Losgehen, sich treiben lassen, hängen bleiben und nach einem Drink zur nächsten Bar weiterziehen - so funktioniert das in Palma nicht. Dafür ist das Angebot an vielversprechenden Locations mit bequemen Clubsesseln, guter Musik und anregenden Gästen (zumindest im Winter) zu überschaubar. Soll der Abend sich charmant in die Nacht fortsetzen, steigern, auflösen ... dann braucht man einen Plan.

Gut ist, dass wir zumindest wissen, wo die Nacht enden soll: im Cerebro in Es Jonquet. In den Tanzhallen vom La Demence an der Plaça Vapor findet seit Oktober jeden Freitag unter dem Namen Cerebro (Gehirn) „Disco Clásica" statt. Das müssen wir testen. Und gucken, ob man dort tanzfreudige Menschen jenseits der 30, 40 oder sogar 50 antrifft.

Aber: Es ist erst halb acht, bis Mitternacht bleibt noch Zeit. Wir verabreden uns im Sadrassana zu einem Glas Cava, lassen die Arbeitswoche sacken und chillen gedanklich ins Wochenende. Dafür ist der stilvoll renovierte Palast der mallorquinischen Unternehmer- und Galeristenfamilie

Horrach Moya ein perfekter Ort. Bei schummrigem Kerzenlicht sitzt man bequem in schwarzen Samt­sesseln und edlen Lederfauteuils oder nimmt auf dem roten Vintage­sofa Platz. Bereits ab acht Uhr treffen zunehmend (internationale) Gäste ein, die in einem der kleinen Salons einen Tisch zum Essen reserviert haben oder wie wir einen Drink bei Loungemusik genießen.

Bevor es in den Sesseln allzu gemütlich wird, brechen wir gen Santa Catalina auf - für eine solide Unterlage für den weiteren Abend. Im Il Tano mit seinem dröhnenden Pizzabäckersound gibt´s echte (süd-)italienische Pizza, viel zu gucken, und, wenn man ein paar Minuten wartet, auch Plätze ohne Reservierung. Für einen zweiten Drink spazieren wir am fast leeren Mr. Brooklyn vorbei, gegenüber in der Bar Cuba - man staunt - gibt´s im Innenraum nur unbequeme harte Stühle an großen Tischen, wo man reizlos am Glas nippen soll.

Bis zum Garito Café ist es jetzt zu weit, und so schlagen wir gegen halb elf im Brassclub von Barkeeper Rafa Martín auf. Auf einem der gepolsterten Barhocker an der langen Theke sitzt man nie (lange) allein. Wir mögen das schillernde Ambiente im 50er-Jahre-Stil mit den samtgepolsterten Wänden (von Stararchitekt Xavier Claramunt). Die rötlich, gelb, grün und türkis beleuchtete Flaschenparade im Blick, lassen wir uns von dem smarten Barmann Cocktails mixen: einen Birnen-Caipirinha und den berühmten Or de Mallorca mit Gin, Hierbas, Zitronensaft, Ingwer, Rosmarin und Olivenöl. Im Sommer legt ab 23 Uhr ein DJ auf, heute begnügen wir uns mit Jazzmusik und Charlie-Chaplin-Stummfilmen auf einer kleinen Leinwand. Die Cocktails sind gut, der Geräuschpegel angenehm zum Unterhalten. Hier könnten wir länger bleiben.

Doch gegen Mitternacht wird es Zeit für den Höhepunkt des Abends: Cerebro. Gehirn hieß vor 30 Jahren schon mal eine Disco-Kette mit Tanztempeln in Madrid, Barcelona und auf Mallorca. Das Konzept der fünf mallorquinischen Betreiber von heute klingt vielversprechend: kein Techno und keine elektronische Musik. Stattdessen Indie, Funk, Soul, Pop und Rock, also musica orgánica, mit der sich die Tanzenden identifizieren können. Den fünf Freunden fehlte nach Schließung der Kult-Disco Abraxas vor ein paar Jahren ein Club für gute Tanzmusik, vier der Black-Music-Enthusiasten, darunter Albert Petit (Sänger und DJ), Carlos Velasco (Garito Café), Pepe Link (Cappuccino Grand Café Lounge) und Angel Garcia (DJ Acid Hero) legen selbst im Cerebro auf. Dazu gibt es immer wieder Gast-DJs wie Javí Frias aus Madrid oder Boris Cantero, der aus Deutschland stammt und Clubs in Berlin, Ibiza und Mallorca bespielt. Grafiker Bibi Robles, der fünfte im Bunde gestaltet jede Woche für die Facebook-Seite ein neues Plakat für die Motto-Nächte wie etwa „Homenaje a Prince" oder „Let´s get it on by Marvin Gaye".

Mit 10 Euro Eintritt (ein Freigetränk inklusive) sind wir dabei. Die Räumlichkeiten vom La Demence erinnern mit weißen Kunstlederbänken an die 80er-Jahre, auf den Bildschirmen laufen Tanzvideos, die Panoramafenster auf Palmas Yachthafen sind bereits beschlagen. An der Bar ist nicht viel los, aber die Tanzfläche ist voll. Mit Männern und Frauen zwischen 30 und geschätzten 55. Noch schnell ein Blick auf die Uhr (0.40 Uhr) und wir mischen uns unter, bewegen uns zu The Strokes, Queen, Michael Jackson und anderen rhythmisch vor den Plattentellern.

Was uns angenehm auffällt: Es gibt keine schrägen Anmachen, keine Betrunkenen oder Frauen, die beim Tanzen besonders gut aussehen wollen. Dafür große Blondinen im schwarzen Hosenanzug, die mit Freddie-Mercury-Klebebart „Don´t Stop Me Now" performen. Einen enthusiastischen Tänzer mit Rastalocken und Stirnband. Oder Männer in Schlips und Hemd, die wohl gerade von einem Business-Essen kommen. Ohne zu schwitzen, verlässt kaum einer das Cerebro. Bis 4 Uhr spielt die Musik, ganz so lange schaffen wir es nicht. Auf dem Weg zum Auto überfällt uns fast Euphorie: Jetzt bleiben noch zwei Tage Zeit, um sich zu erholen.