Die auf Decken ausgebreiteten Billig-Imitate der Gucci- und Louis Vuitton-Taschen sagen viel über den Zustand von Palmas einst wichtigster Altstadtstraße aus. Dabei sind die schwarzafrikanischen Straßenhändler, die am Beginn des Carrer Sant Miquel an der Plaça Major um Kundschaft buhlen, eigentlich noch einer der charmanteren Nebeneffekte der Globalisierung: Filialen der internationalen Klamotten- und Modeschmuckläden findet man schließlich auch in jeder x-beliebigen europäischen Kleinstadt.

Das nicht mal drei Meter breite Geschäft „Bordados Valldemossa", in dem Teresa Binimelis in dritter Generation handbestickte Tischdecken, Servietten und Stofftaschentücher verkauft, wirkt da wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. „Viele Touristen bleiben hier stehen und machen Fotos", erzählt die Mallorquinerin stolz. Kein Wunder auch, der Rest sei schließlich austauschbar - und für Urlauber sicherlich enttäuschend. „Dafür braucht man ja wohl nicht nach Palma kommen."

Trotzdem scheint jeder Insel-Besucher zumindest einmal die Fußgängerzone Sant Miquel zu passieren. Strandurlauber tun dies bevorzugt, wenn sich zur Hochsaison doch einmal ein paar Wolken vor die Sonne schieben - weshalb an solchen Tagen vor allem auf den ersten, recht engen 200 Metern kein Durchkommen mehr ist. Der Großteil der weiblichen Passanten dürfte früher oder später in einem der 19 Schuhgeschäfte hängen bleiben - wobei von der Billigsandale aus Fernost bis zur mallorquinischen Hipster-Marke Camper alles vertreten ist. Mancher schafft es vielleicht sogar bis zur Kirche Sant Miquel, die der Straße ihren Namen gab und ab 1632 auf dem Grundstück einer einstigen Moschee erbaut wurde, die schon ab dem 13. Jahrhundert als christliches Gotteshaus diente. Als Ortsunkundiger kann man allerdings auch versehentlich in eine der anderen Kirchen geraten - rechter Hand befinden sich noch Santa Catalina de Siena, die die russisch-orthodoxe Pfarrei Natividad del Señor beherbergt, und Sant Antoniet, vor der von 1926 bis 1959 die Straßenbahn nach Establiments abfuhr.

Nun bietet Carlos Díaz vor dieser Kirche Stierbilder in allen Farben und Formaten feil. Seit inzwischen 25 Jahren halte er in Palmas längster Altstadtstraße die Stellung, erzählt der Madrilene. Doch die Geschäfte gingen immer schlechter, seit 2007 die Krise kam. „Ich verkaufe Kunst, kein Brot." Wobei sich die Einheimischen eh nie für seine Werke interessierten, seine Kunden bestünden zum Großteil aus Urlaubern.

Noch drastischer zu spüren bekamen die wirtschaftliche Flaute indes die kleinen Händler, die in der ­Straße längst auf eine Handvoll

zusammengeschrumpft sind. „Früher gab es hier viele Stoffgeschäfte", erzählt Andrés Campins. Eines hatte sein Großvater 1918 gegründet, vor sechs Jahren gab die Familie es auf, weil es nicht mehr rentabel war. Ein anderes, „Tejidos Bellver" schräg gegenüber, verkauft inzwischen Handtücher und Schuluniformen. Campins selbst hatte schon 1989 umgesattelt und im oberen Stockwerk der Hausnummer 59 ein Reisebüro eingerichtet. „In drei Jahren hab auch ich es geschafft, dann geh ich in Rente." Seine bewährte Methode, die Preisschilder für Flugangebote in südamerikanische oder asiatische Großstädte von Hand auszuschneiden und auf ein Reklameschild zu kleben, wird er bis dahin vermutlich nicht mehr ändern.

Ein weiteres Traditionsgeschäft, Espardenyaria Llinàs, wird am 1. Mai schließen, bis dahin gibt es Schuhe, Socken und Taschen zu Schleuderpreisen. Dass sich längst ein neuer Pächter gefunden hat, wird als positives Zeichen gewertet: Die Straße sei eben sehr begehrt, heißt es. Dass es sich um eine Franchisekette handelt, überrascht wenig.

Gewandelt hat sich auch der obere, wesentlich breitere und für Autos freigegebene Abschnitt der Straße. Das ehemalige Militärkrankenhaus beherbergt heute das Museum für Miliärgeschichte und ein Altenheim, an dessen Fassade ein Schild an das 1912 abgerissene Stadttor Santa Margarita erinnert. Wo 2013 das traditionsreiche Farben- und Tapetengeschäft Casa Pomar seine Pforten schloss, befindet sich jetzt das schicke und stets proppevolle Restaurant „Buscando el Norte". Nur die beiden Zapfsäulen gegenüber stehen noch immer an Ort und Stelle - sind aber versiegt, seit Tankwartin María Sanz im Februar nach 40 Jahren in Rente gegangen ist.