Als sich der Todeszug am 2. Juli 1944 vom französischen Campiègne aus in Richtung Dachau in Bewegung setzte, waren knapp 2.200 Widerstandskämpfer in die Viehwaggons des Konvois Nummer 7.909 gesperrt. Es waren nicht nur Franzosen, sondern auch 65 spanische Republikaner, die die fast viertägige Reise Richtung Zwangsarbeit und Konzentrationslager antraten und damit das grausige Schicksal von Millionen Verfolgter teilten. Darunter war auch ein Mallorquiner aus Sóller: der damals 48-jährige Pere Bennàssar. Seine Odyssee führte ihn zunächst nach Dachau, anschließend in die Lager Flossenbürg und Hersbruck.

Es sind nicht allzu viele Daten, die über Mallorcas KZ-Opfer bekannt sind, aber zumindest haben Historiker inzwischen Licht in ein jahrzehntelang verdrängtes oder vergessenes Geschichtskapitel gebracht. Nach dem aktuellen Forschungsstand erlebten 70 Balearen-Bürger das Grauen der Konzentrationslager - davon 24 Mallorquiner, und davon mindestens sieben aus der Gemeinde Sóller.

Dass vergleichsweise viele Opfer aus Sóller stammten, erklärt Gemeinde­archivar Antoni Quetglas indirekt mit dem damaligen Wohlstand im Orangental und dem Geschäftssinn der Bewohner: Nicht wenige sollerics wanderten Anfang des 20. Jahrhunderts aus, häufig nach Frankreich, um dort Geschäfte oder Restaurants zu eröffnen. Im Zuge des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Besatzung gerieten sie dann Anfang der 40er-Jahre etwa als Widerstandskämpfer ins Visier der Nazis.

Die meisten Spanier dagegen, die in die Konzentrationslager deportiert wurden, waren Republikaner, die nach dem Sieg der Putschisten unter dem späteren Diktator Franco im Jahr 1939 nach Frankreich geflohen waren. Ihre Zahl wird auf rund 200.000 geschätzt. Nach dem Einzug von Hitlers Truppen in Paris im Juni 1940 kamen rund 11.000 Spanier zum großen Teil als Widerstandskämpfer in deutsche Kriegsgefangenschaft.

Während des Franco-Regimes (1939-1975) gab es kein Interesse an der historischen Erforschung ihres Schicksals - in den Augen der Diktatur waren die „Roten" keine echten Spanier, sondern Landesverräter. Aber auch nach dem Übergang zur Demokratie sollte es bis zum Jahr 2006 dauern, bis eine offizielle Auflistung der in Konzentrationslager deportierten Spanier vorlag. Eine Suchmaschine auf der Website des Kulturministeriums in Madrid listet heute insgesamt 24 Opfer auf, die ursprünglich von Mallorca stammten. Sie kamen neben Sóller auch aus den Gemeinden Palma, Llucmajor, Algaida, Andratx, Campos, Escorca, Manacor, Mancor und Sineu.

Aber auch diese Daten bleiben lückenhaft. Weitere Informationen trug zum einen die Mallorquinerin Elena Rodríguez zusammen, die ab 2005 im Archiv Buchenwald das Schicksal der spanischen Häftlinge erforschte. Und schließlich gab der inzwischen verstorbene ibizenkische Forscher Xicu Lluy nach seiner jahrelangen Spurensuche in einem 2013 erschienen Buch Mallorcas KZ-Häftlingen ein Gesicht.

Diese Informationen hat auch Gemeindearchivar Quetglas genutzt, um das Schicksal der KZ-Opfer aus Sóller zu rekonstruieren. Es sind ganz unterschiedliche Lebensläufe. Da wäre etwa Llorença Alou, der im Juni 1941 im annektierten Frankreich festgenommen und ins elsässische Sicherungslager Schirmeck-Vorbruck deportiert wurde, um Ende 1941 wieder freizukommen. Auch Antoni Frontera sollte Schirmeck-Vorbruck überleben. Oder etwa Pere Sastre, von dem die Befreiung aus einem Lager in Siegburg im April 1944 überliefert ist.

Gemeinsam ist den weiteren sollerics das Arbeitslager im österreichischen Mauthausen - dorthin wurden viele Spanier gebracht, offenbar wegen der kurzen Entfernung, aber auch, weil sich das Lager in den Jahren 1941 und 1942 noch im Aufbau befand und den Nazis noch genügend Kapazitäten bot. Auch die Brüder Miquel und Josep Azuaga aus Sóller mussten hier schuften. Von ihnen weiß man, dass ihre Eltern nach Barcelona gezogen waren. Der Schuster und der Tischler schlossen sich offenbar als Freiwillige dem republikanischen Heer an, flüchteten 1939 über die französische Grenze und wurden im April 1941 unter ungeklärten Umständen von den deutschen Besatzern festgenommen. Wohl infolge der harten Arbeit starben sie im Oktober 1942 und Januar 1943.

Mit Joan Servera überlebte ein weiterer solleric zwar Mauthausen, erlitt aber die Folter des berüchtigten SS-Arztes Aribert Heim. Der „Schlächter von Mauthausen" wurde nach 1945 jahrzehntelang als Kriegsverbrecher gesucht und in Spanien vermutet, lebte aber letztendlich bis zu seinem Tod 1992 unbehelligt unter falschem Namen in Kairo. Heim quälte Häftlinge mit unnötigen Operationen ohne Narkose. Von Servera weiß man, dass er im Juni 1941 vom Kriegsgefangenenlager Stalag V?A in Ludwigsburg nach Mauthausen deportiert wurde und bis zu seiner Befreiung im Mai 1945 überlebte.

Auch der eingangs erwähnte Bennàssar sollte nach Todeszug, Dachau, Flossenbürg und Hersbruck 1945 befreit werden. Doch nur ganz wenige der mallorquinischen Opfer kehrten auf die Insel zurück, im Fall von Sóller ist kein einziger Fall bekannt - Verbleib: „unbekannt". Neue Erkenntnisse über die Opfer erhofft sich Quetglas nun von Briefen, die einer der sollerics aus dem Lager schrieb und die ihm ein Privatmann vor Kurzem zur Forschung angeboten hat.