Auf den ersten Blick gibt die üppig begrünte Fläche Rätsel auf. Sie durchbricht die ansonsten eher steril wirkende weiße Fassade des Hotels HM Tropical an der Playa de Palma. Hier hängt jedoch keine Kletterpflanze ihre Zweige nach unten. Auf den 210 Quadratmetern wuchern Grasstauden und Blühpflanzen, die aus Inselbeeten wohlbekannt sind.

Endgültige Klarheit bringt die Auskunft, dass es sich um einen vertikalen Garten handelt. „Die Pflanzen werden von einem gut verankerten Aluminiumgerüst gehalten und bilden einen Blickschutz für die Kompressoren der Hotelklima­anlage", sagt Hugo Riquelme.

Der 37-jährige Agraringenieur­ aus Alicante wohnt in Manacor und ist Teilhaber der Firma SingularGreen, deren Hauptsitz sich auf dem Festland befindet. Gemeinsam mit seinen Kollegen entwirft er vertikale Gärten, die mit Hydrokultur funktionieren, das heißt, die Pflanzen werden mit in Wasser gelösten Stoffen ernährt. Zehn vertikale Gärten im In- und Outdoor­bereich hat SingularGreen auf der Insel bereits entworfen und gepflanzt. Die Firma kümmert sich auch um die anschließende Pflege.

Doch das eigentliche Engagement von Riquelme und seinen Kollegen gilt urban roofs, den begrünten Dächer der Großstädte, die Staub und Schadstoffe aus der Luft filtern, Räume abkühlen und zur Verbesserung des Stadtklimas beitragen, indem sie der Aufheizung durch die versiegelten Flächen entgegenwirken. Und zudem Lebensräume für Nektar suchende Insekten und einige Vogelarten schaffen.

Mit der Begrünung der Dächer tut man sich auf der Insel noch schwer. Schon eher sind vertikale Gärten gefragt. Auch sie verbessern das Klima und ziehen Insekten an.Draußen €

Draußen €Die Pflanzenauswahl für vertikale Gärten im Freien ist riesig. Bei der Bepflanzung des Alugerüsts an der Playa de Palma musste man sich jedoch auf wenige beschränken. „Die Lage des Hotelgartens Richtung Norden ist extrem ungünstig", sagt der Agraringenieur. Hier gibt es wenig Sonne. Zudem setzen heftige Windböen den Pflanzen zu und nebeln sie mit salzhaltiger Luft ein.

Die Basis des Beets bilden - teilweise blühende - Grasstauden mit Blatttönen von hellgrün bis tiefschwarz. Ihre unterschiedlichen Höhen ergeben den Eindruck eines Reliefs. Sieben aus Inselgärten bekannte Sorten wachsen hier: etwa der Zwergkalmus (Acorus gramineus), die Japan-Gold-Segge (Carex oshimensis), die grün-weiß gestreifte Grünlilie (Chlorophytum comosum), der Japanische Schlangenbart (Ophiopogon japonicus) und Schwarzblättrige Schlangenbart (Ophiopogon planiscapus ´Niger´).

Dazwischen wachsen zahlreich die violett blühende Knoblauch­lilie (Tulbaghia violacea) sowie das Spanische Gänseblümchen (Erigeron karvinskianus). Sie beide locken monatelang Insekten an. 6.000 Pflanzen sind insgesamt gepflanzt, pro Quadratmeter 25 Gewächse. „Die Pflanzen wuchern hier so stark, dass viel geschnitten werden muss", sagt der Alicantiner.

Die Versorgung mit Nährstoffen und Wasser erfolgt über zwei Schläuche, die von oben Feuchtigkeit in zwei doppelte Filterfolien leiten. Zwischen ihnen werden in Beuteln die Pflanzenwurzeln befestigt. Kleine Mengen Moos sind zusätzlich eine Art Lebensversicherung für die Pflanzen. Sie spenden Feuchtigkeit für den Fall, dass die Wasserversorgung einmal ausfällt. Hinter den Filterfolien befindet sich ein stabiles Laminat, das auf dem bereits erwähnten Aluminium-gerüst befestigt ist.€ und drinnen

€ und drinnenEine begrünte Wand im Raum verbessert das Raumklima, bringt Feuchtigkeit in zentralbeheizte Räume und wirkt ­schalldämmend. Sie reichert die Luft mit Sauerstoff an und filtert Schadstoffe und Feinstaub. Das Foto links unten zeigt einen Pflanzenteppich im Treppenhaus eines Bürohauses in Santa Ponça. Verschiedenfarbige Diagonalen, mit ­unterschiedlicher Blattstruktur und Farben, sollen die ansonsten in Weiß gehaltenen Büroräume beleben. LED-Lampen ­sorgen für die notwendige Beleuchtung.

Gepflanzt wurden auf dem zwölf Quadratmeter großen Objekt 500 Gewächse, die allesamt zu den klassische Zimmerpflanzen zählen: die weiß blühende Zwerg-Blattfahne (Spathiphyllum wallisii), der Zwergfarn (Nephrolepis exaltata), die Veränderliche Purpurtüte (Syngonium podophyllum), die Blattbegonie (Begonia rex), der Frauenhaarfarn (Adiantum capillus-veneris) und der Saumfarn (Pteris cretica) sowie der Baumfreund (Philodendron scandens).

Bei allen vertikalen Gärten von SingularGreen wird ­überschüssiges Gießwasser gesammelt und aufbereitet. Wie dies alles funktioniert, kann man bei Riquelme und seinen Kollegen lernen. Denn sie veranstalten Fortbildungen in Buenos Aires, im kolumbianischen Medellín und in Madrid. Im Juni werden sie einen Kurs im „Colegio Oficial de Aparejadores" in Palma geben.

www.singulargreen.com