Nein, die Räumlichkeiten im Carrer Mercadal, 12, im Zentrum von Manacor im Osten von Mallorca beherbergen keine Apotheke mehr - obwohl in großen Lettern „Farmacia" auf der antiken Fassade über der Eingangstür zu lesen ist. „Ja, ich will ein bisschen ausbrechen aus dem System", sagt Catalina Julve. Ihr breites Lächeln wirkt ungeschminkt und natürlich, ihre Gesten bestimmt. Sie weiß, was sie will: ihre Kunst an den Kunden bringen - und die anderer Künstler gleich mit.

„Eigentlich hatte ich immer daran gedacht, eine Galerie aufzumachen. Aber das war mir dann doch zu riskant", erzählt sie. Stattdessen eröffnete sie am 19. Juni das „Papillon Centre d'Art" in dem Lokal, in dem jahrelang die Farmacia Llodrà untergebracht war. Seit deren Schließung vor zehn Jahren stand es leer. „Der Besitzer des Gebäudes wollte, dass hier etwas Besonderes reinkommt und dass die Fassade erhalten bleibt", berichtet Catalina Julve. Beides soll das „Papillon" erfüllen.

Laden? Galerie? Sammelstelle für lokale Kunst? „Es ist eine Mischung aus allem", so Julve. Noch hat sie den Begriff selbst nicht ganz klar definiert, auch die Öffnungszeiten („ungefähr so, wie die von normalen Geschäften") variieren noch leicht. „Concept store wäre vielleicht eine passende Bezeichnung. Oder eine Art Museumsshop. Die Idee dahinter ist auf jeden Fall ähnlich." Präsentiert werden zahlreiche Kunstgegenstände - oder Kopien davon. „Es soll etwas für jeden Geldbeutel dabei sein. Dann können Kunstliebhaber etwas finden, aber auch Touristen, die nur auf Stadtbummel sind."

Das teuerste Bild stammt von Julve selbst. 2.400 Euro kostet das große Ölgemälde, das an einer Wand im „Papillon" hängt. Eine gedruckte Version davon gibt es im Postkartenformat in einem Ständer an der Verkaufstheke für 1,60 Euro. "Ich male seit mehr als 20 Jahren", berichtet die 45-Jährige. Leben konnte sie davon noch nie. „Wer kann das schon", fragt sie und zuckt die Schultern. Ihr täglich Brot verdient sie mit einem Kellnerjob. „Und nach der Arbeit geht es dann ins Atelier. Malen, arbeiten, malen, arbeiten, jeden Tag."

Ob das „Papillon" diesen Kreislauf auf lange Sicht durchbrechen wird und als einzige Einkommensquelle ausreicht? Möglich. ­An Originalität fehlt es dem Laden jedenfalls nicht. Neben den zahlreichen Ölgemälden und Grafikdesign-Arbeiten von Julve gibt es ein buntes Angebot an Werken und Dingen. Vereinen tut sie nur eins: Sie alle sind handgemacht von balearischen Künstlern und Kunsthandwerkern. Den Tellern und Tassen der Töpferin Anna Skantz sieht man das auf den ersten Blick an. Sie sind etwas unförmig, haben keine perfekte Kreisform. „Aber Makel können ja gerade das Besondere ausmachen", findet Catalina Julve.

Ecken und Kanten haben viele der ausgestellten Werke - auch im übertragenen Sinne. So, wie die Comics und Romane des alternativen Verlags „Edicions del despropòsit" (Unsinns-Verlag), die in der Nähe des Eingangsbereichs stehen. Oder die Gemälde halb nackter Kinder und

Jugendlicher, die in ihrer Haltung, Pose und Mimik irgendwie obszön erscheinen. „Ja, die Künstlerin Bel Fullana ist eine Provokateurin", sagt Catalina Julve und grinst.

Ähnliches könnte man von Jaume Canet behaupten, der neben anderen Werken auch einen überdimensionierten Penis aus Eisen zum Verkauf stellt. Oder von Mariona Obrador, deren Postkarten gleich daneben feilgeboten werden. Auf den ersten Blick erinnern sie an die üblichen sexistische „Spaß"-Postkarten, die in den Mainstream-Touristenläden zu kaufen sind. Erst auf den zweiten Blick erkennt man: Die Bilder sind erschreckend echt, aufgenommen bei nächtlichen Partyexzessen am „britischen Ballermann" Magaluf, Exkremente inklusive. Spätestens der aufgedruckte Titel „Mallorca Paradise" zeigt deutlich die Gesellschaftskritik der Künstlerin.

Geradezu harmlos wirken dagegen die bedruckten Textilien und die geschmackvollen Postkarten und Magnete mit traditionellen Mallorca-Symbolen. „Ein bisschen was für die Urlauber. Aber auch das stammt von Insel-Künstlern", so Julve.

Papillon ist Französisch für Schmetterling und stehe als Symbol für die Freiheit, erzählt Julve, die dabei auch an „Papillon" gedacht hat, den Roman von Henri Charrière, der immer wieder in der Strafkolonie Französisch-Guayana aus den Gefängnissen ausbrach und einen Schmetterling auf der Brust tätowiert hatte. Auch auf dem Logo von Julves neuem Kunstzentrum prangt ein stilisierter Schmetterling, gebildet aus zwei sich überkreuzenden Handflächen. „Denn darum geht es hier ja, um Handarbeit. Und darum, auszubrechen", sagt die Künstlerin und fügt hinzu: „Na ja, zumindest ein bisschen."