Man schrieb das Jahr 1952, als ein Bauer beim Pflügen auf einem Feld der größten Finca südlich von Sa Pobla - Talapi - eine sensationelle Entdeckung machte. Aus dem Erdreich ragte die überaus elegant geschwungene, fast modern anmutende Bronzeskulptur eines Stierkopfes.

Auffällig daran ist der lange Hals und ein kreisrundes und zugleich großflächiges unteres Ende. „Wir glauben, dass die Skulptur an der Bugspitze eines Schiffs angebracht worden war", so Pere Cortada, einer der Autoren zur MZ. „Sie stammt aus dem vierten, dritten oder zweiten Jahrhundert vor Christus und prangte mit hoher Wahrscheinlichkeit an einem punischen Handelsschiff." Der ehemalige Schüler des bereits 78-jährigen Autors Josep Obrador und jetzige Mitarbeiter der Kulturbehörde von Capdepera schrieb mit diesem auf Katalanisch das schmale Buch „El cap de bou de Talapi" (Verlag Documenta Balear, 76 Seiten, davon 20 mit Fotos, 15 Euro). Es ist am Freitag (17.3.) im Kulturzentrum Sa Congregació in Sa Pobla zusammen mit einer Silbermünze mit dem Stierkonterfei - dem sogenannten Duro de Sa Pobla - vorgestellt worden.

„Es ging mir darum, die Menschen der Gemeinde für ihr historisches und kulturelles Erbe zu sensibilisieren", so Josep Obrador, der neben etlichen historischen und literarischen Büchern auch eine Philosophie-Dozentur an der Universität von Barcelona, die Leitung einer Hotelfachschule sowie eines Kulturinstituts im Lebenslauf stehen hat. Es handele sich ausdrücklich nicht um ein archäologisches Fachbuch. „Ich habe mich darauf konzentriert, bekannte Informationen zusammenzutragen."

Bereits als Knabe im Blauet-Chor des Tramuntana-Klosters Lluc hatte sich Josep Obrador für Archäologie interessiert. Als sein Onkel, der Pfarrer Josep Obrador Socías (1914-1997), ein Buch mit dem Titel „L´alqueria de Talapi" über die Stierskulptur schrieb, begann er sich näher mit dem Thema zu beschäftigen.

Pere Cortada und Josep Obrador sind sich ziemlich sicher, wofür der Stier stand: „Im gesamten Mittelmeerraum - besonders natürlich bei den Minoern auf Kreta - symbolisierte der Stier die Kraft und die Macht, in Kriegen zu bestehen und Nahrung zu erlangen, und die Fruchtbarkeit, um Nachkommen zeugen zu können", so Pere Cortada. Eine solche Skulptur an einem Schiffsbug habe vielleicht auch dazu gedient, die Götter um ihren Schutz auf dem Meer anzurufen.

Interessant am Talapi-Kopf sei auch, was fehle: „Wir wissen von anderen Funden, dass diese Figuren an der linken Hörnerspitze mit kleinen Vogelfiguren versehen waren, die die punische Fruchtbarkeitsgöttin Tanit darstellten", sagt Pere Cortada. Es handele sich sozusagen um ein weibliches Gegengewicht. Tanit war die weibliche Hauptgottheit Karthagos. Sie gilt als Jungfrau, aber auch als Mutter des Fruchtbarkeitsgottes Baal.

Der Cap de Bou de Talapi befindet sich glücklicherweise weiterhin auf Mallorca: Die Skulptur ist eines der beein­druckendsten Ausstellungsstücke des Museu de Mallorca im alten Zentrum von Palma. Anderen Figuren wie den drei nicht minder faszinierenden Stierskulpturen von Costitx, die bereits 1895 ebenfalls auf einem Feld entdeckt worden waren, ereilte ein anderes Schicksal. Der Besitzer des Grundstücks namens Son Corró, auf dem sie gefunden worden waren, verhökerte sie einst für nicht allzu viele Peseten an das Nationale Archäologische Museum in Madrid.

So schön es ist, dass der Cap de Bou de Talapi in einem Inselmuseum bewundert werden kann (so denn die entsprechende Abteilung wieder öffnet), so sehr wünscht sich Josep Obrador noch etwas Feierlicheres. Die Skulptur - oder zumindest eine Nachbildung in Form einer großen Pappmaché-Figur von Andreu Company - soll zukünftig an jedem Sant-Antoni-Feiertag (19.1.) an der Spitze des feierlichen Umzuges vom Rathaus zur Kirche von Sa Pobla getragen werden.