Mit Hut, Tasche und wasserdichten Gummihosen stehen sie in fließenden Gewässern, werfen mit rhythmischen eleganten Bewegungen die Angelschnur vor und zurück und sind in ihrer eigenen Welt versunken. Jeder, der den Spielfilm „Aus der Mitte entspringt ein Fluss" von Robert Redford gesehen hat, hat ein Bild vom Flugangeln im Kopf. Sieht den jungen Brad Pitt in der idyllischen Natur von Montana stehen und den Schattenwurf üben, für den er die Angelschnur lang von links nach rechts über die Wasseroberfläche gleiten lässt, sodass die Bachforellen fast danach springen müssen.

Was hat Fliegenfischen also auf Mallorca verloren, einer Insel ohne Flüsse und natürliche Seen? Wir befinden uns auf der Finca Sa Tanca des Garbelló zwischen Calonge und Cala d´Or, wo vergangene Woche das erste Fly Fishing Camp Mallorca stattgefunden hat. Organisiert von Rolf Renell (56), der über unsere Frage nur leise lächelt. Der Kölner erklärt: „Beim Trockenfliegenfischen an Bächen und Flüssen benutzt man künstliche Fliegen als Köder, die auf der Wasseroberfläche schwimmen. Für größere Gewässer mit Raubfischen nimmt man Nassköder, sie imitieren kleine Fische und schwimmen unter Wasser. Fliegen heißen beide Köder, weil sie aus Federn und Haaren gebunden sind."

Die erste Lektion in Sachen FF (Fliegenfischen) haben wir gelernt. Und beobachten fasziniert, wie die zehn Teilnehmer vom Beckenrand des Finca-Pools ihre Angelschnüre wie Peitschen übers Wasser werfen. Für den Bruchteil einer Sekunde kommt der Köder mit der Wasseroberfläche in Berührung - da muss der Fisch ja wahnsinnig schnell zubeißen, denken wir laut. Wieder ein Lächeln von Rolf Renell, der mit elf Jahren Fliegenfischer in der flussreichen Eifel beobachtete und kurze Zeit später eine eigene Angel besaß.

Also gut, steigen wir noch ein wenig tiefer in die Thematik der über 2.000 Jahre alten Tradition ein, die Ende des 15. Jahrhunderts von den Engländern in Europa wiederbelebt wurde. „Autofahren lernt man nicht auf der Autobahn", zieht Rolf Renell den Vergleich, fürs Fliegenfischen braucht man anfangs eine ruhige Wasserfläche, um sich mit Material und Wurftechniken vertraut zu machen. Rolf Renell lebt seit 25 Jahren vom Fliegenfischen, er betreibt im Bergischen Land ein Fachgeschäft und bietet in ganz Deutschland Workshops an.

In den vergangenen Jahren fiel ihm auf, dass die Kursteilnehmer immer unentspannter wurden, schlecht abschalten konnten und das berufliche Erfolgsstreben auf ihr Hobby übertrugen. Im Fly Fishing Camp geht es nicht darum, die Leine so weit wie möglich auszuwerfen (30 Meter sind drin) und den größten Fisch an Land zu ziehen (auf Mallorca Wolfsbarsch, Barrakudas oder Bernsteinmakrelen), sondern die Teilnehmer lernen das Bewegungspotenzial ihrer Arme wieder auszuschöpfen (das sich oft auf Schreibtischumfang begrenzt).

Rolf Renell macht es vor: Die Angelroute locker in der Hand, führt er den Arm in einem Viertakt-Rhythmus nach hinten Richtung Ohr und wieder zurück Richtung Wasser. Die Schnur mit Köder bewegt sich in einem gleichmäßigen Bogen durch die Luft. Fliegenfischen hat viel mit Beobachten zu tun, Sensorik und Koordination sind gefragt. Die Praxis komme über die Wiederholung der Abläufe, Frauen und Kinder hätten das meist schneller raus als Männer, so Rolf Renell.

Hat man gelernt, die Schnur auszuwerfen, folgt Teil zwei im FF: Der Köder muss sich wie ein echtes Fischlein durchs Wasser bewegen, um die Beute anzulocken. Das erreicht man durch ruckartiges Einholen der Leine, im Pool kann man gut beobachten, wie die Fliege auf den Zug reagiert.

Obwohl es mit der Technik bei den meisten noch hapert, war die Gruppe bereits zum Fliegenfischen am Meer in Portocolom. „Hörner abstoßen", nennt Renell das. Denn gegen den Wind die Schnur auszuwerfen und mit verschiedenen Strömungen zurechtzukommen sei etwas ganz anderes, als am Pool zu angeln. Und die ausschließlich männlichen Teilnehmer sagen: „In Wathosen bei Sonnenaufgang im Meer zu stehen - das allein macht schon Spaß." Einige sind in Begleitung ihrer Frauen angereist, um den Urlaub in schöner Umgebung gemeinsam zu verbringen.

„Die Kombination Fischen und Urlaub funktioniert gut auf Mallorca", freut sich Rolf Renell, der das nächste Fly Fishing Camp auf der Insel für Herbst plant (Kursgebühr inkl. sechs Übernachtungen ab 1.240 Euro). Am Herzen liegt ihm aber nicht nur, Wissen rund ums Fliegen­fischen zu vermitteln, die Angelleidenschaft bedeutet für den Familienvater auch die Verbindung zu einer anderen Welt, in die er per Angelschnur abtauchen und entspannen kann. Ob man beim Fliegenfischen eine tiefere Spiritualität erlebt, wie die Männer im Film, das muss wohl jeder für sich selbst herausfinden.

Kontakt über die Website: fishingcamp-mallorca.com.de