Es bedarf des fast schweißtreibenden Engagements gleich zweier Frauen, um Marta Pérez die sogenannte faja engstmöglich um den Unterleib zu wickeln. Würde sie dieses breite Stoffband nicht tragen, „könnte ich mir bei 40 Kilogramm, die ich zu stemmen habe, schlimme Schäden am Rücken zuziehen", sagt sie.

Marta Pérez ist Angehörige der etwa 200 Mitglieder zählenden Palmesaner Bruderschaft Humildad y Paz (Bescheidenheit und Frieden) und wird mit 24 anderen Frauen zwischen 17 und 53 Jahren bei der Palmsonntagsprozession (9.4.) in Palma einen 1,4 Tonnen schweren paso tragen. Es wird das erste Mal überhaupt sein, dass bei der Semana Santa Frauen einen paso durch die Straßen ­tragen. Die dann auf dem Holzgestell befestigte Figur stellt die Virgen de la Paz dar, die Jungfrau des Friedens, die in der Kirche Santa Margarita am Carrer Sant Miquel steht und nicht zufällig so heißt. „Die Kirche gehört dem Militär, und das Militär bringt eben Frieden", sagt Marta Pérez.

Heute ist der 31. März, es ist Abend. Vor dem Lokal der 2008 ­gegründeten cofradía in ­Autobahn- und Tankstellennähe im Arbeitervorort Son Cladera steht der letzte Vorbereitungsmarsch an - noch ohne die virgen. Seit Januar hat die Bruderschaft bereits 14 dieser jeweils zwei Stunden langen Proben abgehalten.

Bier und Windeln

Das Vereinslokal im Carrer Cala Bona füllt sich zusehends. Nicht nur die beteiligten Frauen, auch deren Freunde und Verwandte und sonstige Mitglieder der Bruderschaft haben sich eingefunden. Weitere Neugierige wollen ebenfalls sehen, wie die Frauen das Gestell tragen. „Wie viele muheres hier doch sind!", ruft leicht verzückt ein jüngerer Mann mit andalusischem Akzent. An der Bar trinken mehrere Gäste Bier oder Cola, auf einem Tisch wird ein Baby gewickelt.

Mitten im Raum überragt Francisco Serrano Almuedo die meisten fast um Kopfesgröße. Er ist der Vorsteher der Bruderschaft. „Ich habe mich schon immer gefragt, wieso unsere virgen nicht ausschließlich Frauen vorbehalten sein soll", sagt er.

Zwar seien die Bruderschaften auf Mallorca seit den 80er-Jahren auch für Frauen zugänglich, aber es sei an der Zeit, einen weiteren Schritt nach vorn zu tun. Erstmals überhaupt war der Frauen-Paso am 13. September 2016 zum Einsatz gekommen - einem Tag, an dem Nuestra Señora de la Paz schon seit Jahren herausgetragen wird.

Die in helle Sweatshirts mit unübersehbarem cofradía-Emblem gehüllten und überwiegend weiße Turnschuhe tragenden Frauen benötigen etwa eine Stunde, sich für den Marsch vorzubereiten. Auf ihren Köpfen platzieren sie sich gegenseitig Tücher mit einer am unteren Ende knapp über dem Hals gelagerten Wulst, der sogenannten morcilla. „Darauf fällt das ganze Gewicht des paso", weiß Marta Pérez. „Belastet wird vor allem der siebte Wirbel, der ist bei Weitem der stabilste."

Aina, Estefi, Mari Carmen, Leti, Edurne, Laura, Luisa und all die anderen kriechen auf Geheiß von Francisco Serrano Almuedo behende unter das Holzgestell. Die Platzierung verläuft nach einem ausgeklügelten Verfahren: Die Stärksten­ heben die seitlichen Beine des Gestells, die ­Erfahrenen kommen an die Seiten, die Unerfahrenen in die Mitte. Wer groß gewachsen ist, kommt nach vorne, kleinen costaleras bleibt der hintere Teil. Gibt es Größenunterschiede in einer der sechs Reihen, schiebt die kleinste Frau ein Holzstück, einen sogenannten taco, zwischen Gestell und morcilla. Igualá heißt diese komplizierte Prozedur.

Blinklicht und Klöppel

Als es endlich so weit ist, schaltet ein Helfer ein auf dem Holzgestell befindliches oranges Blinklicht an. So etwas kennt man eigentlich nur von Ambulanzen oder Dienstfahrzeugen von Stadtwerken. Dazu spielt die schwermütige religiöse Musik, die auch bei der Prozession zu hören sein wird. Nach drei Klopfzeichen, die der sogenannte llamador mit einem speziellen Klöppel abgibt, stemmen die Frauen bei der levantá den paso mit einem Ruck in die Höhe.

Kurz danach bewegen sich die Frauen mit Trippelschritten aus der Garage des Vereinslokals heraus. Neben ihrem paso steht noch ein weiterer, der den Männern vorbehalten ist. Zwei in gelbe Westen gehüllte Helfer halten die Autos auf Distanz. Es geht unterbrochen von Pausen Hunderte Meter voran um einen Straßenblock. Die Frauen kommen ins ­Schwitzen und müssen zwischendurch immer wieder Wasser trinken.

Es ist eine fast übermenschliche Anstrengung. „Viele beten, wenn sie den paso hochheben", sagt Marta Pérez während einer der Pausen. Sie schaut leicht ermattet Richtung Inca-Autobahn. „Der Glaube verleiht einem halt noch zusätzliche Kraft."

Fürs Erste kommt der Frauen-Paso nur Palmsonntag zum Einsatz, die restlichen Prozessionen bestreiten die Männer. Die cofradía verfüge nicht über genügend Mitglieder, um zwei pasos auf einmal durch die Straßen zu tragen. Ein Anfang aber ist gemacht. „Ich mache das, weil ich mich danach reiner fühle", sagt costalera Edurne in einer der Pausen. „Dann bin ich Gott näher."