Die heute in vielen Ländern als Delikatesse geltenden Schnecken waren früher vor allem ein „Arme-Leute-Essen" und zudem eine beliebte Fastenspeise in Klöstern, da sie weder als Fisch noch als Fleisch galten. Die „Fira del caragol" wurde 2001 in Sant Jordi ins Leben gerufen und erfreut sich seither ständig wachsender Beliebtheit. Für dieses Wochenende rechnen die Veranstalter mit bis zu 12.000 Besuchern. Josep Lendínez ist als Beamter in den Bereichen Umwelt, Landwirtschaft und Fischerei tätig. Der 60-Jährige hat sein ganzes Leben in dem kleinen Ort verbracht und ist von Beginn an für die Durchführung der mittlerweile sechzehnten Auflage der Schneckenmesse verantwortlich. Neben zahlreichen anderen Aktivitäten sind dabei vor allem die beliebten Schneckenrennen ein Höhepunkt des vielfältigen Programms.

Herr Lendínez, wie muss man sich den Ablauf eines Schneckenrennen genau vorstellen?

Das wichtigste Hilfsmittel sind kleine Sprühflaschen, mit denen die Teilnehmer Wasser auf ihre Schnecken sprühen. Durch diesen künstlich erzeugten Niederschlag kommen die Schnecken wie bei Regen aus ihrem Haus und werden zur Fortbewegung stimuliert. Auch Salatblätter sind dabei als Lockmittel erlaubt.

Welche Siegerzeiten sind dabei zu erwarten?

Die Distanz von Start bis Ziel beträgt ein Meter, die „Schnellsten" brauchen dafür etwa vier Minuten, manche schaffen es auch erst nach über zehn Minuten ins Ziel. Vor allem für die Kinder ist das ein großer Spaß.

Wie entstand 2001 die Idee zur ersten „Fira del caragol" ?

Wir wollten etwas Neues und vor allem Ausgefallenes bieten, zumal die Landwirtschaft auf Mallorca ja immer weiter zurückgedrängt wurde. Damals gab es auf der ganzen Insel keine einzige gewerbsmäßige Schneckenzucht, obwohl in keinem mallorquinischen Restaurant caragols auf der Speisekarte fehlen dürfen.

Wo kamen die Schnecken her?

Die Nachfrage wurde mit Importen von großen Schneckenzuchten auf dem spanischen Festland sowie in Marokko gedeckt. Heute hingegen deckt die heimische Produktion zumindest einen Teil des Bedarfs. Nicht zuletzt dank unserer Messe gibt es momentan auf Mallorca zahlreiche professionelle Schneckenzuchten. Sie sind auf der fira vertreten.

Was genau erwartet die Besucher?

Am Samstagnachmittag finden ab 16.30 Uhr die Rennen statt und danach mehrere Kochkurse für ­Erwachsene und Kinder mit typischen Schnecken-Gerichten, die dann auch bei einem gemeinsamen Abendessen verspeist werden. Am Sonntag gibt es einen großen Markt mit einer Ausstellung von zahlreichen heimischen Tierarten. Den ganzen Tag über sorgen Musik und Tanz sowie eine gigantische Ensaïmada von zwei Meter Durchmesser für gute Laune.

Wie viele Schnecken werden an diesem Wochenende verzehrt?

Über 3.000 Kilo werden es bestimmt sein, alle natürlich nur von der Insel.

Wie werden Schnecken zubereitet?

Am beliebtesten ist immer noch die traditionelle Zubereitung mit Kräutern. Wir bieten auch die sonntägliche Paella in einer Variation mit Schnecken an. Und nicht zuletzt erfreuen sich „Schnecken vom Blech" zunehmender Beliebtheit. Sie werden dazu auf dem Backblech mit Knoblauch, Olivenöl, Paprika, Salz und Pfeffer in den Ofen geschoben.

Was kann man sonst noch so mit Schnecken machen?

Auf der Insel wird eine ausgezeichnete Schneckenpastete hergestellt, die mallorquinische paté de caragol, die als Brotaufstrich oder zur Füllung von Blätterteigpasteten verwendet werden kann. Außerdem entwickeln Kosmetikherstellern auf der Basis von Schneckenschleim Hautcremes, die als extrem wirksam gegen Falten, Flecken oder Narben gelten.

Wie alt werden Schnecken?

Das hängt immer etwas von den äußeren Umständen wie Klima und Höhenlage ab, meist aber zwischen vier und fünf Jahre. Die auf Mallorca typische caragol bover (Gefleckte Weinbergschnecke, wissenschaftlich Helix aspersa) ist wesentlich kleiner als die deutsche Weinbergschnecke und bevorzugt ein milderes Klima. Sie ist an den Mittelmeerraum angepasst und könnte die kalten Winter in den nördlicheren Ländern nicht überstehen.

Hat der geringe Niederschlag des Winters auch negative Auswirkungen auf die Zucht gehabt?

Ja. Da die Schnecken bekanntlich bei Regen aus ihren Häusern hervorkommen, aktiv werden und somit letztendlich Nahrung zu sich nehmen, war dies während der letzten Monaten eher selten der Fall. Niederschlagsarme Winter sind somit zugleich magere Jahrgänge für die Schneckenzüchter.

Welche Bedeutung hat die Messe für Sant Jordi?

Die fira hat unserem kleinen Ort, der offiziell zu Palma gehört, wieder einen Teil seiner Identität zurückgegeben, die während der vergangenen Jahrzehnte verloren gegangen war. Ich selbst bin 1955 in Sant Jordi geboren. Damals ermöglichten Tierhaltung und Landwirtschaft den Bewohnern von Sant Jordi noch ein gesichertes Auskommen. Heute leidet man hier vor allem unter der ex­tremen Belastung durch den Fluglärm und den unangenehmen Gerüchen der nahe gelegenen Kläranlage.

Überzeugen Sie uns, warum man unbedingt mallorquinische Schnecken probiert haben sollte!

Abgesehen vom vorzüglichen Geschmack sind sie auch noch gesund. Schneckenfleisch enthält viel Eiweiß und ist zudem reich unter anderem an Eisen, Kalzium und Magnesium. Nicht zuletzt deswegen lautet ein altes mallorquinisches Sprichwort: „Wer zum Heiligen Markus am 25. Abril Schnecken ist, erfreut sich das ganze Jahr über an guter Gesundheit" (Qui menja caragol per Sant Marc gaudeix de bona salut tot l'any).