Jahrhundertelang lag die Geschichte im Dunkeln, jetzt ist dank eines jüngst im Archiv von Valencia aufgefundenen Schriftstücks alles klar: Miguel de Cervantes (1547-1616) rettete einst vier Mallorquinern das Leben. Der Mann, der später den weltberühmten „Don Quijote" schreiben sollte, bezeugte am 8. November 1580 handschriftlich, dass ein Fischer, den die vier in Valencia ansässigen Handelsleute von der Insel ermordet haben sollten, in Wahrheit lebte. Der damalige Abenteurer und Ex-Marinesoldat Cervantes hatte Jeroni Planelles in Algier gesehen - in einem Gefängnis, in dem er selbst einsaß. Das alles bestätigte das Literaturgenie mit seiner Unterschrift - übrigens der ältesten, die je von ihm gefunden wurde.

Cervantes war bereits in jungen Jahren für damalige Verhältnisse ein weit gereister Mann: Der Kastilier wohnte ab 1569 in Rom, manche glauben, dass er auf der Flucht vor der spanischen Justiz war. Zeitweise verdingte er sich dort als Kammerdiener eines Kardinals. Als Soldat der spanischen Marine schiffte er sich 1571 in Neapel ein und nahm an der Seeschlacht von Lepanto im Ionischen Meer teil. Unter spanischer Führung besiegten christliche Mächte damals das Osmanische Reich. 1575 wollte Cervantes wieder in seine Heimat zurück, doch seine Galeere wurde vor Katalonien von Seeräubern aufgebracht. So landete er in Algier und blieb fünf Jahre.

Wäre der in Alcalá de Henares geborene Autor 1580 nicht durch den Trinitarier-Orden freigekauft worden und nach Valencia gelangt, wären die mordverdächtigen Mallorquiner wohl aufgehängt worden. Doch trotz Cervantes´ Aussage blieben sie vorerst im Gefängnis Torres de Serranos. Denn das angebliche Mordopfer blieb spurlos verschwunden. Und es wog schwer, dass andere Zeugen die Mallorquiner belastet hatten. Zu allem Überfluss soll der Hauptverdächtige, der Händler Pere Clauquell, eine Liaison mit einer Hausangestellten des Fischers gehabt haben, der seinerseits ebenfalls mit ihr verbandelt gewesen sein soll.

Während die Verdächtigen noch im Gefängnis saßen, organisierten mallorquinische Geschäftsleute, die bereits von Cervantes´ Aussage wussten, ein kreatives Wettspiel: Unter der Anleitung eines gewissen Miquel Tauler versprachen sie jedem zahlenden Bürger, der den angeblich toten Fischer in Valencia sah, 100 Pfund Belohnung. Der ward selbstredend dort nicht gesehen. So erschlichen sich Tauler und seine Leute 34.000 valencianische Pfund. Mit einem Teil des so eingenommenen Geldes kauften sie den Fischer Planelles dann Ende März oder Anfang April 1581 in Algier frei. Als der in Valencia auftauchte, kamen die Mallorquiner ihrerseits frei.

Und Cervantes? Der setzte sein unstetes Leben fort. Er arbeitete zeitweise als Steuereintreiber, veruntreute dabei Gelder. Auch bewarb er sich erfolglos um den Gouverneurs­posten einer mittelamerikanischen Provinz. Und schrieb dann ab 1602 den „Don Quijote".