilisierung Spaniens immer seltener benutzten Schriftsprache.

Kinderlos, fünf Mal geheiratet

Es gibt keine Bilder von Mont­serrat Fontanet, vieles bleibt im Dunkeln. „Wir vermuten, dass er 1695 in Sencelles geboren wurde und sind sicher, dass er der älteste von zehn Brüdern war, fünfmal heiratete, keine Kinder hatte und während seines Lebens auf unterschiedlichen Landgütern Mallorcas tätig war", sagt Andreu Ramis. Der an der Balearen-Universität wirkende Historiker hat den „Art de conró" zusammen mit anderen Wissenschaftlern mit 190 Fußnoten, Gemälden des Zeitgenossen Jaume Nadal Ferragut und einordnenden Texten jetzt neu herausgegeben (El Gall Editor Pollença, 224 Seiten, 24 Euro). „Gesichert ist auch, dass Fontanet einer Pächter-Familie aus Sóller entstammt und am 3. September 1762 im Dorf Mancor de la Vall starb."

Der Plan zum Buch entstand bei einer Fachtagung im Dezember 2014 in Lloret de Vistalegre - früher hieß es irrtümlich, dass Fontanet dort geboren wurde. Zuvor war „Art de conró" in erster Linie in Auszügen veröffentlicht worden - darunter in „Die Balearen" von 1871, dem enzyklopädischen Standardwerk des Erzherzogs Ludwig Salvator (1847-1915). Erst 1979 erschien die erste vollständige Ausgabe.

Dass ein Schweinehirt auf Mallorca in jener Zeit überhaupt lesen und ­schreiben konnte, ist Andreu Ramis zufolge per se ein Faszinosum. „Das hängt sicherlich mit den Anfängen der Aufklärung zusammen, die sich das enzyklopädische Erlangen von Wissen breiterer Bevölkerungsschichten auf die Fahnen schrieb." Auch einfacheren Menschen wurde damals bereits Zugang zu kirchlichen Einrichtungen gewährt, die zu dieser Zeit noch ausschließlich für die Vermittlung dieser Kenntnisse zuständig waren. Ramis vermutet, dass der Schweinehirt im Kloster Cura auf dem Randa-Berg ausgebildet wurde.

Nüchtern und mit didaktischem Impetus, aber auch mit Verweis auf die Gnade der Mutter Gottes erklärt Montserrat Fontanet dem Besitzer der noch heute existenten Possessió Son Fuster bei Inca in einem Frage- und Antwortspiel, welche Qualitäten etwa ein Landarbeiter mitbringen muss, um effektiv arbeiten zu können. In der traditionellen Landwirtschaft wurden damals viele Arbeitskräfte benötigt.

Fontanet schildert zudem, wann die Scholle mit welchem Saatgut versehen werden sollte, um gute Erträge abzuwerfen. So empfiehlt er etwa, die Samen von Pfeffer möglichst im Januar, Februar oder Anfang März und die von Wassermelonen an Ostern zu säen. Kohl solle tunlichst um Sant Joan (24. Juni) herum, dem kürzesten Tag des Jahres, gepflanzt werden.

Auch den Themen mathematisch genaue Abmessung von Flächen und Viehwirtschaft widmet der sinnierende Schweine­hirte viel Platz. Junge Ziegen könnten durchaus auch unter Bäumen gehalten werden, äußert er etwa an einer Stelle, da diese sich noch nicht wie ausgewachsene Exemplare über deren Blätter hermachten.

Erbauer der „canaleta"

Das Thema Bewässerung schneidet Montserrat Fontanet ebenfalls an. Er verstand viel davon: Der Schweinehirt stellte 1750 einen über sieben Kilometer langen Bewässerungskanal in der Nähe der Possessió von Massanella bei Mancor de la Vall fertig. Die noch heute zu bewundernde canaleta führt 543 Meter nach unten. „Wissensdurstig und wissenschaftlich interessiert, wie Fontanet war, schaffte er, was Ingenieure nicht hinbekamen, ein Bauwerk, das die Serra de Tramuntana mit landwirtschaftlichen Flächen verbindet", sagt Andreu Ramis. „Damals herrschte jahrzehntelang extremer Wassermangel auf Mallorca, und deshalb sahen sich die Menschen gezwungen, von entlegenen Quellen Wasser heranzuschaffen."

Es gilt als wissenschaftlich gesichert, dass der rätselhafte Mont­serrat Fontanet von 1741 bis zu seinem Tod auf der Possessió von Massanella tätig war, nachdem er auf diversen Landgütern in der Zentralebene der Insel und auch in Alma­llutx nahe dem heutigen Gorg-Blau-Stausee im Gebirge gearbeitet hatte. Der beeindruckende Kanal dient heute zum Teil als ­Wanderweg.

Intensiv beschäftigt sich der Schweinehirt in seinem Buch auch mit dem Olivenanbau, vor allem mit Verpflanzungen der Setzlinge. Mandeln hingegen kommen nur am Rande vor: Die spielten Mitte des 18. Jahrhunderts noch keine große Rolle auf der Insel. „´Art de conró´ wurde in einer geschichtlichen Umbruchphase geschrieben", sagt Andreu Ramis. „Man dachte damals intensiv über die Verbesserung landwirtschaftlicher Methoden nach." Fontanet ging so weit nicht, aber er legte mit seinem Handbuch den Grundstein für das, was noch kommen sollte.