Man nehme 40 Computerfanatiker im Alter zwischen 20 und 35 Jahren und stecke sie gemeinsam in einen Raum. Dann gebe man eine gehörige Menge Hirnschmalz dazu und lasse alles 48 Stunden lang köcheln. Heraus kommen im Bestfall zehn mehr oder weniger ausgearbeitete Videospiele. So sieht es das Konzept der Mallorca Game Jam vor, die am vergangenen Wochenende im Hotel Horizonte nahe Portopí in Palma ausgetragen wurde.

Geladen hatten die Organisatoren Santiago Iglesias und Juan Miguel Liras. Beide sind zwar keine Videospielmacher, aber vom Fach, Iglesias arbeitet in einem kleinen Entwicklungsunternehmen, Liras ist IT-Spezialist beim Reisegiganten Globalia. Nach dem Debüt im vergangenen Jahr ist es die zweite Game Jam. Mallorca steht nicht alleine da: Eine Woche zuvor hatten an 702 Orten in 95 Ländern der Welt 36.000 Tüftler an der Global Game Jam teilgenommen - dass die Insel, anders als 2016, nicht dabei war, lag einzig allein am Stadtfest Sant Sebastià: „Das wäre dann doch zu viel des Guten gewesen", sagt Santiago Iglesias, „wobei wir schon gerne dabei gewesen wären, den Rekord in weltweit bestellten Pizzen einzustellen."

An diesem Sonntagmittag (29.1.) liegen freilich keine Chips­tüten oder Pizzakartons auf dem Boden, vielleicht hat auch jemand für die Presse aufgeräumt. Wobei man fair sein muss: Wer bei dem Treffen einen Haufen Nerds vermutet, die direkte Sonneneinstrahlung nur unter Androhung von Folter an ihre blassen Gesichter lassen, der irrt. Zwar sind tatsächlich zwei Vorhänge im Saal zugezogen, damit die Sonne nicht zu direkt auf die Monitore scheint, aber die übrigen Fensterflächen bieten einen freien Blick auf die Bucht von Palma.

An den Bildschirmen wird eifrig gewerkelt. Die meisten der zehn Gruppen, die zumeist aus vier Personen bestehen, basteln an letzten Details für die Präsentation der Spiele, die am späteren Nachmittag ansteht. Eine Fünfergruppe, die schon weit fortgeschritten ist, gibt bereitwillig Auskunft. „In unserem Spiel geht es darum, kleine Trump-Zombies daran zu hindern, ins Weiße Haus zu gelangen", erklärt Programmierer Eduardo Amengual. Er ist der Einzige, der ein wenig Erfahrung mitbringt, die anderen vier Mitglieder seiner Gruppe - allesamt Männer - sind Studenten des Studiengangs „Creación y desarrollo de videojuegos" an der privaten Hochschule EDIB in Palma.

Während Amengual erzählt, erscheinen auf dem Bildschirm unentwegt kleine und größere Figuren mit der charakteristischen blonden Tolle von Donald Trump. Sie bewegen sich mit ausgestreckten Armen etwas roboterhaft nach vorne und werden von verschiedensten Geschützen beschossen. Nicht wenige sind offenbar schon beim Versuch, ins Weiße Haus vorzudringen, ausgelöscht worden, wie der von Blutflecken übersäte Weg vermuten lässt. Als Titel für ihr Spiel hat die Gruppe „President Evil" gewählt, eine Anspielung auf den Videospiel-Klassiker Resident Evil. Wenn es nach Amengual und seinen Kollegen geht, soll ihre Kreation auch demnächst im Handel erhältlich sein. Dann aber noch ein Stückchen ausgereifter. Die knapp bemessene Zeit ließ vorerst nur zwei Schwierigkeitsstufen zu.

Die Figur von Donald Trump findet sich nicht zufällig auf allen Monitoren wieder. Santiago Iglesias und Juan Miguel Liras hatten den Teilnehmern zu Beginn vier Themen vorgeschlagen. Bei der Abstimmung gewann „Trumpocalipsis".

Nachdem das Motto feststand, mussten sich schnellstmöglich die Gruppen bilden, um loszulegen. Die meisten Teilnehmer kannten sich zuvor nicht, daher teilten die Veranstalter die Gruppen einigermaßen gerecht auf. „Das Problem diesmal war, dass Programmierer fehlten", wundert sich Iglesias, „bei der ersten Ausgabe gab es mehr als genug." Dafür fanden aber jetzt mehr Designer und Animateure den Weg zur Game Jam.

Auch drei junge Frauen sind dabei. Eine von ihnen kommt an den Tisch zu Eduardo Amengual und bittet ihn um Rat bei einem technischen Problem. Zwar ist das Grundprinzip der Game Jam der Wettbewerb der Gruppen untereinander um das ­ausgereifteste und kreativste Videospiel, dennoch hilft man sich gegenseitig. „Es gibt ja keine Geldpreise oder Ähnliches zu gewinnen", erklärt Organisator Santiago Iglesias. Das Wichtigste sei, neue Erfahrungen zu sammeln und vor allem, die 48 Stunden zu überstehen. „Vor allem kommt es dabei auf die Zeiteinteilung an. Viel Zeit zum Ausruhen gibt es nicht."

Schon im Anmeldeformular hatte es geheißen: „Schlaf ist optional". Ganz ohne ein Nickerchen hat es dann aber keiner der Teilnehmer durchgehalten. „Die erste Nacht haben zwar alle noch wie verrückt durchgemacht, aber gegen 6 Uhr morgens sind dann die meisten doch mal kurz auf ihr Zimmer oder haben sich mit dem Schlafsack in die Ecke gelegt", erzählt Santiago Iglesias. „Man darf das nicht unterschätzen. Es ist sehr wichtig, in diesen 48 Stunden auch mal eine Pause zu machen oder sich zu bewegen", wirft Juan Miguel Liras ein.

Zwei der Teilnehmer haben diesen Ratschlag offenbar nicht beherzigt, sie liegen mit dem Kopf auf der Tischplatte, der Schlaf hat sie an diesem Sonntagmittag übermannt.