Die Avenida Picasso ist eine recht grüne Straße mit vielen Kurven, vielen Ruhebänken, Mehr- und Einfamilienhäusern, Schulen und Zahnkliniken. Sie führt sogar über das Bett eines Sturzbachs - den Torrent de Sant Magí. Geschäfte finden sich nur ganze drei auf der teilweise mit einem begrünten Mittelteil versehenen Straße, die vom Carrer Andrea Doria in Sichtweite des seit Jahren leer stehenden Son-Dureta-Krankenhauses zum Kreisverkehr an der Straße zum Vorort Son Rapinya führt. Davon sind zwei eher profane Parkettläden. Auch Cafés gibt es lediglich zwei, und eines davon hat auffallend hässliche orangefarbene Plastikstühle.

Richtig trubelig wird es in diesem gutbürgerlichen Viertel nur morgens und nachmittags, und dann auch nur kurzzeitig, wenn die Mütter und Väter ihre Kinder in zwei großen Privatschulen abliefern - die renommierte San ­Cayetano mit derzeit etwa 1.700 Schülern und das hinter massiven Werbetafeln etwas versteckt in einem braungrauen Gebäude hinter Maschendrahtgittern liegende Collegi Sagrat Cor. Letztere, etwas bedrückend wirkende Schule, wird von der Nebenstraße Pare Antoni Oliver aus betreten und kann immerhin auf ein denkwürdiges Ereignis zurückblicken: Ende April 1956 war hier zu Besuch der Fürst von Monaco Rainier III. samt Grace Kelly, die er gerade erst mit allem Pipapo geheiratet hatte.

Dennoch macht San Cayetano einen erheblich mondäneren Eindruck: Die großzügig und fast wie auf einem Golfplatzgelände liegende Anlage des Architekten Juan de Haro wurde 1963 eröffnet und 1973 von dessen Kollegen Eugenio Lafuente zu einem weiträumigen, fast an ein Sanatorium erinnernden Komplex erweitert. Bevor hier die Schule entstand hatten sich hier 1891 die auf der Insel lebenden Mitglieder des Ligurianer-Ordens niedergelassen - nicht in einem Kloster, sondern kommunenartig in einem ländlichen Komplex. Als sie 1910 mit dem Theatiner-Orden fusionierten, gründeten sie ein Ausbildungszentrum samt Kapelle, die Wurzel der späteren Schule.

Sobald der Nachwuchs abgeliefert oder abgeholt ist, wird es jedenfalls wieder ruhig in der Avenida Picasso, die am 26. März 1981 nach dem berühmten Maler (1881-1973) aus Málaga benannt wurde, vorher eher unprätentiös Avenida Sindical (Gewerkschafts-Straße) geheißen hatte und ganz früher lediglich eine Begrenzungsstraße zur possessió von Son Dureta war. Dann hört man im Umkreis des Carrer Panama die Wachhunde in den mit Alarmanlagen ausgestattete Villen kläffen, und der Wind pfeift leise durch die Palmgipfel, während in Blickweite der graue und leere Son-Dureta-Klotz weiter seiner endgültigen Bestimmung harrt.

Die Avenida Picasso liegt zwar mitten in der Stadt, aber dennoch wirkt die Atmosphäre ländlich-luftig - ein bisschen so wie in einem ruhigen Vorort einer australischen ­Großstadt. Ein hinter Spiegelglas befindliches Fitness-Zentrum wie das großflächige Illes mit

Thermalbädern, Krafträumen, einem Laden und einem Restaurant passt da perfekt ins Bild. Und auch die Juaneda-Zahnklinik auf der Höhe Nummer 45 und das Fachärzte-Zentrum Clínica Picasso auf Nummer 57 für die vor allem auch deutsche Klientel fügen sich wie Puzzleteilchen ein.

Angesichts all dieser Modernität fallen die Restbestände von ganz früher umso stärker ins Auge in der Avenida Picasso. Das ein oder andere dieser typischen zweistöckigen Palmesaner Arbeiterhäuschen vom Ende des 19. Jahrhunderts steht noch, hier und dort sind aber Baulücken auszumachen, und man kann sich denken, dass hier beizeiten etwas Moderneres hinkommen wird.