In Palma ist Santa Catalina bereits fest in ausländischer Hand. Im einstigen Fischerviertel reihen sich hippe Boutiquen, schicke Restaurants und aufwendig sanierte Häuser aneinander, deren Kunden oder Besitzer nicht selten schwedischer, deutscher oder britischer Herkunft sind. Gute 30 Kilometer entfernt, auf der anderen Seite der Tramuntana-Berge, im beschaulichen Hafenörtchen Port de Sóller, bahnt sich inzwischen eine ganz ähnliche Entwicklung an - und zwar ebenfalls im Fischerviertel Santa Catalina.

An der Hafenfront, wo früher Fischernetze zum Trocknen auslagen, stehen heute Tische und Stühle der von Jahr zu Jahr mehr werdenden Bars und Restaurants. „Wir wurden längst verdrängt, hier gibt nun der Tourismus den Ton an", sagt Pep Mayol, der Vorsitzende der Fischerzunft, die heute nur noch über zehn Boote verfügt - ein Drittel des Bestands von vor 20 Jahren. Im Viertel lebten heute nur noch die alten Fischer, die längst im Ruhestand sind. „Aber für die ist es nun vorbei mit der Ruhe", sagt Mayol.

Über den Lärm an der „Fun-Meile" von Port de Sóller klagt auch eine deutsche Residentin, die sich bereits vor 20 Jahren ein Häuschen in vorderster Meereslinie gekauft hat. Von ihrem Balkon aus sah sie damals noch auf die Gebäude einer Militärbasis. Mit dem Abriss der Anlage 2003 bekamen die Anwohner freie Sicht auf den Hafen - und Santa Catalina nach und nach ein neues Gesicht und eine neue Geräuschkulisse. Tagsüber und abends werde man von der Musik aus den Lokalen beschallt, nachts von so mancher Party auf einer der zahlreichen Yachten im Hafen, erzählt die Berlinerin. „Und dann ständig diese Rollkoffer."

Immer mehr Häuser und Apartments werden mittlerweile über einschlägige Internetportale wie Airbnb an Touristen vermietet. Andere Eigentümer entscheiden sich gleich zum Verkauf - allein im Carrer Mallorca hängt derzeit ein knappes Dutzend „Se vende"-Schilder. Die neuen Besitzer tragen oftmals ausländische Namen. „Junge Mallorquiner gibt es hier kaum mehr", sagt Fischer Pep Mayol - wohl wissend, dass viele lieber das Geld nehmen und dafür das Elternhaus ausländischen Touristen oder Investoren überlassen.

Denn je angesagter das Viertel bei Ausländern wurde, desto höher kletterten die ­Immobilienpreise. Eine kleine, dunkle Erd­geschoss­wohnung, in der bis vor Kurzem eine alte Frau lebte, stehe nun für 300.000 Euro zum Verkauf, erzählt eine Anwohnerin. Das Gebäude ist ­völlig ­heruntergekommen, innen sei es feucht, doch die Lage scheint den Preis zu rechtfertigen.

Dass sich nur Ausländer in Santa Catalina einkaufen, kann Uli Trautmann vom Engel?&?Völkers-Immobilienbüro in Sóller allerdings nicht bestätigen. „Wir haben auch spanische Kunden." Außerdem habe der Wandel, der mit dem Hafenumbau ab 2003 und der Verkehrsberuhigung an der Mole einsetzte, dem Viertel durchaus gutgetan. „Das hier war vor 20 Jahren eine gruselige Ecke."

Ganz ähnlich sieht es Ana, die Inhaberin eines Schreib- und ­Haushaltswarengeschäfts im Carrer de Santa Apol·lonia, die in dem Viertel aufgewachsen ist. „Hier hat sich viel verändert, aber zum Positiven." Zwar sei es richtig, dass man nicht mehr mit offenem Fenster schlafen könne. „Aber wir befinden uns hier auch nicht auf einer abgelegenen Finca, sondern in einem lebendigen Dorf." Der Tourismus habe hierzu einen wesentlichen Beitrag geleistet - wichtig sei nur, dass die Sache nicht außer Kontrolle gerate, so Ana.

Um das zu verhindern, hat sich inzwischen sogar eine Bürgerini­tiative gegründet, die gegen die weitere Ausbreitung der Restaurants und Souvenirläden ankämpfen will. Mit einer Unterschriftensammlung wolle man die Gemeindeverwaltung in Sóller dazu bewegen, keine weiteren Lizenzen zu vergeben und Santa Catalina zum reinen Wohnviertel zu deklarieren - das es jahrzehntelang war. „Wir müssen etwas tun für den Erhalt des ältesten Viertels in Port de Sóller, das ist unser Schmuckstück", sagt eine Frau aus der Bürgerinitiative, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Ich bin auch Touristenführerin", sagt die Mallorquinerin - und als solche weiß sie sehr genau, dass das alles eine schmale Gratwanderung ist. Man müsse ein Gleichgewicht finden, um einerseits dem Tourismus und andererseits der Lebensqualität der Einheimischen gerecht zu werden.

Bei Sóllers Stadtrat Jaume Mateu stoßen die Anwohner mit ihren Bedenken auf offene Ohren. Durch die immer größer werdenden Terrassen der Bars und Restaurants gehe Lebensraum für die Bewohner verloren. „Hier können wir als Gemeinde aber Abhilfe schaffen, indem wir die entsprechende Verordnung und die städteplanerischen Vorgaben ändern", so Mateu. Die Rathaus-Juristen loteten derzeit die entsprechenden Möglichkeiten aus.

Schwieriger werde es dagegen bei der Ferienvermietung. Um dem ausufernden Angebot an Airbnb-Wohnungen Einhalt zu gebieten, müsse man zunächst abwarten, bis die Balearen-Regierung hierzu eine gesetz­liche Regelung erlässt. Danach könne die Gemeinde weitere Einschränkungen vornehmen - was aus der Sicht von Stadtrat Mateu durchaus sinnvoll scheint. „Wenn deine Nachbarn alle sieben Tage wechseln und du abends auf der Straße kein Schwätzchen mehr halten kannst, weil da nur noch Fremde rumlaufen, schmälert das die Lebensqualität ungemein", sagt er.

Einer der jüngsten Neuzugänge im Viertel ist der tschechische Pop-Art-Künstler Richard Augustin, der im April an der Hafenpromenade eine Galerie eröffnet hat. „Das hier ist ein Paradies", sagt er, muss aber gleichzeitig eingestehen, dass seine Kunst den Einheimischen keinen nennenswerten Nutzen bringt. Seine Kunden seien zu 100 Prozent Touristen. „Ich verstehe die Sorge der Einheimischen und ihr distanziertes Verhalten sehr wohl", sagt Augustin - der sich nichtsdestotrotz um Anschluss bemüht. Drei Monate habe es gedauert, bis ihn sein mallorquinischer Nachbar das erste Mal grüßte. „Aber jetzt bringt er sogar Geschenke für meine kleine Tochter vorbei."