Es ist ein Trend, den wir den Hipstern US-amerikanischer und europäischer Großstädte zu verdanken haben. Mann trägt wieder Bart. Und der will gepflegt sein. Mit Stil. Wie damals im Barber Shop. Die von Dumping-Angeboten gebeutelte Friseurbranche hat wieder eine Erfolgsgeschichte. Drei Beispiele aus Palma.

Verspielter Londoner Charme

Als Carlos Martín 2014 drei Räume seines Friseurgeschäfts in Palma in einen luxuriösen Barber Shop verwandelte, schwebte ihm ein Salon wie in der Jermyn Street vor, einer Straße im Zentrum Londons mit kleinen exklusiven Läden. Ein geschützter Raum für Männer, ohne direkten Zutritt von der Straße und mit ausgesuchten Antiquitäten eingerichtet - wie einem Friseurstuhl von 1820, venezianischen Spiegeln oder einem antiken Friseurofen, in dem Handtücher und Scheren erwärmt wurden. „Es war Zeit für eine Erneuerung des Herrensalons in Spanien", sagt Carlos Martín, der sein Handwerk mit der Klinge als 19-jähriger Azubi lernte. Seither ist der Mallorquiner viel herumgekommen, saß in Barber Shops in London genauso wie in Istanbul, um sich Kniffe seiner Kollegen abzugucken.

Zu seinem 45-minütigen Angebot Barber Spa (49 Euro) gehören neben Waschen (um die Barthaare weicher zu machen), Bartkorrektur oder klassische Rasur auch eine Shiatsu-Kopfhautmassage. Für die schnelle Rasur auf dem Weg zur Arbeit bietet sich die 15-minütige Barber-Express-Behandlung an (15 Euro). Seine Kundschaft besteht zu 70 Prozent aus Ausländern, zwischen 35 und 55 Jahren. Lange wilde Bärte, sagt der 42-Jährige, seien out. Den Bart trägt Mann heute wieder kurz und gepflegt. Zum Barttrimmen arbeitet er mit warmen Handtüchern, um die Hautporen zu öffnen, anschließend kommen Barthaarschneider, Bartschere sowie japanische Rasiermesser zum Einsatz. Zum Abschluss gibt es ein Öl oder Parfum (Sandelholzaromen für den reifen Mann, Mentholkomponenten für den unter 30-Jährigen). Zum Rundumservice gehören Zeitschriften, Getränke (gratis) sowie Sushis zum Bestellen. Der Sushi-Shop liege nicht weit entfernt, so Carlos Martín. Fast so wie in der Jermyn Street.

Carlos Martín Peluqueros, Costa de sa Pols 5, Palma, Tel.: 971-72 20 85, www.carlosmartinpeluqueros.com

Gauner und Herren

Im Friseurstuhl lümmelt, ja liegt ein glatzköpfiger Kunde mit dicker Uhrenkette und imposantem Bart. Wohl eher der Gauner-Typ (truhán), der sich im schlicht-stylischen Barber-Ambiente mit gekacheltem Waschplatz, vertäfelten Wänden, Kugellampen und grasgünen Kinosesseln (Wartebank) genauso aufgehoben fühlen soll wie jeder andere Mann auch. Das zumindest hoffen José Maria Ojeda (46) und Marcos Vich (44), die seit knapp zwei Jahren das Truhán & Señor betreiben.

Bartträger aller Nationalitäten lassen ihr Haar hier in Form bringen, 10 bis 15 Euro kosten Trimmen, Ölen, Föhnen, Bürsten. Gearbeitet wird mit Maschine, Schere, Klinge, wie bereits vor 30 Jahren, als die Väter am Samstagmorgen den Friseur besuchten, erzählt Marcos Vich. „Heute ist der Bart eine modische Aussage, zu der man sich jede Menge Kommentare anhören muss", so der Friseur aus eigener Erfahrung. Das sei ein Grund mehr, warum das Erlebnis Barber Shop funktioniere. Auf Männer-Chichi (Whisky, Bildbände, Smoking-Area) wird in der Carrer Missió verzichtet, und Passanten können durchs Schaufenster den Handwerkern jederzeit beim Schnippeln zusehen. Demnächst soll in Arenal noch ein zweiter Herrensalon nach 30 Jahren auf den neuesten Stand gebracht werden. Denn auch in der Urlauberhochburg gibt es genügend Hipster (echte und vermeintliche) mit haarigen Bedürfnissen.

Truhán & Señor, Carrer de la Missió 2, Palma, Tel.: 971-78 13 02, www.truhanseñor.com

Gediegener Rückzugsort

Wo Mann wieder Mann sein kann, lautet das Motto im Syndicate Barbers, der 2015 an der Plaça Progrés eröffnete. Was das bedeutet, kann wohl nur eine Frau fragen, die hier trotz Schild an der Tür (Kein Zutritt für Frauen) äußerst zuvorkommend behandelt wird. Inhaber Bob van den Hoek (49) erklärt das Mannsein so: „In geschützter Atmosphäre entspannen und seine Persönlichkeit pflegen, einen Drink genießen, Musik von der Platte hören, über Politik, Sport und die Insel reden." Der Barber Shop als gediegener Rückzugsort für Männer, die sich um ihr Aussehen kümmern wollen - das spiegelt auch die gelungene Einrichtung des Syndicate Barbers wider, die Vintage-Expertin und Lebensgefährtin Ariela Schönberg übernahm.

Neben dem inszenierten Look von Möbeln und Accessoires aus den 40er- bis 70er-Jahren zähle aber vor allem solides Friseurhandwerk, so Bob van den Hoek, der zur alten Haarschneider-Gilde gehört, die in seiner Heimat Holland bis heute Tradition hat. Eine klassische Nassrasur mit heißen Tüchern, um die Rasur schonender für die Haut zu machen, lernten junge Friseure üblicherweise nicht mehr. Und in der Meisterprüfung fehle das fachmännische Rasieren mit der Klinge, so der Mallorca-Resident. Für seine VIP-Rasur (20 Euro) setzt er das warme Handtuch gleich zweimal ein, um mit extra Creme und viel Zeit in alle Wuchsrichtungen arbeiten zu können, ohne die sensible Gesichtshaut zu verletzen. Zum Abschluss legt er ein kaltes Handtuch auf, um die Poren zu schließen, fertig.

Kein Ölen, Bürsten, Pflegen? Bob van den Hoek verzieht den Mund: „Alles Show." Warum das Konzept Barber Shop funktioniert, liegt für ihn auf der Hand: „Der Mann will nicht länger das Anhängsel der Frau im Damensalon sein, sondern machen, was er denkt, und sich wieder als Mann fühlen." Das sagte er ja bereits...

Syndicate Barbers, Plaça Progrés, 7, Palma, Tel.: 661-01 52 15, www.syndicate-barbers.com