Gut, dass wir die Schirme ausgehändigt bekommen haben. Die blütenweiße Salzkruste reflektiert die Sonnenstrahlen, und ohne diesen Schutz wäre eine Führung durch Mallorcas größte Saline im Hochsommer wohl eine Tortur. Die 170 Hektar große Anlage der Firma Salinas Levante gibt es seit 62 Jahren, 50 Mitarbeiter arbeiten hier, zwischen Campos und Colònia de Sant Jordi, in der Salzgewinnung. Wie einst auch die Römer und die Phönizier.

Der Guide

Clara Cánovas Pérez hat an diesem Donnerstagmorgen eine kleine Gruppe um sich geschart, die sie durch die Sammelbecken und zu dem etwa sechs Meter hohen, übrigens alles andere als weichen Salzberg führt. Die an der Balearen-Universität ausgebildete Umweltwissenschaftlerin hat auch schon als Guide im Cabrera-Nationalpark gearbeitet, dem Colònia de Sant Jordi vorgelagerten Archipel. Das Spezialgebiet der leidenschaftlichen Fischforscherin ist Unterwasserökologie. Sie spricht Spanisch, Katalanisch, Englisch und auch ein wenig Deutsch, das sie sich seit ihrem Arbeitsantritt im März angeeignet hat. „Wir haben viele deutsche Besucher", sagt sie. „Auch immer mehr Franzosen, deswegen lerne ich jetzt auch Französisch."

Die Gruppe

Diejenigen, die heute um 10 Uhr an der ersten von insgesamt fünf täglichen Führungen teilnehmen, sind aber - die MZ-Reporter einmal ausgenommen - Spanierinnen. Pilar etwa kommt aus Palma und interessiert sich besonders für die Frage, warum denn das Wasser in vielen Becken rosa ist. „Das liegt daran, dass sich die Algen, Bakterien und anderen Mikroorganismen bei höherer Salzkonzentration verfärben, um sich effektiver vor der Sonne zu schützen", erklärt Clara Cánovas. Also wie wir mit unseren Schirmen.

Der Prozess

In dem etwa einstündigen Rundgang erklärt uns Clara Cánovas den Prozess der Salzgewinnung. Zunächst wird das Meerwasser in die 90 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen sogenannten Erhitzungsbecken gepumpt. Der mit speziellen Messgeräten festgestellte Salzgehalt in diesem Stadium: 39 Gramm pro Liter.

Sobald sich der Salzgehalt pro Liter durch Verdunstung erhöht, wird das Wasser durch Schleusen in weitere, ein wenig tiefer gelegene Bassins geleitet. Später geht es dann, bei 300 Gramm Salzgehalt pro Liter, von diesen Verdunstungs- in die Kristallisationsbecken. „Der gesamte Prozess vom Meer bis in diese letzten Becken dauert ein Jahr, dann ist das Meerwasser so weit verdunstet, dass das Salz verarbeitet werden kann", sagt Clara Cánovas.

Das bei Campos gewonnene Salz hat mehrere Qualitätskategorien: Was von ganz unten aus dem Becken geholt wird, eignet sich lediglich für die Industrie - etwa zur Herstellung von Spezial­salz für Geschirrspülmaschinen oder von Reinigungsmitteln für Swimmingpools. Normales Speise­salz wird aus ­mittleren ­Schichten hergestellt, es wird bekanntlich in Supermärkten verkauft oder dient als kompakte steinharte Masse etwa Kühen auf Bauernhöfen als Nährstoffspender.

Das ganz oben gebildete Salz ist besonders edel, heißt Flor de Sal und ist mächtig angesagt, seit die Schweizerin Katja Wöhr es Anfang der 2000er-Jahre zu vermarkten begann. Nicht nur MZ-Koch Marc Fosh und seine Insel-Kollegin Macarena de Castro schwören darauf, auch Mallorca-Freund Tim Mälzer ist hin und weg, wenn er dieses Flor de Sal benutzt. In einem Geschäft auf dem Salinen-Gelände wird es in Dosen mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen verkauft. Die Stiftung Warentest bewertete dieses Salz 2013 mit der Note 2,3: Platz 1 unter 36 verglichenen Salzsorten. Eine Kurio­sität am Rande ist, dass dieses Salz besonders gut wird, wenn der Wind besonders beständig sanft aus dem Südosten weht.

Sämtliche Salzvarianten von Salinas Levante werden in einer kleinen Fabrik, deren Inneres den Besuchern allerdings nicht gezeigt wird, zunächst gewaschen. Dann kommen sie getrennt in eine Zentrifuge, später in eine Mühle und schließlich in einen Ofen.

Das nehmen wir mit

Das Salz lebt! In den Becken vergnügen sich Salinenkrebse, die mit ihren höchstens 12 Millimetern mit bloßem Auge nur schwer zu erkennen sind. Sie fühlen sich umso wohler, je höher die Salz­konzentration ist, und richten sich mit Vorliebe in Muschelschalen ein, die in den Becken liegen.

Die Salinenkrebse sind die wichtigste Nahrung der Flamingos, die sich hier von August bis Februar aufhalten. Am Besuchstag tummeln sie sich gerade in den Erhitzungsbecken. Etwa 300 kommen jedes Jahr von der spanischen Halbinsel herüber.

Neben den Mini-Krebsen, den Flamingos und anderen Wasservögeln fühlen sich auch Salikornien in der Anlage wohl. Den widerstandsfähigen Pflanzen, auch Meerspargel genannt, macht das salzhaltige Wasser, das sie aufsaugen, überraschenderweise nichts aus. „Man kann die Spitzen ohne weiteres essen, sie schmecken salzhaltig", sagt Guide Clara Cánovas. In Spanien werden sie in Salate gemischt und zu Fischgerichten gereicht.

Wann, wie, wo

Die Einfahrt zur Saline befindet sich am Kilometer 8,7 an der Straße zwischen Campos und Colònia de Sant Jordi im Süden Mallorcas. Es gibt das ganze Jahr über Führungen. Der Rundgang dauert etwa eine Stunde, auf 15 Schautafeln werden auch auf Deutsch Einzelheiten erklärt. In der noch laufenden Hochsaison geht es montags, dienstags, donnerstags und freitags um 10, 12, 16.30, 17.30 und 18.30 Uhr los. Mittwochs finden die Rundgänge um 11, 13, 16.30, 17.30 und 18.30 Uhr statt, samstags und sonntags um 10, 11, 12.30, 16.30, 17.30 und 18.30 Uhr. Wegen der dann nicht mehr so starken Sonneneinstrahlung sind die Besuche am späten Nachmittag besonders beliebt. Erwachsene zahlen 8 Euro, für Kinder unter 7 Jahren ist der Eintritt frei. Eine Anmeldung ist nicht nötig. Eindringlich empfohlen werden Sonnencreme mit besonders hohem Lichtschutzfaktor und Sonnenbrille. Schirme und Ferngläser werden gestellt. In einem lauschigen Café neben dem Verwaltungsgebäude kann man im Schatten an Tischen etwas trinken.