José María Ojeda spürt den Trend schon seit zwei, drei Jahren. „Immer mehr vor allem junge Männer kommen zu mir und lassen sich einen Schnurrbart zwirbeln oder schneiden", sagt der Betreiber des in Palmas Altstadt gelegenen Barbier-Salons Truhán y Señor. Mitunter bearbeite er mehr bigotes als die ebenfalls in Spanien zu einem Mode­phänomen gewordenen halblangen Hipster-Vollbärte, die sich vor allem Mitglieder der Künstler- und Galeristenszene gern wachsen lassen und in Spaßfilmen wie „Ocho apellidos vascos" auch mal verulkt werden.

Ricardo vom ebenfalls in Palma ansässigen, bewusst auf Vintage-Design setzenden Barbershop Haircuts & Wines sieht die Entwicklung zurück zum bigote ähnlich wie sein Kollege. „Allerdings waren Schnurrbärte in Spanien in den vergangenen zehn Jahren nie komplett out", sagt er. „Erst recht nicht bei älteren Leuten."

Fest steht: Bei der Auswahl des Oberlippenbartes zeigen sich die Männer derzeit überaus kreativ, wobei sie - was nicht verwundert - den zahnbürstenhaft schmalen Hitler-Bart nach wie vor lieber nicht wollen. „Die Leute erwähnen, wenn sie sich von uns beraten lassen, gern Hollywoodgrößen wie Brad Pitt, Jude Law oder Colin Farrell, die sich in letzter Zeit immer öfter mit Schnurrbärten fotografieren lassen", plaudert Barbier Ricardo aus dem Nähkästchen.

Besonders angesagt sei im Augenblick ein vernehmbarer, aber nicht allzu ausgeprägter Seehundbart - also eine Mixtur aus normalem bigote und jenem wuchtigen Besen, mit dem sich der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche (1844-1900) schmückte. Teenager und Twens ahmen, wie Ricardo weiß, den trendigen kanadischen Sänger und Mädchenschwarm Justin Bieber nach, der sich gelegentlich mit einem Faden-Schnurrbart in den Medien vergegenwärtigt.

Aber auch der allseits bekannte, kunstvoll nach oben gezwirbelte Schnurrbart des Künstlers Salvador

Dalí (1904-1989) werde zunehmend nachgefragt, sagt Barbier Ricardo. Ebenfalls bei jungen Leuten begehrt sei der im oberen Bereich fein ausrasierte Schwerenöter-Bart von US-Schauspieler Clark Gable (1901-1960 /„Vom Winde verweht").

Womit die zunehmende Liebe zum Schnurrbart nichts mehr mit den späten 80er- und den 90er-Jahren zu tu hat, als der bigote als altbacken galt. Damals wurde er in Spanien nur noch mit vorgestrigen Militär- oder Guardia-Civil-Mitgliedern wie dem Putschisten Antonio Tejero in Verbindung gebracht und mit Hohn und Spott bedacht. In Deutschland war in Anlehnung an Darsteller in einschlägigen 70er-Jahre-Filmen gar von „Pornobalken" die Rede. Mit dazu beigetragen, dass der Schnurrbart wieder ­vorzeigbar wurde, hat die ursprünglich aus Australien stammende Movember-Bewegung (ein Wortspiel aus moustache und November). Männer setzen ein Zeichen gegen Prostata- und Hodenkrebs, indem sie sich jeden November einen Schnurrbart stehen lassen. Nun können sie ihn auch über den Aktions­monat hinaus beibehalten.