Mit den Besitzern der Finca ist gut Kirschen essen: Denn auf ihrer Plantage wachsen tausend Kirschbäume, viele von ihnen tragen so schwer an ihren Früchten, dass ihre Äste den Boden berühren. An manchen leuchten die cerezas (span., cirera kat.) hellrot, an anderen wiederum purpur- oder dunkelrot, bis hin zu blauem Schwarz.

Der Rundgang durch den Obstgarten wird so schnell zur Kirschen­verkostung. Hier schmecken Kirschen noch richtig nach Kirschen und stehen der Süße eines Lollis mit künstlichem Kirschgeschmack in nichts nach. Doch im Gegensatz zu Bonbons bieten die Früchte auch zartes Fruchtfleisch, das mal ­dicker, mal dünner den Stein einhüllt. Fast wird es einem schwindlig angesichts der vielen Sorten. Einige würde man wiedererkennen, doch viele sind sich ähnlich und unterscheiden sich nur durch ihre Anteile von Fruchtsäure und Fruchtzucker. Doch dazu später mehr.

„Früchte, die man frisch verzehrt und nicht schält, wie beispielsweise Kirschen, Erdbeeren oder Aprikosen, sollten eigentlich aus biologischem Anbau stammen", sagt José Romero (65) aus Extremadura. Gemeinsam mit seiner mallorquinischen Ehefrau Cati Crespí erwarb Romero 1986 fünf Hektar Land bei Valldemossa. Das Paar lernte sich während der Krankenpflegerausbildung kennen. Heute ist er in der Clínica Rotger auf Bluttransfusionen, sie bei der Mutua Balear auf Arbeitsunfälle spezialisiert. Beide absolvieren viele Nachtschichten und arbeiten an ihren freien Tagen auf dem Stück Land, das nicht nur ein Hobby, sondern ihr Ein und Alles ist.

Es verbirgt sich ein paar Meter nach dem Wanderern wohlbekannten s'Estret de Valldemossa, dem Start zum Aufstieg zum Puig de Sa Bombarda. Ursprünglich gehörte das Tal zur Possessió Son Morro. Im Süden grenzt es an den Torrent d'Avall, im Norden an die viel befahrene Straße nach Valldemossa. Hier finden die Bäume in 230 Metern Höhe das raue Klima für ihre winterliche Vegetations­phase, ideal sind sieben Grad. „Kirschbäume könnte man sogar in der Karibik pflanzen, sie würden aber keine Früchte tragen", sagt Romero. Auf dem Stück Land cerezos zu pflanzen, lag nahe, denn er selbst stammt aus Badajoz in Extremadura: Die Provinz ist bekannt für Kirsch­exporte aus dem Valle de Jerte. Die Früchte des Tals verfügen über ein eigenes Herkunftsiegel (PDO Cereza del Jerte), und zur Erntezeit ist das Tal ein beliebtes Reiseziel.

Von Baumschulen auf der Iberischen Halbinsel stammen auch die Bäume, die im Obstgarten gepflanzt wurden. Die ältesten unter ihnen sind 25 Jahre alt, sie tragen jedes Jahr rund 30 Kilogramm Früchte, die jüngsten sind gerade einmal ein Jahr alt und müssen erst erwachsen werden, bevor sie tragen. Ein cerezo kann schon mal 60 Jahre alt werden, vorausgesetzt er bleibt gesund - das Ehepaar schafft die Voraussetzungen dafür.

Der biologische Anbau

Zwischen den Baumreihen geht es sich nicht gerade bequem. Die Erde ist mit einer dicken Schicht getrockneten Grashalmen bedeckt. Denn zwischen den Kirschbäumen darf Unkraut wachsen. Weil jedoch zu hohes Gras beim Ernten stört, wird es abgemäht und auf dem Boden ausgebreitet. So schützt es vor dem Verdunsten von Feuchtigkeit. „Ich pflüge nur selten, beispielsweise vor dem Pflanzen neuer Bäume", erklärt der extremeño. Doch wenn er pflügt, sperrt er die frei laufende Hühnerschar - die Kücken sind heute morgen geschlüpft - in den Stall, damit sie die Boden lockernden Würmer nicht fressen.

Eine Amsel fühlt sich durch die Besucher beim Anflug auf ihr Nest gestört, das mitten in der Krone eines Kirschbaums sitzt. „Wir haben die dicksten Amseln auf der Insel", sagt die Mallorquinerin. Mit gefräßigen Vögeln muss sich das Paar die Ernte zwar teilen, doch die Gefiederten sind auch Partner im Kampf gegen Schädlinge, wie beispielsweise die Mittelmeerfruchtfliege (Ceratitis capitata), die Kirschfruchtfliege (Rhagoletis cerasi) oder die in diesem Jahr erstmals aufgetauchte Kirschessigfliege (Drosophila suzukii).

Um zu erkennen, welche Schädlinge im Anflug sind, hängen an den Bäumen gelbe Klebetafeln. Heute ist auch ein Nachtfalter hängengeblieben,was nicht gut ist, dafür aber keiner der oben erwähnten Schädlinge. Sobald die auftauchen, müssen neue Fallen aufgestellt werden, die mit Hormonen gesättigt sind oder mit in Essig aufgelöstem Zucker - alles Methoden, die im Ökoanbau erlaubt sind.

Frühe und späte Sorten

Frühkirschen, wie beispielsweise die Cristobalina, blühen im Februar als Erste. Bäume, deren Kirschen jetzt reif sind, im März und April. Ältere Sorten brauchen Bestäuber, um Früchte zu bilden, moderne sind Selbstbestäuber.

Im Hort de Son Morro wachsen rund 30 verschiedene Sorten. Die Süßkirschen sind Herz- oder Knorpelkirschen im Gegensatz zu Sauerkirschen, die auf der Insel nicht gedeihen. Knorpelkirschen sind klein, ihr Fruchtfleisch ist fest, Herzkirschen dagegen sind größer, und ihr Fruchtfleisch ist zarter, den botanischen Namen Prunus avium teilen sie sich.

Das Ehepaar hat auch die Inselkirsche Capellà in ihrer Sammlung. Sie sind etwas kleiner als die vom Festland, ihr Geschmack ist jedoch extrem intensiv und süß.

Bei einigen aus spanischen Baumschulen stammenden variedades ist der Kauf mit einem Sortenschutz verbunden. Der Plantagenbesitzer verpflichtet sich, die Bäume nicht zu vermehren und zu verkaufen. Doch wird niemand verhindern können, dass die Wurzeln einiger Bäume Tochterpflanzen bilden, die Romero dann mit Ästen von Sorten veredelt, von denen er weiß, dass sie auf seiner Plantage gut gedeihen.

Für dieses Wissen musste er schon Lehrgeld zahlen. Denn dort, wo das Grundstück dem s'Estret sehr nahe liegt und sich Schilfrohr ausbreitet, ist der Boden feucht, und die Pflanzungen sind eingegangen. Es galt herauszufinden, welche patrones - so nennt man Unterlagen für die Veredelung - Feuchtigkeit vertragen und dort gepflanzt werden können. Andere patrones sind ­trockenresistent, sie kommen im höher ­gelegenen Teil des Gartens, der mehr Sonnenstunden täglich ausgesetzt ist, besser zurecht.

Obwohl durch zwei Quellen und einem romantisch gelegenen safareig, einem Wasserreservoir, in dem Hyazinthen wachsen, viel Wasser gespeichert wird, gießt man vorsichtig. Jungbäume sind an eine Tröpfchenbewässerungsanlage angeschlossen, betagte Bäume brauchen nur bei großer Trockenheit Wasser.

Reiche Ernte

Die meisten Kirschsorten werden mit Stielen geerntet, beim Pflücken lässt Cati Crespí große Sorgfalt walten. Sie zeigt auf den kleinen Zweig, an dem die Kirschstiele sitzen. „Das ist der Fruchtstand, er darf auf keinen Fall beschädigt werden", sagt sie. An ihnen sind Jahresringe erkennbar, maximal sieben Jahre trägt ein Baum am gleichen, etwa acht Zentimeter langen Zweig, danach vertrocknet dieser und ein neuer Fruchtstand bildet sich.

Doch nicht alle Kirschen werden mit Stiel geerntet. Crespí pflückt jetzt einige Kirschen der Sorte Lapins vom Stiel und zeigt, dass sich an der Stelle, wo sie mit diesen verbunden war, sofort Flüssigkeit staut - sie schließt die Wunde. Diese Kirsche darf ohne Stiel in den Handel und sich picota nennen.

Noch bis Ende Juni werden im Tal bei Valldemossa Kirschen geerntet. Wenn diese Saison so gut wie die vorigen läuft, werden etwa drei Tonnen zusammenkommen. Zur Erntezeit versammeln sich Freunde und Verwandte und helfen beim Pflücken. Sind die Kisten voll, transportiert man sie zu Verkaufsstellen für ökologisches Obst auf der Insel (etwa in der Markthalle von Santa Catalihna oder samstags auf der Plaça del Bisbe Berenguer in Palma sowie in Alaró). Für nächstes Jahr plant das Ehepaar feste Wochentage, an denen Kirschen direkt vom Hof gekauft werden können. „Interessant sind natürlich Abnehmer großer Mengen", sagt Romero. Denn die Kirschen warten nicht, wenn sie reif sind. Erntet man sie nicht sofort, werden die Amseln im Tal eindeutig zu dick.

L'Hort de Son Morro, Kilometer 14,6 auf der Straße von Palma nach Valldemossa, José Romero Tel.: 629-74 31 84