Mein Gott, was waren das für Zeiten, als Motorräder noch ständig Ölflecken auf dem Boden hinterließen, schlecht ansprangen, während des Gasgebens qualmten oder beim Bremsen quietschten. Trotzdem soll es noch Menschen geben, die genau diesen Zeiten hinterhertrauern. Zeiten, in denen Motorräder keine sterilen, mit elektronischen Fahrhilfen zugedröhnten Hightech-Roller waren, sondern vielmehr chromblitzende, laut röhrende sowie nach verbranntem Benzin stinkende Stahl-Hengste, die es bei jedem Ausritt aufs Neue zu bändigen galt.

Hugh Birley gehört zu dieser selten gewordenen Spezies sentimentaler Motorrad-Fans. Vor fünf Jahren verkaufte der damals noch in London lebende Unternehmer die eigene PR-Firma, um auf Mallorca seiner bedingungslosen Leidenschaft für klassische Bikes nachgehen zu können. Unter dem Namen „Albion Classic Motorcycles" bietet Hugh Birley seit nunmehr drei Jahren geführte Insel-Touren auf bis zu 60 Jahre alten Motorrädern an. Vier der derzeit insgesamt acht Maschinen, die für die Halb- oder Ganztages-Touren zur Verfügung stehen, gehörten zu Birleys Privatsammlung, die er mit dem Anhänger nach Mallorca brachte. „Ich wollte anfangs hier eigentlich eine Art Vorruhestand genießen. Aber nur irgendwo in der Bar zu sitzen und Kaffee zu trinken, schien mir dann doch etwas zu langweilig. Außerdem wollte ich ja, dass meine Motorräder gefahren werden und nicht nur irgendwo hübsch poliert in der Garage stehen", erzählt Hugh Birley über die Entstehungsgeschichte seines Unternehmens Albion Motorcycles.

Doch diese Gründung war keinesfalls ein Selbstläufer. „Allein die Ummeldung der Maschinen auf spanische Kennzeichen hat mich ein Heidengeld und noch mehr Nerven gekostet." Und nach dem monatelangen Spießrutenlauf durch die Amtsstuben war mit den Schwierigkeiten noch lange nicht Schluss. Im Gegenteil. „Es schien auf Mallorca keine Möglichkeit zu geben, um die historischen Fahrzeuge für das Mietgeschäft zu versichern", sagt Hugh Birley. Von den verschiedenen Versicherungsgesellschaften, die er kontaktierte, wurden ständig neue Bescheinigungen über die Herkunft der Motorräder gefordert. Der Brite stand kurz davor, das Handtuch zu schmeißen. „Im letzten Moment fand ich einen Anwalt, der mein Anliegen verstand und alle dafür nötigen Papiere besorgte."

Sitz seines Motorrad-Verleihs ist seither eine große Lagerhalle in Calviàs Industriegebiet Son Bugadelles. Dort werden die Maschinen nicht nur gewartet und repariert, sondern können auch von den Kunden vor dem Start erst einmal in aller Ruhe in Augenschein genommen und Probe gesessen werden. Zur Auswahl stehen neben drei italienischen Bikes (zwei Ducati und eine Moto Guzzi) auch vier englische Marken (BSA, Norton und Triumph) sowie eine deutsche BMW.

Schmuckstück in der Flotte ist eine seltene Vincent Rapide von 1953. Die bekommen allerdings nur von Hugh Birley auserlesene Fahrer in die Finger. „Jede Maschine hat so ihre speziellen Eigenarten. Deshalb lassen wir die Kunden erst einmal ausprobieren, welches Motorrad zu ihren Erwartungen und Fahrkenntnissen am besten passt." Anschließend wird an einem großen Kartentisch mit allen Teilnehmern die Ausflugsroute festgelegt. Nach dem Briefing werden Helm und Biker-Jacke ausgehändigt. Und dann geht es schon los.

„Ich fahre mit den Gruppen meist immer einmal die Westküste entlang. Von Andratx nach Pollença. Die Straße ist einfach wie für Motorrad-Ausflüge gemacht." Etwa jede Stunde wird in einer Bar, einem Aussichtspunkt oder einem Restaurant Zwischenstopp eingelegt. Allzu deftige Essen lässt der Engländer in der Regel aber nicht auffahren. „Mit vollem Magen lässt die Konzentration oftmals rapide nach", so Hugh Birley. Und auf die komme es im Sattel einer 64er Triumph Bonneville oder einer Norton Commando aus dem Jahre 1974 schon an. „An Schaltung und Bremsen müssen sich selbst geübte Fahrer erst einmal gewöhnen. Gleiches gilt für das scheinbar steinzeitliche Antreten der Maschinen mit dem Kickstarter und dem Fluten des Vergasers." Und bei engen Kurven heißt es ordentlich am Lenker zupacken. Andererseits gehe es auch nicht darum, neue Geschwindigkeitsrekorde aufzustellen. „Wir fahren stets im gemütlichen Crui­sing-Tempo, um Landschaft und Bikes in aller Ruhe zu genießen", sagt Hugh Birley.

Zu seiner Kundschaft gehören in der Regel kleine Gruppen von Motorrad-Fans, die sich die Insel für ein oder zwei Tage aus dem Sattel einer klassischen Maschine anschauen möchten. Und die dafür auch längere Anreisen nicht scheuen. So seien im vergangenen Jahr bereits Kunden aus den USA und Australien nach Calvià gekommen, um mit Birley auf Tour zu gehen. Und es sind nicht nur Männer. „Frauen kommen mit solchen Motorrädern oft besser zurecht als ihre Partner", glaubt der Brite. Grund: „Sie hören bei der Einweisung genau zu. Viele Männer sind dagegen der Meinung, immer alles bereits zu wissen. Und bekommen die Maschine mit dem Kickstarter oftmals erst dann an, wenn die ­Damen schon längst im Sattel sitzen und Gas geben."

Ob die Vermietung alter Motorräder auf Mallorca denn überhaupt ein Geschäft sei? Natürlich nicht, sagt Hugh Birley mit einem Anflug seines feinen englischen Humors. Ganz im Gegenteil. Aber eine größere Rentabilität habe er mit Albion Motorcycles auch nie beabsichtigt. „Solange genug Geld übrig bleibt, um die Maschinen im perfekten Zustand zu halten und vielleicht das eine oder andere Motorrad hinzuzukaufen, ist für mich alles in Ordnung." Für ihn seien seine Bikes weit mehr als ein Geschäft oder Freizeitvergnügen. „Auch wenn das jetzt kitschig klingt: Mir macht es einfach einen Heidenspaß, wenn sich Menschen heutzutage noch über Dinge freuen können, die älter sind als sie selbst."

Albion Motorcycles

Geführte Touren mit klassischen Motorrädern. Preis: 175 Euro pro Tag inklusive Helm, Jacke und Guide. Info unter www.albionmotorcycles.com