„Dieser Garten wirkt wie ein Gemälde", sagt Erika Könn, als sie sich den Grundriss der Jardines de Marivent in Palma genau ansieht. Sie wird die MZ bei dem Rundgang begleiten - auch die Gartenarchitektin aus Binissalem kennt die Anlage noch nicht - die seit dem 2. Mai 2017 für das Publikum geöffnet ist. In dem Gartenplan sieht Könn die Darstellung einer weiblichen Figur.

Diese können Besucher auch auf den Infotafeln am Eingang finden, nebst 40 botanischen Namen der Pflanzen, die hier wachsen sowie deren Übersetzung ins Spanische, Katalanische und Englische. In dem Plan sind die Standorte der Gewächse mit entsprechenden Nummern versehen. Insgesamt ist der Park rundum die königliche Residenz 32.000 Quadratmeter groß.

Besichtigt werden können jetzt die 9.255 Quadratmeter, die sich direkt hinter der Mauer in Cala Major befinden. Eigentlich handelt es sich um den „Vorgarten" des Palastes, der hoch oben auf dem Hang liegt.

Das Haupt der Dame

„Es ist typisch für südliche Gärten, dass Palmen bei der Ankunft begrüßen," erklärt Könn. Denn gleich am Eingang wächst eine Kanarische Dattelpalme (Phoenix canariensis) und eine Echte Dattelpalme (Phoenix dactylifera). Gleich

daneben wird es tropisch, denn hier breitet sich der Goldrohrbambus (Phyllostachys aurea) aus. Man erkenne ihn an den Einkerbungen am Halm, so die Expertin, weil er aber viel Wasser schlucke, sehe man ihn auf der Insel selten so attraktiv. Ihn überragt daneben eine riesige, weiß blühende Baumstrelitzie (Strelitzia alba). Von hier aus sind es nur wenige Schritte zu einem kleinen runden Rasenstück. Laut Plan stellt er den Kopf der Frauenfigur dar.

In der Mitte des Rasens zieht die erste von insgesamt zwölf Skulpturen Joan Mirós die Blicke auf sich, die von den Erben des Künstlers für den Park gestiftet worden sind. Drei hohe Zypressen wachsen am Rand des Rasens und rundum reihen sich sorgfältig in Form geschnittene Gewächse, deren Blätter in verschiedenen Grüntönen leuchten. Hier wachsen unter anderem Mastix (Pistacia lentiscus) aber auch die Kreuzblume (Polygala myrtifolia) oder der als Heckenpflanze bekannte Klebsamen (Pittosporum).

Wie alt sind die Bäume?

Das Gelände auf den von Kiefern bewaldeten Klippen wurde 1923 von dem griechischen Ingenieur, Künstler und Mäzen Ioannes de Saridakis erworben, nachdem er in Chile zu Vermögen gekommen war. Nach seinem Tod vermachte seine Witwe das Anwesen der mallorquinischen Provinzdeputation. Seit 1975 ist das Anwesen Marivent offizielle Residenz der Königsfamilie. 2016 kam es zur Vereinbarung, dass das Publikum den „königlichen Vorgarten" neuneinhalb Monate im Jahr besichtigen kann. Geschlossen bleibt er jedoch während der Ferienzeiten der Royals.

Die Frage, wie alt die Pflanzen in dem fast einen Hektar großen Gartenabschnitt sind, ist schwer zu beantworten. „Sicher hat die eine oder andere Zypresse schon hundert Jahre auf dem Buckel", meint Könn. Ein Archivbild aus den 90er-Jahren zeigt, dass der Grundriss der Frauenfigur schon damals von niedrigen Hecken markiert war. Auch die Pittosporumbäume gab es schon. Die Anlage scheint in diesen Jahren jedoch eher spärlich bepflanzt gewesen zu sein. Die in Form geschnittenen grünen Gewächse sowie Blühpflanzen wie Rosen, Pfeiffenputzer und Agapanthus sind frisch gesetzt.

Die Alleen

Von dem runden Rasenstück führt der Hauptweg durch die gesamte Länge des Gartens. Gesäumt ist er von mehrstämmigen, blühenden und herrlich duftenden Pittosporumbäumen. Sie wirken zierlich und ragen aus Hecken der gleichen Spezie. Die Kronen berühren sich fast in der Mitte und spenden dem Spaziergänger Schatten.

Nach links und nach rechts zweigen danach oval verlaufende Wege ab. Rechter Hand liegt nun der arabisch wirkende - mit blau-weißen Fliesen eingefasste - Brunnen etwas fremd in der Umgebung, in der Grüntöne dominieren. Diesen Eindruck werden vielleicht die davor gepflanzten Agapanthussträucher mildern, wenn sie im Sommer ihre weißen oder blauen Blüten öffnen. Ganz in der Nähe ist ein tunnel­artiger Rundbogen zu queren, auf dem dicht an dicht Bougainvilleen klettern, Polster bilden und gerade dabei sind, ihre hellvioletten Scheinblüten zu öffnen. Auch die Hecken des Hauptweges bilden hier Bougainvilleen, die jedoch des Formschnitts wegen nicht blühen. Sie umrahmen links und rechts Zitrusbäume, deren halbrund gestutzte Kronen durch ihre Form und hellgrüne, frische Triebe beeindrucken.

Von hier aus kündigt sich bereits eine quer verlaufende Allee an, die von Zypressen gesäumt ist. Zwischen den Stämmen sind, in kleinen Beeten aus Marèssteinplatten, Salbeisträucher gepflanzt, die in hellem Rot blühen. „Ein Garten der von Formen, Grüntönen und Blattstrukturen lebt, hat ein paar blühende Kräuter nicht nötig, sie wirken zwischen die Zypressen gequetscht fehl am Platz", sagt Könn. Rechts am Ende der Allee steht, von Pflanzen rund umwuchert, eine gemauerte Sitzbank, die ebenfalls weiß blaue Fliesen ziert.

Am anderen Ende der Allee führt eine Ziegeltreppe zu einem Zaun aus Armierungsgittern. Links ist eine verschlossene Tür zu erkennen, rechts steht eine weitere Skulptur von Miró. Doch die Treppe führt ins Nirgendwo: Hinter dem Zaun beginnt ein mit Kiefern bewachsener Wald mit Unterholz. Geht man den Weg an der Pittosporumhecke entlang ein paar Schritte weiter, ist zwischen Kiefernstämmen der Marivent-Palast zu sehen. Vielleicht war die Treppe zu ihrer Zeit eine Verbindung zwischen Palast und Garten. Heute müsste die Königsfamilie einen verwilderten Waldhang hinabklettern, um ihren Vorgarten zu erreichen.

Vor einem stark gestutzten Weißen Maulbeerbaum (Morus alba), der aus dem Rund einer Rosamarinhecke ragt, ergibt sich ein spektakulärer Blick zurück auf die wie Treppen wirkenden Baumkronen, Formschnitte und Hecken. Die gezähmte Natur, die dennoch natürlich wirkt, erinnert von hier aus an die Gestaltung japanischer Gärten.

Am Ende des Rundgangs begegnet man wieder dem Goldrohrbambus. Um die Mittagszeit sprudelt und gurgelt das Wasser aus den Rohren. Könn hat recht, der Bambus schluckt wirklich viel Wasser.

Königsgarten gucken: Eingang über Av. Joan Miró. Vom 1.5. bis 30.9. von 9 bis 20 Uhr. Vom 1.10 bis 30.4. von 9 bis 16.30 Uhr. Ausgenommen die Woche vor und nach Ostern sowie vom 15.7. bis zum 15.9. Eintritt frei