Ein beharrlicher Gelenkschmerz lehrte Andrés Louro minutiös zu denken. Der Handwerker fertigte für Museen auf dem spanischen Festland große Steinwurfmaschinen originalgetreu wie im Mittelalter. Wegen einer Arthrose kam er vom monströsen Katapult zu den filigranen ventanas al pasado, wie er die Schaukästen in die Vergangenheit nennt, die er zusammen mit seiner Frau Silvia Noguera anfertigt und in einem neu eröffneten Geschenkartikelgeschäft in Palma verkauft (vier Größen ab 28 Euro).

Als ihr Sohn geboren wurde, schenkten sie ihm eingerichtete Spielzimmer in Miniaturform. Dort gab es alles, was Kinderherzen höher schlagen lässt: Bauklötze, Autos, Bälle, Teddys. Mehrere Hundert Stillleben hinter Glas sind in den vergangenen acht Jahren entstanden, darunter auch Auftragsarbeiten von der Bodega über die Landhausküche bis zum Schulzimmer - immer bis ins Detail ausgearbeitet. Im Estanco kann man jede Zigarettenmarke erkennen, in der Schusterwerkstatt liegen Lederreste neben der Schleifmaschine auf der Werkbank und der alte Behandlungsstuhl in der Zahnarztpraxis erinnert an Albträume aus der Kindheit. „Das sind oft sehr emotionale Themen, weil wir dokumentieren möchten, wie es in einer Werkstatt oder im Krämerladen zuging, als wir jung waren", erzählt Silvia Noguera. Die Mallorquinerin

sattelte vom Bürojob aufs Handwerk um, als sie ihren Mann kennenlernte.

Andrés Louro erbte die Fingerfertigkeit von seinen Vorfahren, darunter Tischler, Schmiede, Restaurateure, Polsterer. In Uruguay geboren, reiste er mit drei Jahren in Richtung der galici­schen Heimat zurück. Als das Passagierschiff in Barcelona festmachte, beschlossen seine Eltern spontan, nach Mallorca überzusiedeln, da die Insel in den 60er-Jahren den ersten Touristenboom erlebte. Andrés´ deutscher Großvater vermachte ihm den zweiten Nachnamen: Rehermann. Deutsch wurde zu Hause aber nie gesprochen, bedauert Andrés. Zusammen mit Silvia besucht er daher seit ein paar Wochen einen Sprachkurs in Deutsch - wegen der vielen deutschen Besucher im Laden.

Dieser neue Laden Evocarte, ein Wortspiel zwischen ­evocar (erinnern) und arte (Kunst), ­befindet sich im ehemaligen Silber-Viertel (Carrer Argenteria). Auf zwei Ebenen stellt das Paar neben den Schaukästen auch Arbeiten von 15 bis 20 weiteren spanischen und mallorquinischen Kunsthandwerkern aus, die sie auf Messen in den vergangenen Jahren kennenlernten. Im einsehbaren Untergeschoss ist die ­Werkstatt eingerichtet, hier werden Möbel restauriert, und Besucher können dem Paar über die Schulter sehen, wenn es seine Schaukästen bestückt. Alle Teile dafür werden in Originalmaterialien hergestellt, damit sie so echt wie möglich wirken. Zum Einsatz kommen beispielsweise Holz, Keramik, Gips, Glas, Papier, Stoff, Eisen, Kork und Harz.

Die Werkstoffe der übrigen im Laden ausgestellten Arbeiten sind ähnlich vielfältig. Da gibt es Schmuck aus Papier, Leder und Cellulose. Marionetten aus Holz und Stoff, Keramikfiguren, die eine Wand hochklettern, T-Shirts bedruckt mit verschiedenen Motiven wie Mandelblüten oder einem Wiedehopf, den man auf Mallorca in freier Natur beobachten kann. Es gibt alte Holzfensterläden, die geöffnet einen Spiegel freilegen, von Hand gefertigtes Porzellan, Taschen aus mallorquinischen Stoffen. Dazwischen findet man auch Antiquitäten wie ein Kinderbett aus Eisen, alte Lederkoffer, Tisch-Ventilatoren oder eine alte Schulbank mit Pult zum Aufklappen - darin liegen noch die original Schulhefte von 1948.

Doch nicht alles im Geschäft ist von Hand gefertigt. Um zu Anfang möglichst breit aufgestellt zu sein, entschieden sich Andrés und Silvia auch für auf alt getrimmte Vintage-Objekte. „Unser Ziel ist auf jeden Fall, das Kunsthandwerk zu stärken", erklärt Andrés.