Wäre man auf dem Anwesen bei Manacor seiner Nase und dem Duft der Grünen Minze gefolgt, hätte man blind eine Garage gefunden, die zum Labor umfunktioniert wurde. Denn hier liegen - auf einer großen Folie am Boden ausgebreitet - vier Kilogramm Pfefferminze der Sorte Mentha spicata (hierbabuena span., herba bona kat.) und verströmen ihr würziges, krautiges Aroma. Tomeu Horrach, im Hauptberuf Krankenpfleger im Hospital de Manacor, wird aus der Pfefferminze für die MZ Pflanzenwasser, auch Hydrolat genannt, des­tillieren. Ein reines Naturprodukt, das in der Aromatherapie eingesetzt wird.

Gelernt hat er die Extraktion der Pflanzenwirkstoffe vor gut acht Jahren bei der Teilnahme an einem Kurs des Buchautors und Leiters des Instituto de Aromaterapia Integrada in Barcelona, Enrique Sanz. Das war der Einstieg zum Alchimisten, seither beschäftigt er sich mit aromatischen Pflanzen und versucht, ihnen ihre Wirkstoffe mittels Wasserdampf zu entreißen. Dafür nutzt er zwei Destillatoren, auch Alambique genannt. Einer von ihnen ist aus Kupfer gefertigt, der andere aus nicht rostendem Stahl.

Die Destillation

Der Vorgang in dem Alambique aus Stahl dauert nicht so lange, deshalb nutzt ihn Horrach für die Vorführung. Die Blätter und Stängel der Minze sind bereits abgewogen, die Destille ist ebenfalls startbereit, ein Schlauch verbindet sie mit einer Butangasflasche. In den unteren Teil des Geräts, das Wasserdampf erzeugt, füllt Horrach nun kalkfreies Wasser aus der Zisterne, die von den Dächern mit Regenwasser gespeist wird.

Weil es eine Weile dauert, bis das Wasser heiß ist, setzt man sich auf eine Bank und der 42-Jährige erklärt die Grundkenntnisse, die man für das Verständnis des Vorgangs braucht. Die Minze enthält, wie viele andere aromatische Pflanzen, ätherische Öle. Dabei handelt es sich um sogenannte „flüchtige" Öle. Gibt man einen Tropfen davon auf ein Stück Papier, sieht man diesen zwar kurze Zeit, doch dann verschwindet er und lässt seinen Duft zurück. Pflanzliche Öle dagegen saugen sich fest und bleiben dauerhaft.

Als das Wasser leise köchelt, gibt der Mallorquiner die Kräuter in den perforierten Aromakorb des Geräts und deckt ihn mit dem dazugehörenden Stahldeckel ab. Der nach oben steigende Wasserdampf durchdringt die Pflanzenteile und reißt dabei die flüchtigen und wasserlöslichen Stoffe mit sich. Der Wasserdampf gelangt dann in einen Kühler, kondensiert, wird flüssig und tropft jetzt in einen Messbehälter aus Glas.

Danach wird die Flüssigkeit in einen großen Glaskolben ­gefüllt, der oben weit ist und unten schmal wird. Zuunterst befinden sich zwei Ausgänge: Einen mit einem drehbaren Verschluss, der andere ist mit einem Hebel zu bedienen. Noch ist es für die Besucher ein Rätsel, was passieren wird.

„Das ätherische Öl ist leichter als Wasser", erklärt Horrach. Nach kurzer Zeit wird der physikalische Vorgang sichtbar. Zuoberst schwimmt goldfarben das ätherische Öl, darunter wird eine milchige Flüssigkeit, das Hydrolat, sichtbar. Je länger man wartet, desto mehr ätherische Ölpartikel sammeln sich an der Oberfläche. Doch diese interessieren bei der Hydrolat-Gewinnung sekundär, hier geht es vor allem um die wasserlöslichen Wirkstoffe, die in Kombination mit wenigen Anteilen an ätherischen Ölen in der Aromatherapie gefragt sind.

Zum Abschluss der Vorführung werden Wasser und Öl durch die beiden Verschlüsse getrennt aus dem Kolben in Glasbehälter und von dort aus in kleine dunkle Fläschchen abgefüllt. „Das Pflanzenwasser enthält den gesamten Reigen der Wirkstoffe", erklärt Horrach. Die Wirkung wäre ähnlich wie die der ätherischen Öle, aber wesentlich milder. Das Wasser wird äußerlich gegen Haut­beschwerden eingesetzt, als Tropfen eingenommen und bei Erkrankungen der Atemwege inhaliert, wobei es sich direkt über das Gehirn auf die Psyche auswirken soll. Ein Tropfen Pfefferminzwasser - so Horrach - entspricht der Wirkung von 30 Tassen Tee.

Die Pflanzen

„Bekannt ist zum Beispiel das Wasser aus Rosenblättern", berichtet Horrach. Beim Kauf könne man sich jedoch nicht sicher sein, ob es sich dabei um reines, aus den Blättern der Damazener-Duftrose gewonnenes Pflanzenwasser handelt. Häufig würden Tinkturen angeboten, bei denen Wasser mit ein paar Tropfen ätherischem Öl angereichert oder aber gar mit dem Zusatz von chemischen Substanzen produziert worden sind.

Auf der Insel hat das Wasser der Myrte (Myrtus communis bot., mirto span., murta kat.es) Tradition. Es wird jedes Jahr im Juni bei der Fira de ses herbes in Selva destilliert. Die Bewohner des Dorfes - Horrach war dieses Jahr dabei - ziehen früh morgens in die nahen Berge der Serra de Tramuntana und sammeln Blätter des Myrtenstrauchs, die dann auf dem Dorfplatz destilliert und danach verkauft werden.

Horrach holt sich indes für seine Produktion in den Bergen Nadeln und Äste von Kiefern, doch die meisten Pflanzen stammen aus dem eigenen Garten. In langen Reihen wachsen hier die Stauden der Italienische Strohblume (Helichrysum italicum), ein Kraut, das auf der Insel zwar selten, aber wild vorkommt und im Garten gut gedeiht. Abgeerntet und destilliert sind bereits die Blätter der Duftgeranie (Pelargonium odoratissimum), das Wasser ist als Mückenschutz bekannt.

Die Ernte der bitteren Orangen (Citrus aurantium) für das Pommeranzenwasser steht im Winter an. Im Frühjahr wird der Echte Lavendel (Lavandula angustifolia bot., espliego span., espígol kat.) destilliert, der Französische Majoran (Origanum majorana) und der Rosmarin (Rosmarinus officinalis bot., romero span., romaní kat.) müssen noch etwas wachsen.

Der Vertrieb

Aus den vier Kilo Minze können etwa vier Liter Hydrolat gewonnen werden. Bisher verteilte Horrach sein Pflanzenwasser an Freunde und Bekannte, in Zukunft aber will er es auch auf Märkten vertreiben. Zudem plant er Workshops in seinem Labor.

Noch haben die Fläschchen keine Etiketten. Der Zulassungsantrag des Logos von „Rarevaroma" liegt bei den Behörden und lässt auf sich warten. „Ra" steht für Sonnengott und „rev" für revolutionär. Vorbild für das Marketing ist die französische Produktlinie Pranarôm, die in Apotheken verkauft wird. „In Frankreich können Homöopathen eine Ausbildung zum Aromatherapeuten absolvieren", sagt Horrach. Noch wäre man in Spanien nicht so weit, doch er hätte keine Eile. Vielleicht interessierten sich in der Zwischenzeit Gourmetköche für sein Pflanzenwasser. In der arabischen Küche werden sie schon lange für Süßspeisen genutzt.

Zum Abschied tropft Horrach einen Tropfen Pfefferminzwasser auf seine Visitenkarte mit dem noch nicht genehmigten Logo. Sie verströmt noch tagelang einen frischen, würzigen Duft.

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