Dass das hier früher eine besondere Straße war, lässt der verwaschene Kilometerstein am Anfang nahe der Plaça Abu Yahya immerhin erahnen: Er ist fast einen Meter hoch, und auf ihm steht Nationalstraße Nr. 711.

Camino Real, königlicher Weg, hieß die heute Alfons el Magnànim heißende Ausfallstraße von Palma nach Sóller jahrhundertelang. Als der Ingenieur Bernardo Calvet die Straße 1901 in seine Stadtplanung einbezog, erhielt sie einen anderen Namen: Calle F. Und in den Zeiten der Republik rückte man von allem Königlichen ab: 1933 wurde die Straße nach dem 1920 wegen seiner revolutionären Ideen ermordeten katalanischen Anwalt Francisco Layret benannt.

Nach dem Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) tauften die siegreichen Franquisten den ehemaligen Königlichen Weg in Carrer Capitán Salóm um. Sie ehrten damit einen aufständischen Militär, der im August 1936 im Kampf gegen aus Menorca übergesetzte republikanische Truppen fiel. Erst 2008 wurde die Straße von dem politisch belasteten Namen befreit, was die Gewerbetreibenden zu Proteststürmen trieb. Sie heißt seitdem Alfons el Magnànim. Dieser König lebte von 1396 bis 1458 und herrschte über Aragonien, Valencia, Mallorca, Sizilien, Sardinien und sogar Neapel.

Was früher ein wichtiger Landweg jenseits des schon lange nicht mehr existierenden Stadttors Portada Pintada war, ist heute eine pulsierende und geschäftige Stadtader mit Hochhäusern und dichtem Verkehr. Eine Straße mit ganz eigenen Markenzeichen, die sie von anderen unterscheidet.

Da sind etwa die unzähligen Balkons und die nicht weniger als sieben Edelküchengeschäfte, die sich zwischen der nach dem letzten arabischen Inselherrscher benannten Plaça Abu Yahya und der Ringautobahn um Palma befinden. Dort kann man neben stilvoll geschwungenen Waschbecken auch weitere Dinge erstehen, die man in dieser nicht über Gebühr feinen Gegend nicht erwartet - bunte Designerwaschbecken, -toaster oder -saftpressen etwa.

Da sind auch die vielen Nagelstudios und Kosmetik-Geschäfte oder die beiden Musikfachläden in der Nähe des 1999 eingeweihten, elegant-zurückhaltenden Konservatoriums der Architekten Jaume Coll und Judit Leclerc im nördlichen Viertel El Amanecer, wo Saxofone, Geigen und sogar Steinway-Flügel angeboten werden. Oder die vielen stilistisch zwischen sehr einfach und schick oszillierenden Eckbars. Wobei am südlichen Ende der Straße eine unauffällige Pinte namens „Riu Dolç" besonderes Erstaunen hervorruft: Die Gardinen sind sinniger­weise mit grünfarbenen Birnen verziert.

Die Magnànim-Straße ist zum einen plebejisch und zum anderen elegant: Manchen Mehrfamilienhäusern besonders in der Nähe des Konservatoriums mit gewagt geschwungenen Zementbögen, stilvollen Außentreppenhäusern oder in sämtlichen Tönen des Regenbogens gehaltenen Fenstern sieht man an, dass sie nicht einfach schnell hingeklotzt wurden, sondern dass hier Profis am Werk waren, die etwas Erbauliches schaffen wollten. Auch das 500 Meter weiter südlich ­gelegene, 1942 eröffnete und 1976 erweiterte Gebäude des Roten Kreuzes der Balearen strahlt einen gewissen Charme aus. Ein wenig irritierend wirken dagegen zahlreiche versiffte ehemalige Geschäfte, die mit eisernen und mit Graffitis beschmierten Rollläden verschlossen wurden. Oder verfallende, lediglich zwei- oder dreistöckige Häuser von Anfang des 20. Jahrhunderts, in welchen noch immer Menschen wohnen. In diese unschicke Kategorie fällt auch die beim Konservatorium liegende Cervecería Cruz. Die verströmt mit ihren gelb-grünen Kacheln an der Außenwand einen leicht ranzigen, eher altspanischen Charme.

Der etwa zwei Kilometer lange Carrer Alfons el Magnànim ist ein zusammengewürfeltes Etwas, das dennoch keineswegs hässlich oder bedrückend daherkommt. Selbst die Autowerkstätten, ein ehemaliges Militärgelände mit quadratischen Mini-Wachtürmen nahe der Autobahn und die offensichtlich bedenkenlos an die Straße geklatschten Gebäude des Landeserziehungsministeriums und der Sekundarschule Josep M. Llompart weiter südlich stören das nicht unangenehme Ganze kaum. Was auch für den klobigen Eroski-Supermarkt gilt, an einer von deren Kassen Teresa zeitweise sitzt. „Die Wohnungen hier sind sehr hell und gut", weiß sie. „Ich arbeite gern in dieser Gegend."

„Das ist eine Wohn- und Geschäftsstraße ohne spezielle Ausstrahlung", sagt José, Kellner im zumeist überfüllten Lokal Bar San Vicente, das schräg gegenüber vom Konservatorium liegt. Ihm ist das sichtlich einerlei. Wichtig ist, dass der Euro rollt und dass hier mehr Gäste hinfinden als in die benachbarte Dependance der Skalop-Kette oder in das Restaurant Bon Profit. Mit Tapas-Bier-Kombinationen für wenig mehr als einen Euro und ebenfalls preisgünstigen Pa amb Olis gelingt den Betreibern der Bar San Vicente das spielend.