Es war eine pfiffige Idee, die Joan Puigserver 2013 hatte: auf seiner 18.000 Quadratmeter großen Zitrusplantage Rundgänge anbieten. „Meine Ehefrau und ich erbten die Finca 2009, und nur vom Ernten von Orangen und Zitronen könnten wir bei den unverschämt niedrigen Marktpreisen nicht leben", sagt der 66-jährige Rentner und freut sich, dass so viele Besucher die ausdrücklich nicht mit Chemikalien gedüngten Bäume auf der Ecovinyassa-Farm am nordöstlichen Ortsrand von Sóller bestaunen wollen. Derweil ist Gattin Sebastiana Massanet in einer erst vor einigen Monaten errichteten Hütte zugange, wo Früchte und Marmelade verkauft werden.

Der Guide

Der ehemalige Bauunternehmer Joan Puigserver hat schon immer seinen Lebensmittelpunkt in Sóller gehabt und weiß wohl, dass Orangen auf kältemüde Mittel- und Nordeuropäer eine besonders anziehende Wirkung ausüben. Umso mehr wunderte er sich immer, dass ihnen diese Früchte in Mallorcas Zitrustal nicht wirklich nahegebracht wurden. Und auch viele Menschen aus der einheimischen Bevölkerung blieben außen vor, was Puigserver besonders wurmte. Er hatte sich zuvor auch schon um die Weitergabe anderer Traditionen des Tals an jüngere Menschen bemüht - etwa bei Folklore-Schauen.

Joan Puigserver führt an dem heutigen Freitag (5.8.) eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen aus einer escuela de verano (Sommerschule) durch die Baumreihen mit 25 verschiedenen Zitrusfrucht-Sorten. Von denen stammen fünf aus dem Sóller-Tal, darunter die besonders gut für die Saftproduktion geeignete Canoneta-Orange und die po- und zugleich eiförmige „Cul d´Ou"-Orange. Zwischen den Bäumen laufen ein paar gackernde Hühner herum. Viele Früchte sind schon abgeerntet, aber ovale Peret-Orangen und Valencia-Late-Orangen hängen noch an den Bäumen. „Die werden im August geerntet", sagt Joan Puig­server. „Alle anderen Sorten sind erst zwischen dem Spätherbst und dem Frühling reif."

Der Rundgang unter der brennenden Sonne dauert etwas mehr als eine Stunde, zum Ausruhen hat das Ehepaar an zwei Orten Sitzgelegenheiten eingerichtet. Am ersten stehen in einem mit Eiswürfeln gefüllten Bottich Trinkwasserflaschen bereit, am zweiten reife Orangen zum Selbstschälen. Über 50 fünfsprachige Erklärungstafeln (Katalanisch, Spanisch, Deutsch, Englisch und Französisch) sind über die Finca verteilt. Viele Besucher durchstreifen die Plantage deswegen ohne Joan oder Sebastiana und informieren sich selbst über die einzelnen Orangen-Unterarten und andere Früchte wie Kakis, Feigen oder Quitten, die hier ebenfalls angebaut werden.

Das Ehepaar wohnt in einem Haus auf dem Gelände, die Einnahmen aus den vergangenen Jahren reichten aus, dieses zu renovieren und zu erweitern.

Die Gruppe

Die Sommerschüler aus Sóller saugen bereitwillig ein, was ihnen Joan Puigserver erklärt. Auch Deutsche und Briten sind heute zwischen den Bäumen unterwegs. Urlauber wie Brenda aus Bristol, die mit ihrem Freund hier ist und immerzu „it´s amazing" ruft. „Die weitaus meisten unserer Besucher sind aber Deutsche", weiß Joan Puigserver. „Zur Erntezeit im Frühling kommen noch viel mehr als jetzt."

Das nehmen wir mit

Die über die Jahrhunderte gewachsene Zitrusfrucht-Kultur im Tal von Sóller beruht auf einem ausgeklügelten System des gerecht verteilten Wassermanagements. „Es gibt hier im Tal sechs Quellen, die das ganze Jahr über, also auch im regenarmen Hochsommer, strömen", weiß Joan Puigserver. Das ist einzigartig auf so kleinem Raum auf Mallorca. „Ich bin mit anderen Landwirten an einer dieser Quellen beteiligt und bekomme 15 Stunden lang am Stück pro Woche Wasser, das in ein Bassin, einen safareig, fließt."

Die Stundenzahl verringert sich proportional, je kleiner das Anbaugelände ist. „Es gibt hier Höfe, die nur 300 Quadratmeter klein sind und wo trotzdem Orangen angebaut werden." Jeder Zitrusbauer hat also das ganze Jahr über genügend Wasser, mit dem die durstigen Bäume - ein jeder benötigt mindestens 100 Liter pro Tag - zu bestimmten Zeiten mittels Schlauchsystemen besprüht werden.

Wann, wie, wo

Die an der Straße von Sóller nach Fornalutx gelegene Zitrusfinca (C/. Sa Vinyassa, 3) ist montags, mittwochs und freitags zwischen 10 und 14 Uhr für Besucher geöffnet. Der Eintritt kostet 10 Euro, Kinder unter 14 Jahren zahlen nichts (Anmeldung: www.ecovinyassa.com oder unter der Telefonnummer 615-17 27 50). Im Eintrittspreis enthalten sind auch ein Glas Orangensaft und ein Teller mit Tomatenbroten nach dem Rundgang. Wer noch die benachbarte Landwirtschaftskooperative Capvespre besuchen will, zahlt 12 Euro.