Alles ist ruhig auf den Straßen von Palma an diesem Dienstagmorgen (22.11.). Die Stadt ist noch in tiefe Dunkelheit gehüllt. Nach der Abfahrt der Autobahn in Coll d´en Rabassa wird der Verkehr dichter. Zahlreiche Lieferwagen und Laster reihen sich an der Einfahrt zu Mercapalma. Ist die Schranke einmal passiert, erwartet den Besucher ein anderes Bild. Der Großmarkt kommt wie ein eigenes Stadtviertel daher. „Die dritte Straße rechts und dann gleich hinter dem Park das Auto abstellen", sagt der Pförtner. Viel Zeit zum Orientieren bleibt nicht, von hinten drängt bereits der nächste Lkw. Auch die Parkplatz­suche gestaltet sich schwierig. Auto an Auto steht am Rand der Calle L, wo die Geschäftsstelle des Marktes ist. „Um das Alphabet vollzubekommen, fehlen noch fünf Straßen", sagt Direktor Javier Martín.

Preiskrieg um das Gemüse

Jeden Dienstag und Freitag kommen gegen 4 Uhr morgens die mallorquinischen Bauern, um ihre Stände vorzubereiten. „Viele machen das seit mehr als 30 Jahren und haben das Geschäft von den Eltern übernommen", sagt Martín. Von 6 bis 13 Uhr dürfen sie hier ihr Obst und Gemüse verkaufen. Die Öffnungszeiten reizt jedoch kaum einer von ihnen aus. Bereits kurz nach 7 Uhr wirkt die Markthalle leergekauft. Einige Händler haben in einer Tonne ein Feuer entzündet und bereiten sich gerade gemeinsam ihr Frühstück zu. Man kennt sich. Schließlich haben viele seit Jahren den gleichen Stellplatz gemietet.

Beim Geld hört die Freundschaft dabei auf. „Viele versuchen dich hereinzulegen und nennen dir falsche Preise, wenn du sie fragst", sagt Margarita Escalas, die ihr Gemüse in Sa Pobla anbaut. „Erst sagen sie, sie werden das Kilo für einen Euro verkaufen, und später bieten sie es doch günstiger an."

In Mercapalma können nur Großverbraucher oder Zwischenhändler einkaufen. Einer von ihnen ist José Martínez. Er kauft die Kartoffeln von Margarita Escalas und bringt sie später auf den kleinen Märkten der Dörfer unter die Leute. „Hier zahle ich 50 Cent für das Kilo Kartoffeln; später verkaufe ich es für 90 Cent", sagt Martínez. Um ihre Ware selbst zu besseren Preisen an die Verbraucher zu verkaufen, fehlt Margarita Escalas schlicht die Zeit. „Ich arbeite alleine mit meinem Mann. Wir stehen nachts auf, verkaufen hier schnell die Ernte und stehen am Nachmittag schon wieder auf dem Feld." Viele Bauern sparen sich die Fahrt zum Markt und verkaufen direkt an die mayoristas (Großhändler). „Die versuchen aber immer, die Preise zu drücken", beschwert sich Escalas.

Die Hallen der Großhändler

So oder so landet die Ware in Mercapalma. Wer auf Mallorca mal eine Tomate gegessen hat, kann sich fast gewiss sein, dass die Frucht zuvor den Großmarkt passiert hat. 195.000 Tonnen an Obst und Gemüse werden hier jährlich gehandelt. Mit 3.400 Tonnen macht der bäuerliche Verkauf dabei nur einen kleinen Teil aus. In viel größeren Dimensionen arbeiten die mehr als 40 mayoristas, die auf dem Mercapalma-Areal riesige Hallen gemietet haben. Kistenweise und in meterhohen Stapeln lagern hier die Lebensmittel. Marktführer in der Produktion und dem Verkauf von Obst und Gemüse auf der Insel ist dabei eigenen Aussagen zufolge Agroilla. Im Gegensatz zu den

mallorquinischen Bauern ist das Unternehmen jeden Tag auf dem Großmarkt aktiv, um den Bestellungen der zahlreichen Restaurants oder Hotels nachzukommen. Sechs Lastwagen mit je 20 Tonnen Obst und Gemüse werden dafür Tag für Tag in der Halle von Agroilla entladen. Etwa die Hälfte der Lebensmittel der Großhändler werden importiert - hauptsächlich vom spanischen ­Festland oder aus Südamerika. Schließlich wollen die Supermarktkunden das ganze Jahr über ein volles Sortiment im Regal vorfinden.

Ein Markt als Stadtviertel

Jetzt im Winter ist der Trubel etwas geringer. „Solange es Touristen gibt, ist alles gut", sagt Mercapalma-Leiter Martín. „Aber außerhalb der Saison leidet die Nachfrage spürbar." Den Großmarkt gibt es seit 1973. Im Gleichschritt zur Inselbevölkerung musste auch das Angebot an Lebensmitteln wachsen. Auf eine Fläche von 380.000 Quadratmetern ist das Gelände bis heute expandiert. Mehr als 1.500 Menschen sind bei Mercapalma oder einem der etwa 100 Händler beschäftigt. Wie in einem Stadtviertel gibt es einen Supermarkt, einen Lotterievertrieb, eine Bank, eine Bar und eine Werkstatt. Denn der Ausfall des ­Kühlsystems eines Lastwagens wäre aus hygienischer sowie wirtschaftlicher Sicht fatal für die Händler. Direkt vor Ort sind auch die großen Supermarkt-Ketten Mercadona und Eroski mit je einer Lagerhalle, von der aus sie ihre Filialen beliefern.

Die Cateringfirma Newrest betreibt indes auf dem Gelände von Mercapalma eine Großküche. Hier werden die Gerichte und Snacks zubereitet, die in den Fliegern ­angeboten werden. 187 Mitarbeiter kochen hier im Schnitt 2.800 Mahlzeiten für 40 Flüge täglich.

Fisch und Fleisch

Die Sonne geht auf und es wird allmählich hell. Die meisten mallorquinischen Bauern packen ihre Stände zusammen und gehen. Weiter hinten ist noch was los. Es riecht stark nach Fisch. Denn nicht nur Obst und Gemüse werden über Mercapalma vertrieben. „Wir bieten Lebensmittel aus allen Bereichen an", sagt Martín. Größere Abteilungen sind der Fischmarkt und der Schlachthof. 10.000 Tonnen Fisch und 12.000 Tonnen Fleisch wurden im Jahr 2015 auf dem Markt gehandelt. In Bezug zum gesamten Fischhandel auf der Insel macht das gerade mal 30 Prozent aus. Vertreten ist in Mercapalma auch der mallorquinische Großhändler Xutipesca mit 42 Angestellten. 90 Prozent der Ware entstammt aus den Meeren dieser Welt und wird importiert. Den Rest kauft das Unternehmen in der lonja in Palma, wo die Fischer ihren Fang anlanden. Xutipesca sieht sich selbst nicht nur als Zwischenhändler. „Wir nehmen die Tiere aus und ersparen dem Kunden eine Menge Arbeit", sagt Firmenchef Arturo Estivalis.

Vom äußersten Ende des Marktes zieht ein unangenehmer Geruch in die Nase. Dort befinden sich die Metzgereien. Nebenan werden in Ställen die Tiere vor der Schlachtung gehalten. „Zu dieser Zeit empfehle ich da keine Besichtigung", sagt Mercapalma-Leiter Martín und macht eine schneidende Bewegung an der Kehle. „Da lebt jetzt nichts mehr, und das ist kein schöner Anblick."

Das wird nicht verkauft

Bei einem so großen Markt muss es doch auch große Mengen an nicht verkauften Lebensmitteln geben, die in der Tonne landen. „Mercapalma ist nur für die hygienische Kontrolle zuständig. Wir machen keine Normkontrolle, wie gebogen eine Banane sein muss", sagt Martín. „Für derartige Tests ist das Herkunftsland oder der Produzent zuständig. Qualitativ schlechte Ware kommt so gar nicht erst auf dem Markt an." 674 Tonnen an Müll kamen im vergangenen Jahr dennoch zusammen. Da sei aber auch Verpackungsmaterial wie Plastik, Papier und Holz mit einberechnet, erklärt der Mercapalma-Leiter. 452 Tonnen davon bestehen aus brennbarem Material, der Rest

kann recycelt werden.

Ein weiterer müllreduzierender Faktor ist die Lebensmittel-Bank. Den Händlern und Firmen steht es frei, nicht verkaufte Ware zu spenden. Diese Nahrungsmittel werden in einer eigenen Halle gelagert, und gemeinnützige Organisationen wie die Caritas oder kirchliche Verbände bedienen sich dann. „Viele Produkte sind nicht schlecht, sondern einfach kurz vor Ablauf der Mindesthaltbarkeit", sagt Martín. Wobei kurz in Händlersprache auch ein paar Monate bedeuten kann. „Wir haben viele Coca-Cola-Dosen aus den Lagern der Supermärkte, die erst in einem halben Jahr ablaufen. Aber für die Händler ist das zu wenig Zeit."

Während außerhalb des Marktgeländes am frühen Vormittag das Leben erwacht, wirkt Mercapalma zunehmend verlassen. Einige Großhändler organisieren ihre Hallen und Lieferungen auch noch tagsüber, doch das ist eher die Ausnahme. Javier Martín muss bis Mittag die Stellung halten. Am nächsten Morgen klingelt dann wieder um 4 Uhr der Wecker. „Oft bin ich schon vorher putzmunter und jogge eine Runde. Meine Frau hält mich manchmal für verrückt."