Bei mehr als 35 Grad - wie dieser Tage auf Mallorca üblich - gibt es nur drei Möglichkeiten, um halbwegs bei Sinnen zu bleiben: ein Sprung ins kühle Wasser, der Aufenthalt in einem klimatisierten Raum oder der Gang in eine der vielen Höhlen. Wir entscheiden uns für die dritte Möglichkeit und fahren von Palma auf der Inca-Autobahn zu den Coves de Campanet. An diesem Freitag (29.7.) um 11 Uhr sind mehr als 25 andere Menschen auf die gleiche Idee gekommen. Sie sprechen Spanisch, Deutsch, Englisch, Holländisch und Dänisch.

Der Guide

Den Holländer Carl de Vries lässt dieses Sprachenwirrwarr kalt. Der Guide, der seit Mitte der 90er-Jahre auf Mallorca lebt und seit 2006 durch die 1945 entdeckte Höhle führt, zieht seine Führung routiniert auf Spanisch, Deutsch und Englisch durch. Heute teilt er sich die sechs Touren mit einem Kollegen. „Die Höhle ist wie ein kleinteiliges Bild", sagt er. „Man entdeckt immer wieder etwas Neues." De Vries ist im Gegensatz zu seiner Lebensgefährtin kein Höhlennarr, aber hier unten kennt er fast alles - auch in für Besucher nicht zugänglichen Ecken.

Wohlbekannt ist ihm ein vier Meter und nur vier Millimeter langer Stalaktit, der von der ­Decke gewachsen ist, also ein aus Kalkablagerungen bestehender Tropfstein, der sich über Jahrmillionen gebildet hat. „Der ist der längste und dünnste in Europa", sagt Carl de Vries während des knapp anderthalbstündigen Rundgangs durch die 3.200 Quadratmeter große Höhle mit den vielen mal dickeren und mal ­dünneren Stalagmiten und Stalaktiten. Das Quecksilber misst hier das ganze Jahr über nur 21 Grad, die Besucher atmen hörbar durch.

De Vries zeigt mit einer Taschenlampe auf allerlei Auffälligkeiten - etwas einen durch eine Art Netz abgetrennten „Spaghetti-Garten" mit hauchdünnen halblangen Stalaktiten. Und im „Palmenraum" deutet er auf ein Gebilde, das eben danach aussieht.

Die Gruppe

Heute sind viele Kinder und Jugendliche mit von der Partie. Harry aus London-Islington macht mit seiner Familie auf Mallorca Urlaub und sagt: „So etwas Schönes habe ich nicht erwartet." Clara aus Österreich ist ähnlich angetan. „Die Farben sind so beeindruckend", flötet sie.

Das nehmen wir mit

Was von der Campanet-Höhle hängen bleibt, ist nicht nur die Gewalt der Farben, sondern auch die Ästhetik der Formen. Ob fein ziselierte Faltenwürfe, fächerartige Gebilde oder glänzende Beulen - hier unten zeigt sich unverfälscht die Kreativität der Natur. Es lohnt sich auf jeden Fall, hier oder in einer anderen Insel-Höhle vorbeizuschauen. Die Tatsache, dass der kalkhaltige Boden Mallorcas löcherig wie Schweizer Käse ist, lässt einen nicht unbeeindruckt. Und man nimmt die Ahnung mit, dass hier unter der Erde wohl noch so manches der Entdeckung harrt.

Wann, wie, wo

Die Campanet-Höhle (ab Palma-Inca-Autobahn ausgeschildert) ist im Besitz einer mallorquinischen Familie und hat jeden Tag von 10 bis 18.30 Uhr geöffnet, die erste Tour beginnt kurz nach 11 Uhr. Billig ist das Vergnügen nicht: 14 Euro kostet der Eintritt für einen Erwachsenen, 4 Euro für ein Kind - das ist happig für diese nicht allzu große Höhle. Die Tickets können auch vorab online erstanden werden: www.covesdecampanet.com. Vom angeschlossenen Restaurant, das auch nach der Schließung der Höhle noch bis zum Sonnenuntergang geöffnet hat, kann man seinen Blick weit ins Land schweifen lassen.