Im Park des Castell Bellver öffnen sich dieser Tage die Blüten der Orchideen. Grund genug, um mit dem schwedischen Experten Sven Jonasson eine botanische Exkursion zu unternehmen, die am Eingang von Sa Teulera in der Nähe von Son Dureta beginnt. Hier führt ein breiter, mit Natursteinen gesäumter Weg zu hohen Kiefern nebst

Unterholz.

Nach etwa zehn Minuten ist eine Lichtung erreicht, Pfosten mit Seilen trennen linker Hand Weg und Wald. Vorsichtig betritt der 72-Jährige eine bemooste Fläche. Zunächst ist er empört. „Hier wuchsen vor ein paar Jahren noch an die 300 Orchideen“, sagt Jonasson, der 2014 ein Buch über die Orchideen im Park Bellver veröffentlichte. 17 der rund 40 auf der Insel vorkommenden Arten wachsen hier.

Doch so schnell, wie sein Ärger kam, verfliegt er, denn hier wächst der Einschwielige Zungenstendel (Serapias lingua bot., gallos span., galls kat.) in einer Kolonie mit 20 Exemplaren. Dieses Jahr ist diese Art mit knapp 20 Zentimetern relativ klein, sonst könne sie ohne Weiteres 35 Zentimeter erreichen, erklärt der emeritierte Professor der Universität Kopenhagen, der seit 2008 Inselorchideen bestimmt. Viel weiter hoch geht es allerdings auch in guten Jahren nicht: „Alle europäischen Orchideen sind kleinwüchsig“, sagt Jonasson.

Mit wenigen Ausnahmen ernähren und vermehren sich die Inselorchideen durch Tochterknollen. Als Nährstoffspeicher helfen sie, trockene Sommer zu überstehen. Doch die spärlichen Niederschläge in der ­Wintersaison 2015 und 2016 hinderten die Zwiebeln an ihrer Entwicklung, so kommt es, dass manche Arten in diesem Jahr kleiner ausfallen.

Jonasson biegt rechts auf einen schmalen Pfad ab. Nur mit größter Vorsicht bewegt er sich zwischen den Macchia-Sträuchern, hier wächst, nur fünf Zentimeter hoch, der Spiegel-Ragwurz (Ophrys speculum bot., espejo de venus span., mosques blaves kat.). Seine spektakulären Blüten zählen zu den Highlights des Ausflugs, denn die pelzigen braunen Lippen mit dem schillernd leuchtenden Mal sind eine Nachahmung des Hinterteils weiblicher Insekten. Damit und mit Duftstoffen verführen mehrere Ophrys-Arten männliche Insekten zur Pseudokopulation - und zwar genau zu dem Zeitpunkt, an dem die weiblichen Insekten noch nicht paarungsbereit sind. Das männliche Insekt verteilt danach Pollen, auch wenn es um seine Lust betrogen worden ist.

Nach der Befruchtung bilden sich Früchte, die Samen enthalten. „Sie sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen“, sagt der Experte. Doch sie stellen, neben der unterirdischen Knollenbildung, eine weitere Chance für die Vermehrung dar. Keimen können diese Samen jedoch nur, wenn sie auf Pilze fallen, mit denen sie in Symbiose leben.

Wenige Meter weiter wächst eine weitere Ophrys-Art, der Balea­ren-Ragwurz (Ophrys balearica bot., borinot kat.) in durchaus stattlicher Höhe von etwa 20 Zentimetern. Die Blütenblätter sind rosa, ein schildförmiges blaues Mal befindet sich auf dem unteren Teil der schwarzbraunen Lippe. Es handelt sich um die einzige endemische Orchideenart auf den Balearen.

Nicht weit davon entfernt zeigt Sven Jonasson auf das Langspornige Knabenkraut (Orchis longicornu bot., abellera banyuda kat.). Es lockt Insekten in seine röhrenförmige Blüten. Da einige Exemplare verblüht sind, kann der Botaniker verdickte Ovarien ertasten. Dicht bei einer Kiefer steht auf der linken Seite des Weges die Pyramidenorchis (Anacamptis pyramidalis bot., orquídea piramidal span., barreret kat.). Noch sind die rosa Blüten nicht voll ausgebildet, denn sie gehört zu den späteren Blühern. Wie auch der Violette Dingel (Limodorum abortivum bot., clavell kat.). Nur ein einziger violetter Trieb, der an einen Spargel erinnert, ist zu sehen. „Der Violette Dingel ist ein Selbstbestäuber“, sagt Jonasson, er überlebe als Solitär und brauche keine Insekten.

Auch Jonasson geht jetzt alleine den Weg weiter, in Eile verabschiedet er sich. Für einen GPS-Führer der Inselorchideen - knapp 40.000 hat er schon - muss er noch weitere Standorte finden. Bis jetzt war Konzentration auf das Finden und Erkennen der Orchideen angesagt. Jetzt erst fällt auf, wie zauberhaft sich der Waldpark im Frühjahr zeigt. Üppig blühen Zistrosen in Weiß und Pink sowie Lavendelsträucher in Blauviolett.