Benedikt von Laar (51) ist auf artenschutzrechtliche Belange im Naturschutz spezialisiert. Seine Firma Laar Technology & Consulting Ltd. in Klein Görnow (Mecklenburg-Vorpommern) kümmert sich zum Beispiel darum, Tierarten, die durch die EU-Richtlinie Fauna-Flora-Habitat geschützt sind, für die Genehmigung eines Bauvorhabens umzusiedeln. Mitarbeiter fangen die betroffenen Tierarten dann ein und siedeln sie auf Ausgleichsflächen wieder neu an.

Des Weiteren entwickelt das Unternehmen biologische Feld-Methoden. In den meisten Projekten geht es um ökologische Wirkgefüge - damit sind die Auswirkungen gemeint, die bei einer Veränderung einzelner Faktoren das gesamte ökologische System betreffen. Am Beispiel der Palme könnte beispielsweise ein Pestizid, das den Palmrüssler (Rhynchophorus ferrugineus) bekämpfen soll, nicht nur auf den Käfer wirken, sondern Einflüsse auf andere Insekten oder auch Fledermäuse zur Folge haben und die Balance des Systems „Palme" destabilisieren. Seit dem Jahr 2003 arbeitet von Laar für den nachhaltigen Palmenschutz im arabischen Raum.

Sie haben mit der Bioakustik ein System entwickelt, mit dem der Palmrüsslerbefall im Frühstadium entdeckt werden kann. Wie funktioniert das?

Wir arbeiten mit sogenannten Einschubsensoren. Sie werden bei Palmen mithilfe eines Bohrers angewandt. Je nach Untersuchungsobjekt kommen verschiedene Sensoren zum Einsatz. Ja, man kann im Frühstadium des Befalls bestimmen, ob eine Palme befallen ist und um welche Insektenart es sich handelt. Denn wir haben 2008 auf Mallorca nachgewiesen, dass nicht nur der Palmrüssler eingeschleppt wurde, sondern auch der Stem Borer, ein Bockkäfer aus dem arabischen Raum. Es ist es auch wahrscheinlich, dass von dort ebenfalls eine Nashornkäferart eingeschleppt wurde, der Oryctes elegans. Hierbei ergibt sich eine Wechselwirkung zwischen dem picudo rojo und dem Nashornkäfer. Zuerst schlägt der Palmrüssler zu, den Rest erledigt der Nashornkäfer. Häufig ist bei Palmenschädigungen gar nicht bekannt, gegen wen man zu Felde zieht.

Sind die autorisierten Palmenhändler auf den Balearen in der Lage, den Befall festzustellen?

Es ist sehr schwierig, den Befall einer Palme ohne Hilfsmittel zu erkennen. Wenn selbst der Laie sehen kann, dass etwas mit einer Palme nicht stimmt, befindet sich diese in der Regel schon im Endstadium. Meistens ist der Käfer zeit seines Lebens Gefangener der Palme selbst. Er kann sich aufgrund seiner Anatomie kein Schlupfloch fressen, wie es zum Beispiel die Bockkäfer tun. Das Signal zum Austritt kommt in der Regel dann, wenn die Palme instabil wird.

Könnte die Bioakustik hier zum Einsatz kommen?

Mit der Bioakustik könnte man eine Import- und Exportkontrolle umsetzen und somit den Neubefall reduzieren oder gar in Gänze austrocknen. Somit würde auch verhindert, dass weiterhin kontaminierte Ware auf den Balea­ren verkauft wird. Die Messgeräte sind eine Investi­tion, die sich über die Häufigkeit der Nutzung rentiert. Es sind nicht nur die Geräte, sondern auch die Weiterbildung der Anwender, die letztendlich die Qualität der Aussagen bestimmen. Somit scheiden Privatanwender eher aus. Die ausführenden Personen brauchen eine Qualifizierung. Dies sollte mit dem Kooperationspartner umgesetzt werden. Die Krux ist, dass sich das als sehr aufwendig erweist. Die Probleme sind lösbar, aber das braucht Zeit, und die geben die Regierungen den nachhaltigen Lösungen nicht.

Ist der ansteckende Pilz „Beauveria bassiana" eine umweltfreundliche Alternative für befallene Palmen?

Nein, zum einen ist die Anwendung des Schlauchpilzes schwierig und auch nicht zuverlässig, zum anderen ist eine Spezialisierung von Beau­veria bassiana auf Palmrüssler bisher nicht dokumentiert. Ich halte die Freisetzung von biologischen Stoffen für ebenso bedenklich wie Insektizide. Jede Aktion hat eine Gegenaktion zur Folge. Die Anreicherung von unkontrollierbaren Pilzsporen in der Umwelt kann auf Dauer zu neuen Problemen in ganz anderen Bereichen führen. Schmetterlinge können sich an der Palme kontaminieren, aber sie leben nicht so lange, dass die Wirkung eintreten kann. Doch sie hinterlassen infizierte Eier, eine mögliche, sehr schäbige Folgeerscheinung eines scheinbar „biologischen" Mittels.

Werden die Schädlinge mit der Zeit resistent gegen die Gifte?

Mir sind keine Resistenzen bekannt. Käfer entwickeln sich vielmehr im Schutz der Wirtspflanze. Er ist kaum erreichbar, sodass die sehr starken Pestizide ins Leere greifen und eher die heimische Fauna und damit die natürlichen Fressfeinde negativ beeinflussen. Soweit ich informiert bin, gibt es keine Studien, die belegen, dass die Pestizide tatsächlich im Stoffkreislauf aufgenommen werden. Hinzu kommt die Frage, ob eine ausreichende Dosis überhaupt das Ziel erreicht. Denn wenn die Pestizide tatsächlich transportiert werden, müssten sie auch in den Palmwedeln nachweisbar sein. Eine solche Studie ist mir nicht bekannt. Ich denke, dass sich wohl eher Pestizidsümpfe innerhalb der Palme bilden. Viele wenden irgendetwas an und haben sich dabei noch nie mit der Physiologie der Palmen auseinandergesetzt. Palmen haben eine stärkere Verwandtschaft mit den Gräsern als mit den Bäumen, da ihnen das sogenannte sekundäre Dickenwachstum fehlt.

Was halten Sie von der geplanten Zulassung der Insektizide Revive und Revive 2, die mit ­Endotherapie zum Einsatz kommen, aber ein halbes oder sogar ganzes Jahr wirksam sein sollen?

Der Hauptwirkstoff wird schon seit geraumer Zeit in der Veterinärmedizin eingesetzt und hierbei in der Aquaristik gegen Parasiten. Wenn ich mir die Zielorganismen in der Veterinärmedizin anschaue, fehlt mir die Brücke zum Palmrüssler.

Wie sieht es mit den Fressfeinden auf Mallorca aus? Igel sieht man selten auf Palmen, Palmratten schon eher €

Es gibt einige Fressfeinde, im Portfolio sind: größere Fledermausarten, Palmratten, Gartenschläfer und einige Vogelarten. Diese werden jedoch durch den Einsatz von Pestiziden und den Lebensraumverlust in Mitleidenschaft gezogen - das heißt, dass die natürliche Abwehr nicht nur gegen Palmrüssler, sondern auch gegen andere Schädlinge geschwächt wird.

Sie arbeiten an Netzen gegen den Palmrüssler - sind diese nicht eher für Dattel-Plantagen geeignet als für die Pflanzungen auf Mallorca? Man stelle sich mal die Palmenallee am Paseo Maritimo verhüllt vor €

Künstler haben auch schon den Reichstag verhüllt, warum nicht auch einmal eine Palmenallee? Nein, Spaß beiseite, wir arbeiten sowohl bei befallenen Palmen als auch bei Frischpflanzungen mit dieser „mobilen" Quarantäne­methode. Es handelt sich um Spezialnetze, bei denen Maschenweite und Webart entscheidend sind. Diese Methode im privaten Bereich anzuwenden, ist schwierig, da in der Regel nie alle mitmachen und der Nachbar zum Infektionsherd werden kann. Aber so kann man in Kombination mit einer funktionierenden Handelskontrolle den Bestand über ein bis zwei Jahre austrocknen. Dazu müsste dies jedoch als Gemeinschaftsaufgabe verstanden werden.

Auch gefällte Palmen stellen eine Ansteckungsgefahr dar €

In der Praxis sind bislang haarsträubende Dinge passiert. Etwa indem gefällte Palmen mit fresslustigem Innenleben auf offenen Lastern abtransportiert - und Käfer damit großflächig verteilt werden.

Sie haben Felderfahrung mit bioakustischen Auftragsuntersuchungen von Palmen im arabischen Raum, auf den Kanarischen Inseln, Valencia, Rhodos Kreta und Zypern. Warum nicht auf den Balearen?

Die Antwort ist mit einer gewissen Tragik verbunden. Im Jahr 2008 war ich mit zwei Freunden aus dem saudischen Landwirtschaftsministerium und einem Fernsehteam von Arte auf Mallorca. Wir hatten zu dieser Zeit auch einen deutschen Kooperationspartner auf Mallorca, der das Alternativsystem aufbauen wollte. Leider verstarb unser Partner 2009. Wir würden dieses Projekt gerne mit Partnern, die sich in unserem Sinne für die Bekämpfung des Palmrüsslers einsetzen, wieder aufnehmen. Derzeit haben wir leider wenig Kapazitäten hierfür.

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