Als Jan-Willem Sintnicolaas vor sechs Jahren in den Niederlanden seine eigene Fahrrad-Marke namens „van Nicholas" verkaufte und nach Pollença zog, fühlte er sich zunächst befreit und wollte nur noch ausspannen. Doch schon bald überkam ihn wieder der Tatendrang: „Ursprünglich hatte ich vor, ein Sabbatjahr auf Mallorca zu machen", sagt der Sport-Freak. Doch nach einiger Zeit hatte er nur noch eines im Sinn: „Ich wollte wieder Fahrräder entwerfen." Schick sollten sie sein und vor allem stabil. Deswegen wollte der Holländer unbedingt Titan für die Rahmen benutzen, so wie er das viele Jahre als Chef der US-Firma Airborne gemacht hatte. Titan ist erheblich strapazierfähiger als Carbon, das ebenfalls viel Anwendung in der Fahrradbranche findet, aber eben auch brechen kann.

Guillem statt Willem

Weil sie den geschäftstüchtigen Holländer in Pollença statt Willem alle Guillem nennen, taufte Jan-Willem Sintnicolaas seine neue Marke im Jahr 2015 einfach „J. Guillem". Er bietet im Internet unter jguillem.com fünf formschöne und metallicfarbene Modelle für erfahrene Rad-Freaks an, die alle nach Inselorten benannt sind: Formentor, Orient, Major, Atalaya und Tomir (in Anlehnung an das Hotel Ola Tomir in Portals Nous).

Das Formentor-Rad ist das Spitzenprodukt des Holländers, das er als besonders rasant anpreist. Es kostet alles andere als wenig, nämlich 4.499 Euro, wobei allein der Rahmen mit 2.499 Euro zu Buche schlägt. Das günstigste Produkt aus dem Hause Sintnicolaas ist das nicht viel billigere Tomir-Rad, das mit seinen deutlich voluminöseren Reifen besonders fürs Fahren jenseits geteerter Straßen und für Schlechtwettertage geeignet ist. Das ebenfalls mit allen Schikanen ausgestattete Gefährt kostet 3.499 Euro, nur für den Rahmen muss man 1.799 Euro ­hinblättern. Für das viele Geld kann man sich die Größe des Rahmens zwischen 52 und 62 Zentimetern selbst im Web zusammenkonfigurieren und bekommt dafür nicht weniger als 100 Jahre Garantie. Sintnicolaas´ Kunden sind denn auch zufrieden: In Radsport-Fachzeitschriften ist von „perfekten" Rädern, „transzendentalen Erlebnissen" und „Maßanzügen" die Rede.

Die von dem Holländer entwickelten Mallorca-Fahrräder werden nach der Bereitstellung der Titan-Rahmen durch Zulieferfirmen in Numansdorp in den Niederlanden zusammengeschraubt und dort auf Herz und Nieren getestet. Wobei - wie der Designer betont - keine Schraube ausgelassen wird. „J. Guillem"-Fahrräder finden vor allem in den Niederlanden, in Großbritannien und Belgien Absatz und mit steigender Tendenz auch in Spanien. Auf der Insel kann man sie sich in einem Geschäft in Port de Pollença (C/. Reina Maria Christina, 22, Tel.: 646-27 56 04) ausleihen oder kaufen.

Die Distanz zwischen seinem Wohnsitz Mallorca und dem Firmensitz Holland kommt Jan-Willem Sintnicolaas offensichtlich entgegen: Als Thinktank in einer Person lässt er es auf der Insel ruhiger als früher in der kalten Heimat angehen. Er und seine Familie hätten auf der Insel gelernt, dass das Leben nicht daraus bestehe, „24 Stunden ein erfolgreiches Unternehmen zu leiten". Diesen Fehler wolle er nicht wiederholen.

Auch sei er nicht mehr so perfektionistisch wie früher, sagt der Fahrrad-Erfinder. Er fühle sich inzwischen mitunter sogar von „nicht perfekten Dingen" verführt. In diesem Zusammenhang lässt sich Jan-Willem Sintnicolaas nicht mehr nur von der Technik leiten. „Wir handeln nach unseren Gefühlen und nicht nach strikten Gepflogenheiten", sagt er. „Das macht uns flexibel." Überhaupt erzähle „J. Guillem" die Geschichte von Sintnicolaas´ Familie, „weil meine Ehefrau ebenfalls involviert ist", fügt der Holländer hinzu - sie hilft ihm bei der Entwicklung. „Es handelt sich um eine Marke, die zu uns als Menschen passt." Man verkaufe nicht lediglich irgendwelche Produkte, sondern mehr. Wie die meisten Menschen seien auch er und seine Familie darauf erpicht, ein gelungenes Gleichgewicht zwischen Arbeit, Familie, Freunden und Sport zu finden. „Der Radsport erlaubt dir, aus dem normalen Lebensrhythmus auszusteigen."

Keine Werbung

Der Holländer verzichtet ausdrücklich darauf, für sein Produkt Werbung zu machen. „Wir nehmen auch nicht an großen Messen teil", sagt Jan-Willem Sintnicolaas. „Stattdessen glauben wir an die sozialen Netzwerke und die Mundpropaganda." Und das funktioniert offenbar gut: Im Nischenmarkt der Titan-Fahrräder hat sich Jan-Willem Sint­nicolaas bislang bestens behauptet, wie er sagt. „2018 ist unser drittes Jahr, und dieVerkäufe laufen gut."