„Die Welt liebt Gewinner", sagt Gerard Armengol (35). Der Illus­trator aus Palma veröffentlichte Arbeiten in der „New York Times", gewann mit seinen Illustrationen für Buch- und CD-Cover mehrere Preise und träumt von einem Leben als freier Künstler. Ohne sich ständig mit anderen messen zu müssen, wie er betont. Sein letzter Auftrag als Illustrator liegt inzwischen zwei Jahre zurück, ein Entwurf für ein CD-Cover. Da er vom Zeichnen nicht leben kann, wie er frei heraus zugibt, arbeitet er derzeit als Koch in einem Restaurant in Santa Catalina. Es stört ihn, dass heute jeder mit dem, was er tut, triumphieren will.

„Warum reicht es nicht, seine Sache gut zu machen?", fragt Armengol. Konkurrenzkampf lehnt er ab, doch sich besser verkaufen können, das würde ihm gefallen. Wir treffen ihn in seinem Viertel Santa Catalina, wo er aufwuchs, denn sein Atelier in Lloseta läge gerade brach. Unsere Bitte: eine spontane Illustration auf den Asphalt zu zeichnen. Fürs Foto. „The New Wave, The Surfers" nennt er sein Kreide-Werk mit strichförmigen Männchen, die mit ihren Brettern dynamisch auf den Wellen tanzen. Er signiert und macht noch schnell ein Foto für Facebook.Lange gebraucht, um Stil zu vereinfachen

Wir ziehen weiter auf eine Parkbank an der Kirche Parròquia Immaculada. Von hier sieht man das Elternhaus, in dem seine Mutter noch heute wohnt. Wir dachten eigentlich, das Interview in einer Bar zu führen, mit einem Getränk dazu. Doch Gerard mag es schlicht. Eine Zigarette, mehr braucht er nicht für das Gespräch.

Seine oft schmucklosen, manchmal fast spartanischen Zeichnungen werden in der Szene als art brut bezeichnet, als eine Kunst jenseits etablierter Formen und Strömungen, die an Arbeiten von Tapies oder Picasso erinnert. „Ich habe lange gebraucht, um meinen Stil zu vereinfachen", erklärt Armengol. Anfangs zeichnete er detailreich, mit Perspektive, Schatten oder Kolorierung. „Mein Stil war stark von der Universität geprägt", so Gerard Armengol, der die Kunsthochschule Massana in Barcelona abschloss.Das Notizheft immer dabei

Erst während seiner Studienjahre am MICA (Maryland Institute College of Art) in den USA habe er zu seinem eigenen Ausdruck gefunden. „In Amerika habe ich neue Zeichner kennengelernt und wollte meinen Stil bewusst deformieren, die Zeichnungen sollten immer simpler aussehen", erzählt Gerard Armengol. Eine gute Hilfe waren ihm seine schnellen, groben Skizzen, die er damals von allem anfertigte, was ihm begegnete und ihn inspirierte. Sein Notizheft trug er immer mit dabei.

Schon während seines Studiums gewann er Preise wie den Premi Junceda für das beste Buch­cover („La consecució del temps"). 2010, während seiner Zeit am ­MICA in Baltimore veröffentlichte die „New York Times" ein Interview mit ihm und zeigte dazu ­Illustrationen.Richtige Zeit, richtiger Ort

Ein paar Jahre später, wieder zurück auf Mallorca, illustrierte er das Kinderbuch „Edu y la mejor casa del mundo", in dem Kindern die Welt der Architektur erklärt wird. Danach folgten einige CD-­Cover und Gruppenarbeiten für Bücher. „Nichts Großes", erinnert sich Armengol. An Talent habe es ihm nie gemangelt, das spüre er, doch zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein - das habe bei ihm nicht allzu oft geklappt. Er denkt an das Treffen mit einem US-amerikanischen Buchagenten, das nie zustande kam, weil sie sich zweimal ­verpassten.Keine Arbeit für Illustratoren

Oder an das Projekt mit einem spanischen Buchverlag. Die Verleger zerstritten sich und der Verlag zerbrach, bevor Gerards Arbeiten aus seinem Sketchbook in Buchform erschienen. Oder Fall drei: Noch als Student wurde er für den Animationsfilm „Chico & Rita" engagiert, bei dem der spanische Designer und Illustrator Javier Mariscal Regie führte. Doch das Projekt verschob sich, der Film erschien erst Jahre später, ohne Gerard Armengols Mitarbeit.

Er würde gern ein neues Buch machen, sagt er, doch es gäbe keine Arbeit für Illus­tratoren. „Der Markt ist

klein, gerade auf Mallorca. Und im Internet findet man vieles gratis, das hat die Wahrnehmung der Menschen extrem verändert." Für die USA bekam er damals kein Arbeitsvisum, sonst hätte er sich vorstellen können, dort zu bleiben. „Auf Mallorca gefällt es mir aber, die Insel hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert und wird immer internationaler", so Gerard Armengol. Der Preis dafür, hier zu leben, sagt der Illustrator, sei nun mal Anpassung: „Es gibt immer mehr Touristen, die etwas Gutes essen wollen."Kreativität legt man nicht ab

Sein Notizbuch trägt er immer noch im Rucksack mit sich he­rum, alle paar Seiten gibt es darin eine Zeichnung, meistens Motive mit Küchenbezug. Dazu Rezepte, Koch- und Küchenkniffe. Wer weiß, vielleicht wird daraus ja mal ein illustriertes Kochbuch. „Ich werde immer Künstler bleiben, Kreativität legt man nicht einfach ab", sagt Armengol. Doch die Arbeit als Koch fresse seine Energie gerade bis zum letzten Tropfen auf.

„Ich bin Perfektionist und erst zufrieden, wenn der Gast nicht nur das Essen lobt, sondern eine persönliche Erfahrung macht, an die er sich zu Hause erinnert." Er zitiert frei Josep Plà, einen katalanischen Autor, den er verehrt: „Ein Gericht ist wie ein gutes Bild, es erfüllt dich mit Glück und zahlreichen Empfindungen, die für immer bleiben."